Andreas900
Sehr aktives Mitglied
Hallo liebe Community
ich bin jetzt 37 und habe mich noch mit mit Autismus beschäftigt. Für mich war klar, ich bin kein Autist.
Autisten haben Probleme bei der sprachlichen Kommunikation. Meine Ausdrucksweise ist aber vielmehr eher überdurchschnittlich klar und genau. Ich bin auch kein Genie auf irgendeinem Gebiet, was typisch für viele Autisten ist.
Nun stieß ich auf einen Artikel über Asperger (eine eher milde Form des Autismus) und habe mich damit beschäftigt.
Wikipedia:
Das nach dem österreichischen Mediziner Hans Asperger benannte Asperger-Syndrom (AS) gilt als leichte Form des Autismus und manifestiert sich etwa vom vierten Lebensjahr an. Obwohl viele Verhaltensweisen das soziale Netz der Betroffenen, insbesondere das der nächsten Bekannten und der Familie, stark in Anspruch nehmen, gibt es nicht nur negative Aspekte des Asperger-Syndroms. Es gibt zahlreiche Berichte über das gleichzeitige Auftreten von überdurchschnittlicher Intelligenz oder auch von Inselbegabungen.[17] Leichtere Fälle von Asperger-Syndrom werden im Englischen umgangssprachlich auch als „Little Professor Syndrome“, „Geek Syndrome“ oder „Nerd Syndrome“ bezeichnet.
Tatsächlich war "Professor" mein Spitzname in der Grundschule und ich hatte immer sehr spezielle Hobbies, vom Vulkanismus bis Roboter. Ich meine, welches kleine Kind beschäftigt sich mit Luv und Lee Windrichtungen an Bergen?
Heute bezeichne ich mich als Nerd oder Geek, wenngleich eher mild ausgeprägt.
Mein größtes Problem sind soziale Interaktionen, in denen ich mich schnell deplatziert fühle. Ich kann mich im Gegensatz zu einem Autisten zwar gut ausdrücken, aber mir fällt es schwer non-verbale Zeichen zu verstehen. In Folge dessen hatte ich immer wenig Bedürfnis Beziehungen aufzubauen, egal ob freundschaftlich oder romantisch. Wenn mich Freunde oder Kollegen freundschaftlich drücken, lächel ich und erwidere die Umarmung, es bleibt mir aber unangenehm.
Ich werde auch manchmal darauf hingewiesen, dass ich selber nonverbal schlecht kommuniziere, sei es dass ich zu laut werde oder meine Körperhaltung ablehnend wirkt.
Kennzeichnen empfand ich den Satz
"Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom können durch hohe Schauspielkunst nach außen hin eine Fassade aufrechterhalten"
Generell fühle ich mich wie ein Schauspieler, der Spass an sozialen Aktivitäten heuchelt.
Der Preis dafür ist hoch. Sich zu verstellen kostet mich gefühlt Kraft. Ich fühle mich oft grundlos gestresst. Mein Arzt meint, dass mein Stresslevel relativ hoch sei, konnte mir aber nicht sagen warum. Wir haben über mein Privatleben gesprochen und auch wenn Asperger nicht zur Sprache kam, meinte er, dass sowohl Einsamkeit als auch Probleme und Misserfolge bei sozialer Kommunikation Stressursachen sein können.
Ich habe keine Inselbegabung aber generell kann ich bei Interesse extrem gut lernen. Mathe zu Schulzeiten? Durchgehend Note 1. Ausgebremst hat mich nur ein Klassenwechsel, denn einen Wechsel des sozialen Umfeldes vertrage ich nicht. Am liebsten habe ich regelmäßige, wiederkehrende Rituale, feste Abläufe zu festen Zeiten.
Ich sehe mich nicht als "behindert" an und dies ist kein Hilferuf, vielmehr eine Diskussion, ob ich das richtig wahrnehme. Die Grenze zwischen einem leichten Autismus und anderen Charakterzügen wie Schüchternheit ist oft schwierig. Aber ich habe mich nie als schüchtern gesehen, vielmehr habe ich mir immer die Frage gestellt, was mein Gegenüber eigentlich von mir will.
Gunilla Kristina Gerland ist eine schwedische Autorin und Autistin drückte das mal so aus:
"Für das übliche Hin-und Her bei Gesprächen hatte ich kein Gefühl. Am liebsten hätte ich direkt alles gesagt was ich sagen wollte und anschließend mein Gegenüber. Dieses Vor- und Zurückspringen, diese Bemühungen darum, eine Bemerkung an der richtigen Stelle unterzubringen war ermüdend und schwierig."
So empfinde ich Gespräche. Ich kann über Sachthemen gut reden, ich kann sogar Vorträge vor Menschengruppen halten, aber in einem Gespräch den Punkt zu finden, an dem ich sprechen darf, fällt mir schwer. Von Anderen werde ich oft als emotionslos oder sehr ziel-fokussiert beschrieben.
Diese Ziel-Fokussierung bestimmt auch meine Zufriedenheit. Habe ich ein "Spezialthema" entdeckt, bin motiviert und zufrieden, auch außerhalb des Themas. Das kann ein Onlinespiel sein, eine Serie, die Geschichte Roms, das Lernen von Japanisch, Politik, Aktien oder der baltische Immobilienmarkt ... Ohne Spezialthema verfalle ich schnell in Selbstzweifel und igel mich noch mehr ein.
Ich weiß nicht was mir die Erkenntnis bringt, außer vielleicht zu wissen WARUM ich mich immer so fühle als müsse ich mich verstellen wenn ich mit anderen spreche....
