Nordrheiner
Sehr aktives Mitglied
Hallo, Zweifelnde,"Das Gute wollen – aber das Schlechte tun" bestimmen gerade meinen Alltag. Und das hat angefangen, seit ich aus meiner Heimat weg in eine ferne Stadt gezogen bin für die Arbeit. Erster Job, erste Wohnung, das erste mal wirklich richtig verliebt.
1) Wie ich jedoch meinen "Mangel" an Authentizität beseitigen kann und meine innere Einstellung wieder ins Positive lenken kann, weiß ich nicht. Gerade könnte ich mich ständig in eine dunkle Höhle verziehen ohne auch nur eine Menschenseele sehen zu wollen. Ich hatte nie solche immensen Selbstzweifel und Zweifel an der Aufrichtigkeit eines Menschen. Ich möchte ihm glauben, dass es anders ist, aber es schießen immer wieder die Erinnerungen hoch an all dieses Chaos und hin und her.
Du schreibst: "Versuche mal das Denken und die Auswahl der Gedanken stärker zu kontrollieren. Wähle aus, was Dir wichtig ist und denke, sprich und handel entsprechend."
2) Genau hier liegt mein Problem. Die Gefühle überfluten meine Gedanken und es kommt nur ein einziges Chaos raus. Die Gedanken, die ich zuvor noch klar im Kopf hatte, verpuffen wie ein Wassertropfen in der Wüste, wenn er vor mir steht und ich gerade einmal wieder in meinen Gefühlschaos stecke. Dann kann ich oft nur noch weinen und krieg keine Vernünftigen Gedanken mehr formuliert und werde unsachlich.
3) Also, wie kontrolliert man Gedanken?
4) Wie bändige ich meine Gefühle? Wie schaffe ich es wieder positiver zu denken und mich selbst wieder zu schätzen?
LG
die Zweifelnde
ich will mal langsam versuchen, Begriffe zu klären und Deine Fragen zu beantworten.
Ich habe sie in Deinem Text blau markiert.
Zu 1) : Man kann eine innere Einstellung nicht ins Positive lenken. Beispiel: Du hast die Einstellung, dass Kinder den Eltern in jedem Fall überall und immer gehorchen müssen, dass Partner sich treu sind und Afrikaner gehören nach Afrika.
Über so eine Einstellung kann man diskutieren. Wir können feststellen, was an dieser Einstellung gut ist und was nicht. Und ggf. kannst Du Deine Einstellung ändern.
Du lebst gemäß dieser Einstellung so, dass Du immer auf Gehorsam der Kinder bestehst und Untreue nicht verzeihst und Afrikaner ablehnst. Dann bist Du insofern authentisch. Du tust was Du denkst… und Du denkst, was Deiner Einstellung entspricht. Das muß niemandem so gefallen. Aber Du bist erkennbar als die Person, an deren Handeln das Denken und die Einstellung sichtbar sind.
Das krasse Gegenteil wäre: Klaus sagt zu Sonja „ich liebe Dich von ganzem Herzen“ und in Gedanken ist er bei Monika. Das ist nicht authentisch. Gedanken und Worte passen nicht zueinander. Bei einem nicht authentischen Menschen habe ich meist am Anfang ein komisches Bauchgefühl. Ich denke dann “irgendwas passt hier nicht“ bevor mir klar wird, was es ist.
Zu 2) Es gibt Situationen, die unsere emotionale Stabilität überfordern. Die meisten solcher Situationen können wir nicht üben, wie das Balancieren auf einem Seil. Jedoch können wir sie vorbereiten, in dem wir aufschreiben, was wir sagen wollen. Und wenn wir emotional zu aufgeregt sind, entweder ablesen oder als Brief hinlegen.
Zu 3) Ich denke nicht, dass man Gedanken kontrollieren kann. Sie sind wie Vögel, die sich auf das Feld niederlassen. Jedoch kannst Du entscheiden, welche Vögel sich niederlassen dürfen und welche nicht. Du kannst zu Dir selbst sagen: „diesen Gedanken finde ich gut – jenen finde ich schlecht.“
Ähnlich ist es mit Gefühlen. Wenn es Dir eine Hilfe ist: Stell‘ Dir vor, Gedanken und Gefühle sind Kinder. Dürfen und sollen „Kinder“ machen was sie wollen – überall und immer? Hast Du nichts mehr zu sagen – und wenn – dürfen Deine Gedanken und Gefühle sich darüber hinwegsetzen? Du musst nur lernen, bewusst Deine Gedanken und Deine Gefühle zu erkennen und zu beurteilen. Und der Maßstab für Deine Beurteilung ist Deine Einstellung.
Du musst nur auch entsprechend Deiner Einstellung handeln.
Es macht doch keinen Sinn, wenn die Mutter (Einstellung) sagt, wir gehen nach rechts zum Kaufhof und die Gedanken (Kind 1) und Gefühle (Kind 2) zerren Dich nach links ins Spielzeuggeschäft. Da mußt Du „nein“ sagen und Du entscheidest, wo Gedanken und Gefühle mit Dir hingehen sollen, nicht umgekehrt.
Zu 4) Wenn Dich die „Kinder“ nach links ziehen, bist Du nicht authentisch. Man könnte sagen: Als „Mutter“ bist Du zu weich, versagst. Die Kinder erziehen Dich und nicht umgekehrt. Kein Wunder, dass Du als „Mutter“ Dich selbst nicht schätzt. Und die negativen Gefühle sind voll berechtigt, denn Du hast das Gute gewollt – aber Dich von den Kindern zu etwas völlig anderem hinreissen lassen.
Es sind nicht die anderen Menschen, die über Dich entscheiden – Du selbst bist es. Es ist halt nur erforderlich, dass Einstellung mit Gedanken und diese mit Worten und diese mit Taten übereinstimmen. Zunächst kümmerst Du Dich um Deine Einstellung. Was ist daran richtig, was falsch. Und dann entscheidest Du, wenn die Vögel angeflogen kommen, welche landen dürfen und welche nicht.
LG, Nordrheiner