Hi Nina,
Es ist verständlich, dass es Dir am Sonntag schlecht ging und Du Dich betrunken hast. Und gut, dass Du nicht in den Alkohol abrutscht.
wie es die Böhsen Onkelz bereits gesungen haben, "Saufen ist wie Weinen" und die Flasche Whiskey einfach in mich hinein geschüttet habe. Mir während dessen aber stets bewusst war, das es keine Lösung ist, sein kann oder darf. Egal welche BTM ich auch in der Vergangenheit konsumiert habe, zu keiner Zeit haben sich irgendwelche Suchterscheinungen eingestellt. Was das angeht, mir zum Glück nicht auch noch Sorgen oder Gedanken machen muss. Völlig gleich wie andere darüber denken mögen, mir selber war es wichtig, auch dies offen und ehrlich hier mitzuteilen.
Was genau willst Du? Wilst Du ernsthaft, dass es Dir irgendwann besser geht? Willst Du Dich und Dein Denken/Fühlen ändern? Willst Du irgendwann wieder jemanden lieben und eine tiefere Beziehung eingehen?
Ich möchte eigentlich nicht viel. Einfach ein "normales" Leben führen. Meinen Job behalten, eine aufrechte und ehrliche Beziehung, eigene Kinder, einen Hund - wenn man so will ein Spießer-Normalo-Leben, so wie ich es zuvor immer weggestoßen habe. Einfach zu wissen, das jemand da ist, wenn man nach Hause kommt. Einfach wissen, dass man nicht alleine ist. Egal wie blöde oder schnulzig es sich anhören mag, mir für eine Frau die ich Liebe wirklich Arme und Beine ausreiße. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umsehe, wünsche ich mir eigentlich nichts mehr, als ebenso zu leben. Ich will das exzessive Feiern komplett hinter mir lassen.
Was sind Deine Ziele? Du hast immens viel Schlimmes erlebt, aber Du hast Du auch durch vieles durchgekämpft. Das zeugt von guter Resilienz.
Mein Ziel ist vor allem Kontinuität in meinem Leben. Arbeit, Beziehung und nicht mehr diese sich ständig wiederholende Rückschläge und das sich im Kreis drehen. Jemanden an der eigenen Seite wissen, der einen wirklich versteht. Mit den Ecken und Kanten umzugehen weiß und nachvollziehen kann, warum man so geworden ist, wie man ist.
Wie hast Du das damals geschafft, wie hast Du Dich motiviert, was hat Dir geholfen? Die Tatsache, dass Du einiges erreicht hast, zeigt, dass Du schon Stärke in Dir hast. Darauf kannst Du bauen.
Ich musste, ob ich wollte oder nicht, früh lerne auf eigenen Beinen zu stehen. Als ältester von drei Kindern der große Bruder war, der seine Mutter unterstützen wollte. Soweit ich mich zurückerinnere, bin ich auch in der Pubertät nie auffällig gewesen - ganz im Gegenteil. Mit 12/13 Jahren hatte ich meinen ersten Job neben der Schule. Während Freunde anfingen Partys zu feiern, ging ich freitags, samstags sowie in den Ferien neben der Schule arbeiten. Irgendwann änderte sich das auch bei mir und für meine Clique immer irgendwie wie Dr. Sommer war. Egal welche Probleme es gab, man vertraute mir und heulte sich bei mir aus. Als einziger Kerl beim Mädelsabend dabei, viele Eindrücke gesammelt und nach dem Tod der Freundin vor allem an meine Freunde gedacht.
Ich habe damals zwei Cliquen zusammengebracht, weil es mich nervte, mich jedes Mal entscheiden zu müssen, wo und mit wem ich nun etwas unternehme. Am Ende waren wir etwa fünfzig Jugendliche, die viel Zeit miteinander verbrachten. Das Feiern nahm bei mir dann irgendwann immer exzessivere Züge an. Erst floss der Alkohol in hohen Mengen, es folgte der Konsum von BTM (MDMA, Amphetamin, Kokain, LSD) und im vierzehntägigen Rhythmus auf kleineren und größeren Festivals unterwegs war. Ich konsumierte immer mehr, ließ meinen Job schleifen, verlor damals meine Wohnung, zog für kurze Zeit wieder zu Hause ein und landet nach Streit mit meinem Vater für einige Tage auf der Straße. Von meinen alten Freunden hatte ich abgekapselt und bin stattdessen den falschen hinterhergerannt. Ich weiß nicht, warum oder wieso, aber alles was passiert ist mehr und mehr verdrängt und gefühlt ausgelöscht habe. Dass es nicht so ist, merke ich ja heute mehr als deutlich. Ich würde alles dafür hergeben, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte. Zurück in eine Zeit, in der ich andere und vor allem mich nicht selbst immer wieder belogen habe.
Du bist ja auch bereit dazu. Also wenn das Ziel: Therapie wäre, was ist dann der winzigste Schritt, den Du gehen kannst Du Dir zutraust?
Ich würde sagen: eine Telefonnummer heraussuchen und sichtbar platzieren.
Ja, ich will mein Leben wirklich ändern. Vor einigen Wochen ging es bereits so weit, das ich meiner Familie, Bekannten und Freunden bezüglich der BTM reinen Wein eingeschenkt habe. Manche wussten es längst, andere haben es nur vermutet und der Rest - vor allem meine Eltern - eher geschockt oder schweigend reagiert hat. Alleine diesen Schritt hätte ich schon viel eher gehen sollen, jedoch nicht den Mut dazu gehabt habe.
Hast Du den Film "The secret" geguckt? Wenn nein, wäre das auch mal ein Minischritt. 10 min. von dem Film gucken.
Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, werde es aber noch an diesem Wochenende nachholen. Letztes Mal war ich halt weder physisch noch psychisch dazu irgendwie in der Lage. Da war es mir eigentlich nur wichtig, das Grab meiner Freundin zu besuchen.
Du spürst ja vermutlich hier, dass es gut tut, mal alles von der Seele zu schreiben. Wir können keine echte Nähe in Beziehungen erreichen, wenn wir andere nur bis zu einem bestimmten Level an uns heranlassen.
Ja, es tut wirklich gut und schon eher nach einer Plattform wie dieser hier hätte suchen sollen. Irgendwie komisch das ich als echter "Digital Native" nicht vorher mal auf diese Idee gekommen bin. Ich weiß es wirklich verdammt zu schätzen, das mir jemand zuhört und sich Zeit dafür nimmt, mich und meine Probleme zu verstehen.
Also, was genau möchtest Du und was könnten Deine zukünftigen Minischritte sein?
Mein erster Minischritt ist oder wird wohl der Anruf bei der Caritas sein. In der Hoffnung das mir darüber Hilfe zuteil wird, damit sich mein Leben in Zukunft nicht weiter ständig im Kreis dreht. Ich habe diesmal gleich die Nummer der Lebensberatung herausgesucht und aufgeschrieben. Jetzt nur hoffe, dass ich mich kommende Woche nach der Nachtschicht (ich arbeite nur nachts) aufraffe und dort anrufe.
LG, Phoenix