Hallo Rascas,
Referendariat ist wirklich der Wahnsinn, aber später wird es in der Tat besser. Eine Stunde, die man schon fünfmal gehalten hat, muss man nicht so detailliert vorbereiten. Mit etwas Glück ist ein 8-Stunden-Tag in 5 Minuten vorbereitet: Ich frage mich zu jeder Stunde, wie weit ich zuletzt gekommen bis, was ich nun machen muss, und wenn ich dann auch noch klar habe, welches Material ich dazu verwenden kann, ist unter Umständen schon alles fertig oder ich muss noch noch mit dem Material zum Kopierer.
Klingt nach einem easy Halbtagsjob, aber das läuft nicht immer so einfach. Das einfachste Problem dabei ist, dass ich zwar inzwischen einiges Material habe, aber doch erstmal das richtige suchen/aussuchen muss. Das kann dann durchaus mal dauern. Auch kommt es immer wieder mal vor, dass man etwas unterrichten muss, was man so noch nie oder das letzte Mal vor vielen Jahren unterrichtet hat. Da muss die Stunde wirklich neu vorbereitet werden, und das kann dauern.
Außerdem sind Klausuren und Tests zu korrigieren, aber nicht nur das: Sie müssen auch erstmal aufgestellt werden. Und wenn dann einer fehlt, muss eine Nachschreibarbeit aufgestellt werden, ein Nachschreibtermin organisiert werden, die Nachschreibarbeit auch korrigiert werden. Das ist ziemlich aufwendig.
Dazu kommen dann noch gelegentlich Konferenzen, Besprechungen etc.
Und du darfst nicht denken, 6 Stunden a 45 Minuten zu halten sind ja nur 4,5 Stunden, also ein halber Arbeitstag. Nein, danach bin ich erstmal mehr oder weniger erledigt, denn so einfach ist das nicht. Niemand könnte 8 Zeitstunden täglich unterrichten.
Und Pausen habe ich zwischen den Unterrichtsstunden gar keine. Es gibt zwar Pausen, aber die gehen bei mir komplett für irgendwelche notwendige Kommunikation mit anderen Lehrern und organisatorischen Krams drauf.
Aber wenn das, was ich bisher schrieb, alles wäre, dann wäre der Job eigentlich ganz ok, von der Zeitbelastung her. Schon stressig während der Schulzeit, aber zum Ausgleich gibts ja viele Ferien.
Nur: Das oben geschriebene ist das, was man tun muss, wenn es keine Probleme gibt.
Es gibt aber Probleme, und das nicht zu knapp. Nicht nur Disziplinprobleme wie schwatzende Schüler, die Schüler können auch nicht, was sie in ihrem Alter sollten, sie tun nicht, was man ihnen sagt, vergessen ihr Material zu Hause, hören nicht zu, denken nicht mit, schwänzen, schreiben schlechte Noten, halten Mitschüler von der Arbeit ab. Und wenn dann dementsprechend die Noten schlecht sind, ist das Gejammer groß, bei Schülern, Lehrern, unter Umständen auch bei Kollegen, und natürlich ist das Desaster erstmal der Lehrer schuld. Und dann muss man sich rechtfertigen, vor Schülern, Eltern, Kollegen, Schulleiter.
An dieser Stelle muss letztlich jeder selbst wissen, wie er damit umgeht. Man kann sich das gewiss einfach machen, insbesondere in manchen Fächern: In Religion kann man jedem Schüler, der sich beteiligt, eine Eins aufs Zeugnis geben und jedem, der nur mehr oder weniger heimlich im Unterricht Karten spielt, eine Zwei, und schon hat man kaum noch ein Problem.
Bei mir ist das anders, ich will eigentlich meinen Schülern bestimmte Dinge beibringen, mir reicht es nicht, wenn die Schüler bei mir drei Jahre nur Mau-Mau spielen. Wenn ich ihnen aber bestimmte Dinge beibringen will, kann das nur klappen, wenn ich sie irgendwie dazu bringe, sich bestimmte Vorkenntnisse anzueignen. Fordere ich hier aber zu offensichtlich Dinge ein, die der Kollege in der Parallelklasse nicht einfordert, dann gibts wieder Stunk... weil das ja sooooo ungerecht ist. Das ist verdammt schwierig, da den richtigen Mittelweg zu finden.
