Ich weiß nicht recht. Für mich ist dieser Ort auch Heimat. Ich bin da aufgewachsen bis zur Volljährigkeit, hatte den ersten Teil meines Lebens dort verbracht. Zudem ist es eine tolle Immobilie, die man irgendwie halten will. Und es steckt so viel Liebe im Detail von meiner Mutter drin, sie war da Perfektionistin. Ich glaube ich bin da nicht so weit. Gegenstände habe ich schon mit genommen natürlich. Aber irgendwie reicht es nicht. Man will viel mehr haben... Eigentlich will man die Person wieder zum Leben erwecken, aber das geht leider nicht. Ich glaube zwar an Gott und an ein Leben nach dem Tod, nur aktuell fällt es mir schwer daran zu glauben.
Ich kann das zwar einerseits verstehen. Ich habe auch an meinem Elternhaus gehangen. Es war ein Siedlungshaus aus den 1950er Jahren, 2 Etagen, insgesamt 160 qm Wohnfläche, voll unterkellert, mit 710 qm Garten. Meime Eltern hatten es in der 2. Hälfte der 1950er Jahre in einer Kleinstadt erbaut und sich finanziell dafür krumm gelegt.
Wir hatten im Garten verschiedene Obstbäume, eine große Japanische Kirsche, einen Zierapfel, zwei Rhododendronbüsche, Forsythien, Pfingstrosen, und im Frühling blühten Krokusse, Schneeglöckchen und Narzissen auf der Wiese.
Auch einen Nutzgarten mit Gemüse und Obst hatten wir. Und damals eine sehr nette Nachbarschaft.
Aber ich habe das Haus nach dem Tod meiner Mutter (2011, Vater schon 1993 verstorben) nicht halten können, weil ich eine Erbengemeinschaft mit meiner jüngeren, psychisch kranken Schwester bildete, die bis heute nie gearbeitet hat, kein eigenes Einkommen hat , völlig krankheitsuneinsichtig ist und allein in dem großen Haus wohnen bleiben wollte, während ich alleine für alle Kosten und noch dazu ihren Lebensunterhalt aufkommen sollte.
Ich habe schließlich meinen Erbteil zum Schleuderpreis an einen Nachbarn verkaufen müssen, um aus dieser Erbengemeinschaft heraus zu kommen. Der Nachbar betrieb gegen meine Schwester, die sich auch mit ihm nicht gütlich einigen wollte, die Teilungsversteigerung. Er ersteigerte 2015 das seit Jahrzehnten schuldenfreie Haus. Da sich meine Schwester trotzdem weigerte auszuziehen, kam es auch noch zur Zwangsräumung. Das ist jetzt fast acht Jahre her. Meine Schwester lebt jetzt in einer Sozialwohnung ein skurriles, bizarres Leben, scheint aber auf ihre Weise irgendwie klarzukommen.
Aus meinem Elternhaus habe ich nicht ein einziges Andenken retten können. Alles weg. Kein einziges der vielen gerahmten Dias meines Vater mehr, nichts. Ich kann nur noch an dem Haus vorbeifahren, wenn ich mal in meinem Heimatort bin und auf dem Friedhof nach dem Rechten sehe. Dann kann ich mir sagen: Das war mal mein Elternhaus. Mehr nicht.
Aber ich habe es überlebt und weiß spätestens seitdem: Alles Materielle ist vergänglich. Wir sollten unser Herz nicht daran hängen. Es kann uns alles durch tragische Umstände, für die wir nichts können, wieder genommen werden. Das ganze Horten nützt nichts. Wir können nichts mitnehmen, wenn wir eines Tages selbst sterben. Und auch jeder Mensch, den wir lieben, kann uns jederzeit genommen werden.
Mein Glaube an Gott hat mir am meisten geholfen, über diese Sache und auch über den plötzlichen Tod meines Partners hinweg zu kommen, der vor zehn Monaten verstorben ist, zwei Monate vor seinem 61. Geburtstag. Und meine Schwester habe ich an ihre psychische Krankheit verloren. Ein Kontakt zu ihr ist mir nicht mehr möglich, nachdem sie jahrelang einen unerträglichen Psychoterror mit mir gemacht hat. Kinder habe ich keine. Auch sie waren mir vom Schicksal nicht vergönnt.
Meinst du nicht, dass du im Vergleich dazu recht gute familiäre Rahmenbedingungen dafür hast, mit der Zeit über den Tod deiner Mutter hinweg zu kommen?