Ich kann aus meiner Sicht einer Trauernden nur sagen, dass mich das Besserwissertum und die Ignoranz meiner (nicht trauernden) Umwelt langsam wirklich wütend macht. Schon seit gerade einmal drei Tagen nach dem Tod kamen Menschen, die selbst noch nie einen geliebten Menschen verlieren mussten, auf mich zu und wollten mir erzählen "Jetzt muss das Leben aber auch langsam mal weitergehen!". Freunde, wenn überhaupt - fragten gerade einmal die ersten 2 Wochen nach wie es mir nach dem Tod meines Vaters gind. Danach hatte "es" aus ihrer Sicht offenbar erledigt bzw. ich einfach wieder normal und fröhlich zu sein, ansonsten wichen sie mir komplett aus und ließen mich vollkommen allein in meinem Schmerz.
Mein Vater starb sehr plötzlich, viel zu früh und, nein, ich hatte keine Chance mich darauf vorzubereiten, geschweige denn von ihm verabschieden zu können. Plötzlich, von einer Minute zur anderen war er einfach weg... für immer. Ich werde ihn nie wieder sehen, es WIRD nie wieder "gut". Und ich wünschte die allzu gern schlau urteilenden würden ab und an daran denken... Nun ist es 1,5 Jahre her, dass ich diesen wichtigsten Mensch in meinem Leben verloren habe. Die klugen Köpfe mit ihren weisen Sprüchen meinen, dass sei ja schon "ewig" und ich habe das Gefühl schon seit vielen Monaten nichtmal mehr erwähnen zu dürden DASS ich den Tod meines Vaters überhaupt noch im Kopf habe... dabei tut es noch immer so weh und 1,5 Jahre ist nichts im Vergleich zu einem ganzen, bisherigen Leben in welchem die verstorbene Person einen so großen Raum im Leben eingenommen und man denjenigen so sehr geliebt hat. Nichts! Das hat nichts damit zu tun nicht vorwärtz zu gehen nachdem jemand gestorben ist! Auch ich tue was ich kann. Aber mit Trauer zu leben heißt anders leben - ab da für immer. Ja, man lernt damit ein wenig umzugehen, man lernt häufiger für Momente verdrängen zu können was einem so fehlt, wieder zu lachen und nach vorn zu schauen. Aber der Schmerz und der Verlust lassen sich eben nie wieder beheben oder aus dem Leben entfernen. Das wird bei mir bleiben bis ich eines Tages selbst gehe.
Bei meinem Vater war es auch so, dass er durch sehr unglückliche, absolut vermeidbare Umstände ums Leben kam... es hätte nicht passieren müssen und leider ist das mehr als kaltschnäuzig-egomanische Verhalten einer bestimmten Person schuld an seinem Tod. Ich würde etwas wie das letztere niemals impulsiv einfach so sagen, wenn es nicht leider Umstände und Fakten gäbe anhand derer es sich kein bisschen leugnen ließe was meinen Vater konkret das Leben gekostet hat. Ich glaube schon, dass man mit einem so "unnötigen" Tod eines geliebten Menschen tatsächlich schwerer fertig wird und das damit abfinden schwerer fällt und viel, viel länger dauert.
Manche Mneschen wollten mir z.B. erzählen es sei doch immer gleich schlimm für jeden der irgendwann mal ein Elternteil verliert. Ein Mensch selbst mitte 60, der schon eigene Kinder/Enkel hat, soll sich also genauso schlimm fühlen wenn sein über 80 Jahre alter Elternteil nach langer schwerer Pflegebedürftigkeit/Qualen/Krankheiten, aber einem erfüllten, vollendeten Leben stirbt? Genauso wie ich? Als ein junger Mensch, ohne eigene Familie, ohne Halt? Meine späteren Kinder werden nie ihren Großvater kennenlernen dürfen, wenn ich mal heirate, werde ich KEIN Elternteil von mir dabei haben können... ich konnte mich nicht vorab an den Gedanken an einen kommenden Verlust meines Vaters gewöhnen, mich nicht verabschieden, ihm nicht sagen, was ich ihm unbedingt noch hätte sagen wollen und müssen, ihn nicht fragen was ich nun nie mehr von ihm erfahren werde... Er wird nie ein Enkelkind haben, nie seinen verdienten Ruhestand genießen können! Mein Elternhaus musste ich verkaufen, nur weil ich noch zu jung und damit finanziell nicht weit genug im Leben angekommen bin um ews selbst halten zu können. All das sind doch sehr, sehr unterschiedliche Grund-Umstände im Vergleich zum Tod eines wirklich alten Menschen... der auch weh tut, das ist klar! Aber Trauer ist dennoch nicht gleich Trauer, es gibt sehr unterschiedlich harte Schicksale und Schmerzensgrade... Daher denke ich Außenstehende die selbst diese schlimme Erfahrung noch nicht machen mussten, sollten sich mit ihren Urteilen und Mutmaßungen besser stark zurückhalten. Hört man jene nämlich als Trauernder von ihnen, stechen sie teils wirklich wie ein Messer ins Herz und man fühlt sich in seiner Trauer kein bisschen ernst genommen oder akzeptiert.
Und die Außenstehenden wollen oftmals auch gar nicht sehen was noch alles mit dem Tod eines geliebten Menschen in Zusammenhang stehen kann... Ich habe bis gestern das Haus meines Vaters räumen müssen, nachdem ich es zunächst mühevoll verkaufen musste... Das war so viel harte Arbeit, Stress, Angst... Und davor monatelanges Überlegen was mit welchen Erinnerungsstücken gemacht werden soll, Mühen das Haus zu pflegen, Sorgen, finanzielle Not, Grabstein aussuchen, Grab gestalten und wieder neu gestalten wenn eine neue Jahreszeit anbricht... all das ist so viel schmerzhafte Arbeit die einem den Tod des geliebten Menschen und den riesigen Verlust auch immer wieder unweigerlich in Erinnerung ruft, fordert und überfordert. Und mit all dem musste ich völlig allein fertig werden. Denn die liebe Außenwelt will ja nicht sehen, dass nach der Trauerfeier noch LANGE nicht alles beendet ist. Sie reagieren desinteressiert bis gar genervt, dass sich "das alles so lange hinzieht".
An dieser Stelle möchte ich zum ersten Mal in meinem Leben ernsthaft an Karma glauben: Denn damit werden eben jene "schlauen" Ignoranten, die einen jetzt Trauernden so sehr verurteilen oder zumindest allein in all dem lassen, vielleicht eines Tages an der eigenen Seele ebenso erfahren müssen, dass sich Trauer nicht einfach so schnell wegwischen lässt und viel länger dauert als sie selbst es umgekehrt den ehemals Trauernden zugestehen wollten...