Hallo Belantine,
Selbstmordgedanken gehen nicht immer mit Depressionen einher. Sie können z.B. auch aus einem steckengebliebenen Wunsch nach Veränderung kommen. Bei mir waren sie über Jahrzehnte Ausdruck einer emotionalen Überforderung.
Vielleicht könnte es dir helfen mit einem Psychiater zu reden, um herauszufinden, ob überhaupt eine Depression vorliegt. Dann kann man gegebenenfalls über eine Medikation reden. Antidepressiva wirken ja nicht in ein oder zwei Tagen, es dauert vier bis sechs Wochen, manchmal auch acht, bis sich eine Verbesserung zeigt. Das käme dann ja mit dem Beginn der Therapie gleich und wäre ein guter Anfang dafür.
Ich hatte dreißig Jahre Selbstmordgedanken. Sie sind mir nur zu bekannt. Was mir immer geholfen hat, war das Verschieben. Diesen einen Tag gebe ich dem Leben noch als Chance.
Aber morgen bringe ich mich um. Oder dieses eine letzte Treffen mit Freunden will ich noch haben.
Dann bringe ich mich um. Setz dir kleine Ziele. Ein Ausflug am Wochenende. Ein Kinofilm. Noch mal ins Lieblingsrestaurant. Ich habe manche Tage Stundenweise überlebt. Es geht.
Diese Gedanken sind wie ein Sog. Das ist eine regelrechte Sucht und so intensiv wie für einen Alkoholiker der Drang nach einem Schluck seines "Lebenselexsirs". Mir das vor Augen zu halten, hat mir immer geholfen. Ich nahm mich als Süchtiger auf Entzug wahr. Ich wusste immer: Ich
will leben und diese Gedanken kommen nicht von mir. Sie sind von mir aus Biochemie. Die Einflüsterungen böser Aliens. Dunkle Ausdünstungen. Egal was, sie sind jedenfalls
nicht ich.
Das ist eine Frage der inneren Einstellung. Daran kannst du arbeiten. Mach dir Listen mit Dingen, die du liebst, die dir Spaß machen. Stell dir vor, wie du zusammen mit deinem Freund alt wirst. Setzt euch gemeinsam ein Ziel, etwas richtig Großes wie eine Reise um die Welt
.
Sobald dann die Gedanken kommen, denk an das, was du wirklich bist und behandle sie als Fremdkörper. "
Ich will leben und
du wirst mir das nicht vermiesen!"
Gleichzeitig beginne deine Therapie. Dafür musst du nicht auf einen Therapeuten warten. Der kann auch nichts weiter tun, als dir bildlich gesprochen die Hand zu halten. Arbeiten musst du.
Bücher können sehr hilfreich sein. Das mag jetzt ein wenig lächerlich klingen, aber für mich war das oft ein Trost; bevor man sich umbringt, gibt es immer noch ein Buch, das man lesen sollte, weil man genau darin die Lösung und Hilfe findet, die man verzweifelt sucht.
Du bist auf der Suche nach dem Leben und nicht nach dem Tod.
Stöbere doch einfach mal in einem Onlinebuchladen unter den Begriffen Depression, Selbstmord, Missbrauch, SVV. Das ein oder andere wird dich ansprechen und bis du das ausgelesen hast, hast du wieder ein bisschen Zeit gewonnen.
Ich empfehle dir Luise Reddemann, Imagination.
Imagination als heilsame Kraft. Hör-CD mit Booklet. Übungen zur Aktivierung von Selbstheilungskräften von Luise Reddemann (Autor), John Dowland (Komponist); Preis: EUR 19,00; Audio CD
Verlag: Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachflg; Auflage: 7., Auflage (März 2007); ISBN-10: 3608890238; ISBN-13: 978-3608890235
Hier geht es um das Wegpacken von Gefühlen, die aus dem Trauma kommen. Mit dieser Technik kann man auch den Selbstmordgedanken gegensteuern.