Und dann gibts in einigen Klassen so ein paar obercoole Super-Faulpelze, die stolz darauf sind, niemals irgendwas von dem zu tun, was ein Lehrer von ihnen verlangt. Lasse ich die damit durchkommen, dann sieht der Rest der Klasse das und tut auch absolut nichts mehr, da man damit ja offenbar durchkommt. Also kann ich diese Faulpelze nicht damit durchkommen lassen. Ich muss denen auf die Füße treten, und zwar frühzeitig, nicht erst bei der nächsten Zeugnisnote. Das wird aber ein aufwendiger Machtkampf - und den führe erstmal mit diversen Schülern, jede Woche wieder.
Wenn du an all diese Probleme planlos rangehst, gehst du unter. Also müssen solche Dinge geplant werden, und das kann weitaus mehr Zeit kosten als die eigentliche Unterrichtsvorbereitung:
Was mache ich mit Kurs A, bei der die Anwesenheitsquote allmählich deutlich unter zwei Drittel sinkt?
Was mache ich mit Klasse B, viel zu groß und in einem Raum mit miserabler Akkustik, die ich einfach nicht leise kriege, weil die schwatzen für ganz normal halten und ich vorne einfach nicht heraushöre, wer da wieder in der letzten Reihe ungefragt was gesagt hat?
Was mache ich mit Klasse C, in der sich alle Schüler weigern, irgendwas zu tun, wenn sie nicht von mir einzeln dazu intensiv angetrieben werden?
Was mache ich mit Schüler D, der höchstens jede zweite Stunde kommt? Ich muss was tun, sonst wird die Anwesenheitsquote der anderen dramatisch sinken, weil die merken, dass D damit durchkommt.
Was mache ich mit Klasse E, in der mehr als ein Drittel der Schüler da überhaupt nicht hingehört und niemals den Abschluss schaffen kann? Wie werde ich diese Schüler möglichst frühzeitig los, damit eine Klasse übrig bleibt, die ich ernsthaft unterrichten kann?
Was mache ich mit Schüler F, dem ich wirklich nichts beibringen kann, weil er, realistisch gesehen, wohl geistig behindert ist?
Was mache ich mit Klasse G, in der immer mindestens ein Drittel der Schüler das Buch vergisst und mindestens ein Drittel den Taschenrechner?
Was mache ich mit Schüler H, mit dem ich dummerweise auf Grund seiner Arbeitsmoral und seiner nicht vorhandenen Kenntnisse regelmäßig Stress habe, von dem ich aber weiß, dass er schon Leute, mit denen er Stress hatte, mit einer Schusswaffe bedoht hat?
Was mache ich mit Schüler I, der mir eine unflätige Zeichnung in die Klausur gemalt hat, und seinem Vater J, der mir unterstellt, ich müsse das da reingemalt haben, weil sein wohlerzogener Sohn so etwas niemals machen würde?
Was mache ich mit Schüler K, der mich unglaubliche Mengen Extra-Arbeitszeit kostet, weil er jeden Test und jede Klausur nachschreibt, immer mit einem Attest, unterschrieben mit einem einfachen Haken, aus der Praxis, in der seine Freundin Arzthelferin ist?
Was mache ich mit Schüler L, der meinen Unterricht nicht verstehen kann, weil er die Tafel nicht lesen kann, sich aber auch seit Monaten keine Brille besorgt?
Und solche Sachen müssen nicht nur geplant werden, sie erfordern auch Gespräche mit den Schülern, den Eltern, Kollegen, Schulleiter, ggf. ganze Konferenzen, das Aufstellen von Extra-Aufgaben für bestimmte Schüler, das Beaufsichtigen dieser Schüler beim Nachsitzen usw.
Und irgendwann sehnst du dich nach einem ruhigen Bürojob, bei dem du um 17 Uhr auch tatsächlich Feierabend hast.