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wer nicht leiden will ....

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Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Sollte Sören Kiergegaard recht gehabt haben, als er sagte: „Alle Greuel der Kriege werden nicht ausreichen: erst wenn die ewigen Höllenstrafen wieder Wirklichkeit sind, wird der Mensch aufgerüttelt zum Ernst“ oder auch: „Ohne Angst lernt er nichts“.

Ich wage zu glauben: Das gilt nicht für alle Menschen. Es gibt auch Menschen, die ohne Angst und Strafe bereit sind zu lernen.

Leiden bedeutet in meinen Augen, das Mitfühlen mit den Opfern von Gewalt, aber auch das aktive Aufsichnehmen von Mitschuld. Unsere Mitschuld ist immer dort gegeben, wo wir eigene Anteile an Destruktivität weitergeben.

Wir geben unsere Anteile an Destruktivität weiter, sofern wir sie nicht bei uns selbst erkennen und unter den eigenen destruktiven Anteilen nicht leiden. Wenn wir eigenes Leid durch eigene Destruktivität nicht tragen, wird auch das Mitleiden mit den Opfern von Gewalt nur oberflächlich sein. In der Tiefe unseres Herzens bleiben wir destruktiv.

Daraus ergibt sich meine Meinung: Wer nicht leiden will – muß hassen.


Aus dem obigen ergibt sich meine Frage für diesen thread: bemerken wir eigene destruktive Anteile – und wie gehen wir damit um?
 
K

Käferin

Gast
Leiden ist ein zentrales Thema des Lebens und von fundamentaler Bedeutung. Am Leiden wächst der Mensch. Ohne die Erfahrung des Leids bleibt ihm auch die Freude versagt.

Destruktive Anteile sind in jedem Menschen vorhanden, ganz besonders in jenen, welche sie so hartnäckig verleugnen. Dass es mir gelungen ist, meine eigenen destruktiven Anteile zu sehen werte ich als eine meiner größten Errungenschaften. Es war auch meine persönliche Befreiung.

Nicht leiden zu wollen ist ein Grundantrieb des Lebens. Vieles, wenn nicht sogar das meiste, machen wir nicht, weil wir uns Freude erhoffen, sondern weil wir das Leid fürchten.

Das Leid ist mit der Freude so verwandt wie die Höhe mit der Tiefe.

Dinge, die einen interessieren, kann man auch lernen, ohne zu leiden. Bei den wesentlichen Lektionen des Lebens ist das Leid, das habe ich immer wieder erfahren, ein sehr guter Lehrmeister.
 

Burbacher

Aktives Mitglied
Käferin, Du schreibst:

"Dinge, die einen interessieren, kann man auch lernen, ohne zu leiden. Bei den wesentlichen Lektionen des Lebens ist das Leid, das habe ich immer wieder erfahren, ein sehr guter Lehrmeister."

Das klingt sehr weise, obgleich ich das für mich nicht in dieser Totalität sagen möchte, hätte ich doch gerne auf das eine oder andere Leid verzichtet, besonders auf das, das mir bereits geschah, bevor ich ins Leben trat.
Es anzunehmen lernte ich in meinen fast sieben Lebensjahrzehnten, gehadert allerdings habe ich immer wieder damit und das wird sich bis zum Ende meines Lebens auch wohl nicht mehr ändern.
Vor allem hat mir niemand auf die Frage geantwortet, warum es gerade mich getroffen hat.

Burbacher
 
Zuletzt bearbeitet:

Daoga

Urgestein
Jeder, den irgendwas trifft, fragt sich "Warum ausgerechnet ich?" Und dann macht man die Eltern, das Schicksal, die Natur, die Götter oder sonstwen verantwortlich - oder akzeptiert einfach, ohne die Schuld irgendwohin schieben zu wollen, weil es nun mal in vielen Fällen einfach keinen (realistisch) Schuldigen gibt.
Sich mit anderen zu vergleichen ist menschlich, und wenn man in diesem Vergleich irgendein Defizit an sich selbst bemerkt, egal ob das real ist oder nur eingebildet, dann sucht man erst mal einen Sündenbock dafür, auch das ist menschlich, denn per Grundsatz ist jeder in seiner eigenen Selbstwahrnehmung erst mal perfekt, und wenn das dann doch nicht der Fall ist, ist erst mal die böse Umgebung schuld, bevor man den Fehler bei sich selber sucht.
Jeder ist sein eigener Gott, und Götter können per se nicht fehlbar sein.
Akzeptanz von eigenen Defiziten ist etwas, was erst mal gelernt werden muß, was um so schwieriger sein kann, wenn andere das Defizit auch bemerken und darauf herumhacken, denn auch das Entwickeln einer Hackordnung und das Ausnutzen der Schwächen anderer ist leider eine menschliche Eigenart.
Alle sozial lebenden Geschöpfe haben Strukturen in ihrer Gemeinschaft, wie zum Beispiel Hackordnungen, die genau sagen, wo, wie und warum jemand an einer bestimmten Stelle steht, wer der Chef ist und wer der Verlierer.
Wem seine Stelle in dieser Ordnung nicht paßt, der muß entweder um was besseres kämpfen, oder aber sich entfernen und sich seine eigene, passendere Ordnung suchen oder selber basteln.
Ja, Leben bedeutet auch Leiden, und den ständigen Kampf dagegen.
Was aber nicht bedeutet, daß man sich ständig auch noch fremdes Leiden zum eigenen dazuholen muß. Wer sowas macht, der ist ein Masochist. Anderen helfen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten, okay. Aber wer sich darüber selbst zugrunde richtet, der ist ein Idiot. Oder hat irgendeine psychische Störung wie z. B. ein Helfer-Syndrom.
 