Versuche es auch mal mit EFT (Emotional Freedom Techniques). Du findest kostenlose Anleitungen im Internet, Videos bei youtube und Bücher im Handel.
Die Technik wird nicht spezifisch gegen Selbstmord eingesetzt, sondern vor allem bei Panikattacken und Ähnlichem. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sie diese "Zwangsgedanken" - wie z.B. auf der Brücke
- unterbrechen können.
Ein wichtiger Ankerpunkt wird für dich im Augenblick die Therapie sein. Versprich dir davon nicht zu viel. Selbstmordgedanken verschwinden nicht aufgrund einer Therapie. Die wird nichts daran ändern, wie du dich fühlst. Es sind nicht die Gespräche, die uns prägen, sondern Erfahrungen.
Zum Therapeuten gehen und mehr oder minder traurige Geschichten erzählen, wird dich nicht viel weiterbringen. Du musst vor allem den Mut für ein neues Leben haben. Dazu gehört, dass du Trauer über das Erlebte zulassen kannst. An der Trauer trägt man oft sehr schwer und auch daher kommt "Lebensmüdigkeit".
Es spielt also keine Rolle, ob die Therapie heute oder in vier Wochen anfängt. Du kannst direkt damit anfangen Lebensenergie aufzubauen. Meine Erfahrung war, dass es in der Tat einen Schlater im Kopf gibt, den wir "nur" umlegen müssen und plötzlich wird viel Energie freigesetzt.
Du hast in deinem Leben jede Menge Blockaden, die die ganze Energie auffressen. Von hier aus kann ich natürlich leider nicht sagen, wo du blockierst. Dazu kenne ich dich zu wenig, aber vielleicht schaffst du es ja diesen selbst auf die Spur zu kommen.
Fang erst mal damit an, was dir Kraft gibt.
Mir hat es sehr geholfen ein Kraftrad zu malen. Das ist eine schamanische Technik, funktioniert aber viel über Autosuggestion. Du musst also nicht erst vorher den Göttern eine Tüte Chips opfern, damit die Technik Erfolg hat
.
Man malt einen großen Kreis mit einer dicken Linie. Das ist der Schutzwall um deine Seele. In diesen Kreis malst du alles, was dir Kraft gibt. Dein Freund, Spazieren gehen, lesen, jeden Dienstag ein Eis essen. Was auch immer. Du musst auch nicht alles beim ersten Mal finden. Das Rad lässt sich ja jederzeit erweitern.
Hänge das Bild prominent im Raum auf. Betrachte es mehrmals am Tag. Sprich laut aus, was dir Kraft gibt.
Du kannst auch ein zweites Bild nehmen und ein Glas Wasser drauf stellen. Jedesmal, wenn du an dem Glas vorbei kommst, nimmst du einen Schluck Wasser, einen Schluck "Lebensenergie".
Wenn du weggehst, gerade wenn du zu schwierigen Terminen gehst, nimm eine Flasche mit dem Wasser mit.
Stehst du dann mal wieder "auf der Brücke" wird es dir ungemein helfen einen Schluck vom Wasser zu trinken und dich an das Bild zu erinnern. Vor allem kannst du dir in Erinnerung rufen, wie stark und dick die Linie ist, die deine Kraft schützt.
Aus biologischer Sicht werden im Gehirn Synapsen geschaltet, wenn du das Bild betrachtest oder das Wasser trinkst. Deine Gedanken werden dann automatisch auf diese Bahnen umgeleitet, sobald du das Ritual des Wassertrinkens durchführst. Die Selbstmordgedanken haben dann nicht mehr die Macht.
Noch wichtiger als diese Rituale ist der Umgang mit der Dunkelheit. Dich zieht es ja ganz schön zum Tod hin. Das ist auch okay. Die Dunkelheit ist ein Teil des Menschseins. Nun musst du sehen, was dir gut tut. Vielleicht musst du dir die Haare schwarz färben, alle bunten Klamotten aus deinem Kleiderschrank verbannen und einen auf Gothic machen. Du liest statt Rilke lieber Clemens Brentano. So richtig Herzschmerz und heul und seufz und Sarg im Wohnzimmer stehen haben kann der Seele enorm gut tun. Es ist eine gesunde Art mit der Dunkelheit in uns umzugehen.
