Nu wird's aber wirklich persönlich, und ich finde das schade, sehr schade.
Tsunami, ich kenne Nordrheiner schon etwas näher und wir haben uns auch schon einmal in die Augen geschaut und einen Kaffee miteinander getrunken.
Ich weiß, dass er es ehrlich meint, aber und das sage ich jetzt auch, dass er sich dabei wahrscheinlich selbst überfordert.
Auch bei mir gab es da in den letzten Tagen einen Eindruck, gegen den ich ankämpfen musste. Und ich bin Nordrheiner dankbar, dass er hinter den Kulissen darauf einging.
Ich bin ja, anders als Du, Tsunami, auch theologisch interessiert und ich habe eine lange Vergangenheit und Geschichte auch mit meiner Kirche. Gerade in Kirchen und anderen - tendenziell idealistisch ausgerichteten - Organisationen gibt es ein Phänomen, das diesen Organisationen immer wieder auch selbst auf die Füße fällt:
Sie und die Menschen in diesen Organisationen meinen es oft recht gut, und sie überfordern sich damit gleichzeitig.
In einer Gewerkschaft streiten Menschen gemeinsam um ihre Rechte am Arbeitsplatz, sind sich einig in der Verfolgung bestimmter Ziele, die ihre Arbeitswelt und Arbeitsbedingungen betreffen.
In einem Sozialverband kämpft man für soziale Bedingungen, die eine bestimmte Gruppe in der Gesellschaft erreichen möchte.
In diesen Organisationen ist der Anspruch gelegentlich hoch, aber begrenzt und relativ scharf umrissen.
Religiöse Organisationen, Kirchen und Glaubensgemeinschaften jedoch zielen - das ist fast zwangsläufig- auf den ganzen Menschen, sein seelisches, sein soziales und auch körperliches Wohlbefinden.
Dabei vergessen die Menschen in diesen Gemeinschaften allerdings, dass sie selbst auch nur Menschen sind und ihre Möglichkeiten begrenzt. Ich habe etwa in meinem Leben mit und in meiner Kirche auch Pfarrerinnen und Pfarrer kennengelernt, die irgendwann im Burnout landeten, weil sie all die an sie gerichteten Erwartungen erfüllen wollten.
Ich lernte nicht nur Amtsträger kennen, denen das geschah, sondern auch Mitchristen.
Und ich habe die Diskrepanz gespürt, die sich da auftat.
"Sie sind doch Religionslehrer", hörte ich selbst ja manchmal junge Menschen sagen und damit appellierten sie an mich in einer Art und Weise an mich, die noch über die Erwartung an den Lehrer hinausgingen.
Natürlich merkten sie auch, dass ich glaubte, aber mich manchmal auch nicht anders verhielt als andere Kollegen auch.
Je älter, je reifer und auch authentischer ich wurde, umso mehr war es mir möglich, das auch einzugestehen.
Das nahmen mir die jungen Menschen auch ab.
Ich habe mich hier in meinem Ort aus meiner Kirchengemeinde zurückgezogen und nehme am Gemeindeleben seit über einem Jahr nicht mehr teil.
Das geschah nicht zuletzt aus dem Erleben, dass da etwas nicht zusammenpasste, und dass Rede und Handeln weit auseinanderfielen.
Das war ein schmerzhafter Prozess und ich leide in gewisser Weise auch darunter, schließlich stand ich hier einmal auch einige Jahre auf der Kanzel, predigte und hielt selbst Gottesdienste.
Aber ich ertrug am Ende nicht mehr diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, konnte nicht mehr Beifall klatschen dafür, dass da hehre Ansprüche artikuliert wurden, die mit der Wirklichkeit so wenig zu tun hatten.
Selbst in der engsten Umgebung des Gründers unserer Kirche, Jesus Christus, nämlich gab es diese Diskrepanz schon, wie Du im Neuen Testament schon lesen kannst.
Wir sind und bleiben Menschen, ob wir glauben oder nicht.
Und damit bleiben wir hinter unseren Ansprüchen oft zurück, auch hinter unseren religiösen Maßstäben.
Vielleicht sind wir alle, das ist jetzt eine gewagte theologische These, ich weiß, aber vielleicht sind wir im Scheitern diesem Jesus am nächsten, stehen wir doch alle, Gläubige und Ungläubige mit beiden Beinen in der manchmal nicht so schönen Wirklichkeit.
Dir, Tsunami, kann ich und das mache ich auch, gerne ein Gespräch, einen Austausch darüber anbieten, wie ich mit dem Gefühl von Einsamkeit umgehe und was ich dagegen unternehme, ohne dass ich dabei an meinem Glauben verzweifle.
LG
Burbacher