K

Käferin

Gast
Die Leute, die Leid erfahren haben, sagen oft: "Warum gerade ich?" Manchmal kam die interessante Gegenfrage: "Warum gerade du nicht?"

Ich vergegenwärtige mir immer wieder, was mich (bislang) an Schicksalsschlägen nicht ereilt hat. Dann denke ich immer, ich habe ja noch verdammtes Glück gehabt.

Die wesentlichen, für uns vorgesehenen Lebensthemen sind jene, an denen wir ein Leben lang zu arbeiten haben. Dabei sind Hass und Liebe, Freude und Leid, Begierde und Entsagung entscheidende Triebkräfte.

Ohne das Leid im Nacken und die Freude irgendwo in der Ferne vor Augen würde sich wohl niemand an seine Lebensarbeit begeben. Wir können uns unser Schicksal nicht aussuchen, die Lektionen, welche wir zu lernen haben, bestimmen wir nicht selber.

Das ist unsere Lebensarbeit, unsere Bestimmung, zu verarbeiten, was das Schicksal uns zugedenkt.

Oft blickt man auf einmal tiefer. Manchmal kommt man einander näher. Einige Gefühle sind großartig. Aber dazu müssen wir unseren individuellen Weg gehen. Der kann sehr steinig und sehr dornenreich sein...
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
DieTage schrieb mir jemand: „Man kann auch von dem größten Idioten lernen.“

Diese selbstbeleidigende Äußerung kann unterschiedlich interpretiert werden. Ich nehme sie als Hinweis darauf, dass Intelligenz und Wissen per se nicht gut sind. Wenn ich z.B. Wissen
gegen andere verwende, ist es wohl schlecht. Aber selbst wenn ich es nicht gegen andere verwende, so bemerken andere die Kluft zwischen Wissen und Nichtwissen, Intelligenzabstufungen. Dadurch können sich Menschen ausgegrenzt fühlen, obwohl ich das doch nicht beabsichtigte. Das ist mein Beispiel eines Ansatzes zum Herausfinden eigener Destruktivität.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Ja, Leben bedeutet auch Leiden, und den ständigen Kampf dagegen.
Was aber nicht bedeutet, daß man sich ständig auch noch fremdes Leiden zum eigenen dazuholen muß. Wer sowas macht, der ist ein Masochist. Anderen helfen im Rahmen der eigenen Möglichkeiten, okay. Aber wer sich darüber selbst zugrunde richtet, der ist ein Idiot. Oder hat irgendeine psychische Störung wie z. B. ein Helfer-Syndrom.

Meinst Du mit Deinem 1. Satz "kämpfen gegen eigenes Leid" ? Und dann helfen wir auch...

Wenn ich z.B. an Mahatma Ghandi denke, so ging dieser nicht in den Hungerstreik für die Durchsetzung eigener Rechte, sondern für den friedlichen Umgang zwischen Muslimen und Hindus und erreichte zumindest vorübergehend eine Befriedigung. Nach Deiner Meinung müsste er ein Idiot oder psychisch krank gewesen sein.
Ich stimme Dir nicht zu, Daoga.
 

Nordrheiner

Sehr aktives Mitglied
Ohne das Leid im Nacken und die Freude irgendwo in der Ferne vor Augen würde sich wohl niemand an seine Lebensarbeit begeben. Wir können uns unser Schicksal nicht aussuchen, die Lektionen, welche wir zu lernen haben, bestimmen wir nicht selber.

Das ist unsere Lebensarbeit, unsere Bestimmung, zu verarbeiten, was das Schicksal uns zugedenkt.
Eine tiefe Einsicht....