LG
Andreas
ich bin jetzt 37 und habe mich noch mit mit Autismus beschäftigt. Für mich war klar, ich bin kein Autist.
Autisten haben Probleme bei der sprachlichen Kommunikation. Meine Ausdrucksweise ist aber vielmehr eher überdurchschnittlich klar und genau. Ich bin auch kein Genie auf irgendeinem Gebiet, was typisch für viele Autisten ist.
Nun stieß ich auf einen Artikel über Asperger (eine eher milde Form des Autismus) und habe mich damit beschäftigt.
Wikipedia:
Das nach dem österreichischen Mediziner Hans Asperger benannte Asperger-Syndrom (AS) gilt als leichte Form des Autismus und manifestiert sich etwa vom vierten Lebensjahr an. Obwohl viele Verhaltensweisen das soziale Netz der Betroffenen, insbesondere das der nächsten Bekannten und der Familie, stark in Anspruch nehmen, gibt es nicht nur negative Aspekte des Asperger-Syndroms. Es gibt zahlreiche Berichte über das gleichzeitige Auftreten von überdurchschnittlicher Intelligenz oder auch von Inselbegabungen.[17] Leichtere Fälle von Asperger-Syndrom werden im Englischen umgangssprachlich auch als „Little Professor Syndrome“, „Geek Syndrome“ oder „Nerd Syndrome“ bezeichnet.
Tatsächlich war "Professor" mein Spitzname in der Grundschule und ich hatte immer sehr spezielle Hobbies, vom Vulkanismus bis Roboter. Ich meine, welches kleine Kind beschäftigt sich mit Luv und Lee Windrichtungen an Bergen?
Heute bezeichne ich mich als Nerd oder Geek, wenngleich eher mild ausgeprägt.
Mein größtes Problem sind soziale Interaktionen, in denen ich mich schnell deplatziert fühle. Ich kann mich im Gegensatz zu einem Autisten zwar gut ausdrücken, aber mir fällt es schwer non-verbale Zeichen zu verstehen. In Folge dessen hatte ich immer wenig Bedürfnis Beziehungen aufzubauen, egal ob freundschaftlich oder romantisch. Wenn mich Freunde oder Kollegen freundschaftlich drücken, lächel ich und erwidere die Umarmung, es bleibt mir aber unangenehm.
Ich werde auch manchmal darauf hingewiesen, dass ich selber nonverbal schlecht kommuniziere, sei es dass ich zu laut werde oder meine Körperhaltung ablehnend wirkt.
Kennzeichnen empfand ich den Satz
"Die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom können durch hohe Schauspielkunst nach außen hin eine Fassade aufrechterhalten"
Generell fühle ich mich wie ein Schauspieler, der Spass an sozialen Aktivitäten heuchelt.
Der Preis dafür ist hoch. Sich zu verstellen kostet mich gefühlt Kraft. Ich fühle mich oft grundlos gestresst. Mein Arzt meint, dass mein Stresslevel relativ hoch sei, konnte mir aber nicht sagen warum. Wir haben über mein Privatleben gesprochen und auch wenn Asperger nicht zur Sprache kam, meinte er, dass sowohl Einsamkeit als auch Probleme und Misserfolge bei sozialer Kommunikation Stressursachen sein können.
Ich habe keine Inselbegabung aber generell kann ich bei Interesse extrem gut lernen. Mathe zu Schulzeiten? Durchgehend Note 1. Ausgebremst hat mich nur ein Klassenwechsel, denn einen Wechsel des sozialen Umfeldes vertrage ich nicht. Am liebsten habe ich regelmäßige, wiederkehrende Rituale, feste Abläufe zu festen Zeiten.
Ich sehe mich nicht als "behindert" an und dies ist kein Hilferuf, vielmehr eine Diskussion, ob ich das richtig wahrnehme. Die Grenze zwischen einem leichten Autismus und anderen Charakterzügen wie Schüchternheit ist oft schwierig. Aber ich habe mich nie als schüchtern gesehen, vielmehr habe ich mir immer die Frage gestellt, was mein Gegenüber eigentlich von mir will.
Gunilla Kristina Gerland ist eine schwedische Autorin und Autistin drückte das mal so aus:
"Für das übliche Hin-und Her bei Gesprächen hatte ich kein Gefühl. Am liebsten hätte ich direkt alles gesagt was ich sagen wollte und anschließend mein Gegenüber. Dieses Vor- und Zurückspringen, diese Bemühungen darum, eine Bemerkung an der richtigen Stelle unterzubringen war ermüdend und schwierig."
So empfinde ich Gespräche. Ich kann über Sachthemen gut reden, ich kann sogar Vorträge vor Menschengruppen halten, aber in einem Gespräch den Punkt zu finden, an dem ich sprechen darf, fällt mir schwer. Von Anderen werde ich oft als emotionslos oder sehr ziel-fokussiert beschrieben.
Diese Ziel-Fokussierung bestimmt auch meine Zufriedenheit. Habe ich ein "Spezialthema" entdeckt, bin motiviert und zufrieden, auch außerhalb des Themas. Das kann ein Onlinespiel sein, eine Serie, die Geschichte Roms, das Lernen von Japanisch, Politik, Aktien oder der baltische Immobilienmarkt ... Ohne Spezialthema verfalle ich schnell in Selbstzweifel und igel mich noch mehr ein.
Ich weiß nicht was mir die Erkenntnis bringt, außer vielleicht zu wissen WARUM ich mich immer so fühle als müsse ich mich verstellen wenn ich mit anderen spreche....
LG
Andreas