Vielleicht war sie sich einfach nicht sicher, ob du es wirklich bist. Ich saß auch schon oft in der U-Bahn und habe mich gefragt "ist das xy, der von der Uni?". Aber ich war mir nicht ganz sicher und nachdem ich mich oft genug blamiert habe, indem ich vermeintliche alte Bekannte ansprach, die es dann aber doch nicht waren (oder mich schlicht nicht mehr erkannten), lasse ich es auch. Wenn mich jemand wiedererkennt und Kontakt will, soll er/sie doch einfach auf mich zugehen. Oder sie wollte einfach nicht reden. Ich habe auch schon mal einen engen Kumpel in der Bahn absichtlich ignoriert. Nicht, weil ich ihn nicht mehr mochte, aber ich hatte an dem Tag Kopfschmerzen und der Typ ist halt ne Quasselstrippe sondersgleichen, mit nichts zu bremsen. Das wollte ich mir an dem einen Tag einfach nicht antun.
Vielleicht hat sie dich auch schlicht nicht wiedererkannt. Du meinst, du würdest sie von der Uni kennen. Ich gehe mal davon aus, dass du wie die meisten so Anfang bis Mitte 20 dort studiert hast und mittlerweile etwa 15 Jahre vergangen sind. Und ich sage es mal so: zwischen 25 und 40 ändern sich die Gesichtszüge von Männern massiv. Wenn ich mir auf Facebook und Co Fotos von alten Kommilitonen ansehe: speziell die Männer sind kaum wiederzuerkennen, weil viel kantiger (und häufig auch beleibter im Gesicht, dazu ein ordentlicher Bart). So, und dann sitzt da aus ihrer Sicht ein Typ in der Bahn, der sie die ganze Zeit anstarrt. Das ist einfach unangenehm und sie hat vielleicht einfach gehofft, dass dieser vermeintlich wildfremde Mann endlich aufhört, sie anzustarren, wenn sie ihn gekonnt ignoriert.
Gekonnt ignorieren ist übrigens tatsächlich ein Trick von uns Frauen, wenn ein uns (vermeintlich) unbekannter Mann die ganze Zeit versucht, nonverbal Kontakt mit uns aufzunehmen. Da man spätestens mit 16 längst die Erfahrung gemacht hat, dass ein Mann grundsätzlich was sexuelles von einem will wenn er einen grundlos auf der Straße oder in der Bahn anspricht, und zudem sich viele nicht mit einem "Nein" zufrieden geben, sorgt man eben dafür, dass es gar nicht erst zu einer Kontaktaufnahme kommt. Etwa durch gekonntes ignorieren. Bedanken darfst du dich bei deinen Geschlechtsgenossen, die beleidigt oder aggressiv reagieren, wenn man etwa die eigene Nummer nicht herausrücken will und die sich partout nicht abwimmeln lassen. Würden Männer einfach freundschaftliche Gespräche führen und einem auch bei Desinteresse freundlich einen schönen Tag zum Abschied wünschen, glaube mir, wir Frauen wären viel offener für Gespräche mit Fremden in der Bahn. Aber die Erfahrung zeigt eben: wenn du nicht willst, dass dein Tag versaut wird, dann besser ignorieren.
Aus demselben Grund wird dir auch nie jemand - schon gar keine Frau - sagen, was konkret sie an dir stört. Habe ich in jungen Jahren ein paar Mal gemacht. Was ich dabei nie erfahren habe, ist, dass sich je einer dafür bedankt hätte, dass endlich mal jemand konkret benennt, was eigentlich an einem nicht stimmt.
Stattdessen kommen Beleidigungen, Vorwürfe, dass man einem nicht die Chance gäbe, mehr Zeit mit mir zu verbringen, um den wahren Charakter zu zeigen (will ich aber nicht, das bereits Gesehene reicht mir) und vor allem: eine halbe Stunde (mindestens) lang Aufzählungen, was denn an mir nicht alles stören und nicht stimmen würde (warum auch immer man mit mir mehr Zeit verbringen will, wenn ich ach so furchtbar bin). Das können dann stundenlange Diskussionen werden, weil sie einen uuuunbedingt davon überzeugen wollen, dass man doch gar nicht so sei, ich alles falsch wahrnehme und nicht selten versuchen die Typen auch noch, einen im ganzen Freundeskreis schlecht zu machen. Darauf kann ich verzichten, daher denke ich mir meinen Teil, sage aber etwas wie "ich weiß auch nicht, was die anderen so an dir stört. Leider habe ich aber die nächsten Wochen keine Zeit für ein weiteres Treffen, weil ich *irgendeine Ausrede hier einfügen* machen muss". Dann habe ich wenigstens meine Ruhe.
Es ist nun mal nicht die Aufgabe von uns Frauen, deine psychischen Störungen zu korrigieren. Dafür sind Psychologen zuständig, die kriegen wenigstens Geld dafür. Und wie oben bereits gesagt: wir verbinden komisch sein meist mit Gefahr und bei Gefahr wollen wir weg. Entweder du lässt das mithilfe von Therapie beheben. Oder du musst in einem anderen Teich deine Angel ausstrecken. Denn wenn dein Autismus (sowie die anderen Störungen) derart stark ausgeprägt ist, dass er nicht zu übersehen oder überspielen ist, dann wirst du unter Nichtautisten nun mal immer anecken. Wenn Therapie also nicht klappt, musst du dort hin, wo du nicht so sehr auffällst. Also etwa in Selbsthilfegruppen von Menschen, die deine Störungen teilen, denn auf diese wirkst du vielleicht normaler, bzw. sie können leichter Verständnis für dich aufbringen, da sie selbst betroffen sind.