Es ist schon Jahre her, da hatte ich einen schweren Unfall und erlitt einen Oberschenkelbruch. Die Schmerzen waren fürchterlich. Als der Rettungswagen kam, erhielt ich u.a. starke Schmerzmittel. Trotzdem konnte ich jedes kleine Schlagloch spüren. Die Fahrt zum Krankenhaus dauerte über 40 Minuten. An meiner Seite saß ein junger Sanitäter. Mitfühlend meinte er zu mir: "Sie haben aber etwas Fürchterliches erlebt." Ich antwortete: "Sicher ist der Unfall schlimm und ich habe auch große Schmerzen, trotz der Schmerzmittel. Aber soll ich Ihnen mal erzählen, was wirklich fürchterlich ist?" Er wollte. Und so kamen wir in ein Gespräch über den Sinn des Lebens, über unser Woher und unser Wohin. Der junge Mann war areligiös. Es war unser beider Chance, die durch Leid entstand. Ich denke, dass Leid manchmal besser verbindet als ein Hochschulstudium.
 

Burbacher

Aktives Mitglied
Manche Themen haben das Potential zum Kopfschütteln. Wer will schon leiden? Freiwillig wohl doch niemand. Einen Grund, dass ich ein Leid freiwillig auf mich nehmen sollte, sehe ich für mich nicht.
Wenn ich es richtig sehe, hat selbst Jesus im Zusammenhang mit seiner Leidensgeschichte sein eigenes Leid nur akzeptiert mit dem Hinweis auf Gottes Willen.
Leid und Leiden können doch kein Selbstzweck eines Menschen sein. Wem soll das nützen?
Ich kann bestenfalls lernen, mit eigenem Leid umzugehen, es soweit in mein Leben zu integrieren, dass es mich nicht mehr behindert als unbedingt nötig. In meinem eigenen Leben allerdings war ich dann auch häufiger jemand, der Camus`Held der Götter gleich, den mir aufgetragenen Stein immer wieder den Berg hoch schob, um mir selbst zu beweisen, dass manches Leid mich nicht bezwingen konnte.
Ja, und auch das stimmt, daran und dabei bin ich sogar gewachsen, stärker geworden und habe mindestens partiell eigenes Leid bezwungen. Gleichwohl ist das kein philosophisches oder intellektuelles Spielchen zum Zeitvertreib, sondern es ist sehr existentiell. Viele Menschen kostet es das Leben.
Um nochmal auf Camus`Held der Götter zu kommen. Was wäre, wenn er den Stein nicht mehr gewälzt hätte, sondern in einfach liegengelassen hätte?
Diese Frage stellte mir ein kluger Psychiater, dem ich vor vielen Jahren offenbarte, dass ich mir in meinem inneren Kampf den Helden Camus`zum Vorbild nehme.
Diese Intervention des Psychiaters empfand ich als sehr hilfreich und allemal klug. Manchen Problemen, Fragen und Notwendigkeiten muss ich mich stellen, aber dann gibt es auch solche, bei denen ich mich versage und entscheide, dass es nicht meine Sache ist.
Ich halte das für ein Stück Weisheit.
Ein Mensch kann sich auch in sein Leiden verlieben und erwägt gar nicht, dass er wohlmöglich die Alternative hat, es nicht zu tun.

Burbacher
 
Zuletzt bearbeitet:

Ondina

Sehr aktives Mitglied
Eine tiefe Einsicht....

Es ist schon Jahre her, da hatte ich einen schweren Unfall und erlitt einen Oberschenkelbruch. Die Schmerzen waren fürchterlich. Als der Rettungswagen kam, erhielt ich u.a. starke Schmerzmittel. Trotzdem konnte ich jedes kleine Schlagloch spüren. Die Fahrt zum Krankenhaus dauerte über 40 Minuten. An meiner Seite saß ein junger Sanitäter. Mitfühlend meinte er zu mir: "Sie haben aber etwas Fürchterliches erlebt." Ich antwortete: "Sicher ist der Unfall schlimm und ich habe auch große Schmerzen, trotz der Schmerzmittel. Aber soll ich Ihnen mal erzählen, was wirklich fürchterlich ist?" Er wollte. Und so kamen wir in ein Gespräch über den Sinn des Lebens, über unser Woher und unser Wohin. Der junge Mann war areligiös. Es war unser beider Chance, die durch Leid entstand. Ich denke, dass Leid manchmal besser verbindet als ein Hochschulstudium.
Nordi auch auf die Gefahr hin das ich vollkommen daneben haue aber, mach dir doch nicht immer so viele Gedanken um den Sinn des Lebens sondern, lebe doch mal drauf los.

Den Sinn unseres Daseins wird uns der große Geist oder jenes Ominöse Wesen dem jeder Gläubige einen anderen Namen gibt nach unseren Ableben schon mitteilen. Und sollte es nicht so sein dann, ist hinterher eh Ruhe. :);)
 
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