Die großen Vampirromane sind kein Zufall. Geschichten dieser Art befriedigen tiefe Sehnsüchte in uns.
Wenn ich Regentage in der Seele habe, leidet weniger der Erwachsene, der sich dann dieser Art der Kunst zuwenden würde, sondern mehr das innere Kind. Ich brauch dann heiße Schokolade mit viel Sahne, Pippi Langstrumpf, Harry Potter und Tintenherz.
Wenn du dich vor diesen Regentagen fürchtest und dich weigerst sie zu leben, können sie zum unbezähmbaren Sturm werden. Lieber gepflegt stundenweise depressiv und von mir aus auch morbide als tatsächlich in schwerer Traurigkeit zu versinken.
Wenn du diese Dunkelheit gelebt hast, kannst du dich auch wieder unbeschwert dem Licht zuwenden und das voll genießen.
Dein Problem ist nicht, dass du verletzt bist, dein Problem ist, dass du dir nicht zutraust diese Verletzung leben zu können. Du hast Angst davor, dass das Gefühl zu groß ist, dich wegpustet. Darum solltest du lernen den Schmerz gedämpft und kontrolliert zu leben. So wird die Angst kleiner. Und am Ende weißt du dann, dass du auch durch den großen ultimativen Schmerz durchkommen kannst, weil dein Selbstbewusstsein gewachsen ist.
Es ist nicht der Schmerz, der dich quält. Es ist die Angst vor dem Schmerz. Wir Menschen sind stark genug. Das Universum oder Gott oder wer immer sich dafür verantwortlich zeigt, liebt uns. Wir werden geliebt und niemand mutet uns etwas zu, was wir nicht tragen und schaffen können.
Ob es so ist, weiß ich nicht. Ich kann dir nur sagen, seitdem ich daran glaube, dass wir uns unsere Aufgaben selbst aussuchen und dass unsere Seele genau diese Lektionen für gut und wichtig hielt, bin ich viel stärker. Ich geh mit Zuversicht an die Sache ran.
Wenn dich das interessiert, kannst du hier mehr darüber lesen:
Archetypen der Seele: Die seelischen Grundmuster: eine Anleitung zur Erkundung der Matrix (Taschenbuch) von Varda Hasselmann (Autor), Frank Schmolke (Autor); Preis: EUR 14,00; Taschenbuch: 477 Seiten; Verlag: Goldmann (9. Januar 2008); ISBN-10: 3442215161; ISBN-13: 978-3442215164
Der Tod ist in unserer Gesellschaft ein Tabu. Umsomehr ist der Selbstmord ein Tabuthema. Wenn du aber über unsere Grenzen hinausschaust, stellst du fest, dass man auch anders mit dem Thema umgehen kann. Die arabischen Länder trauern exzessiv, die südamerikanischen Länder inszinieren den Tod. Und in den asiatischen Ländern ist der Selbstmord zum Beispiel eine Weise um seine Ehre wieder herzustellen.
Du beschäftigst dich mit einer Grenzerfahrung. Vielleicht fehlt dir im Leben ja die Grenzerfahrung. Indem du die Grenzen des Lebens ausleuchtest, wird dir ja auch klar, was Leben eigentlich ist. Damit kannst du auch eher den Sinn erfassen.
Wenn du mit unserer Leistungsgesellschaft gut klar kommen würdest, würdest du nicht am Rand stehen. Also entzieh dich dem Spiel. Es gibt andere Lebensmodelle und du bist die Chefin in deinem Leben. Trau dich an neue Gedanken ran.
Viel Spaß bei der Suche nach dem richtigen Weg.
Tuesday