Warum wird hier eigentlich um den heissen Brei mit den Begriffen IQ oder Lernschwierigkeiten herum geredet? Ihre Tochter sollte sich auf Dyskalkulie und auch eventuell auf Legasthenie in einem entsprechenden, zertifizierten Institut testen lassen. Bei diesen Schwächen handelt es sich nicht um vorübergehende schulische Schwächen in Mathematik oder Deutsch die mit dem Schulabschluss erledigt sind, sondern um ausgewachsene Teilleistungsschwächen, die oft seit dem Grundschulalter bestehen und einen Menschen das ganze Leben begleiten (denn rechnen, lesen und schreiben muss man immer wieder, selbst wenn es nur der Einkauf im Supermarkt ist oder das Erfassen von Berichten). Somit zieht sich die Problematik bis ins Ausbildungs- und Berufsleben, wo z.T. wieder die Abschlussprüfungen gefährdet sind.
Die Betroffenen können nichts für diese Einschränkung (selbst 100 Nachhilfelehrer können dies nicht lösen, weil viele Nachhilfelehrer von diesen Störungen noch nie etwas gehört haben, und dementsprechend nicht auf die Vermittlung des Stoffes spezialisiert sind). Mit mangelnder Intelligenz hat Dyskalkulie und Legasthenie schon mal gar nichts zu tun, viele Menschen die von diesen "Behinderungen" betroffen sind, haben überdurchschnittliche Begabungen in anderen Bereichen, sei es Kunst + Theater, Sprache + Rhetorik, handwerkliches Geschick oder eine unheimlich schnelle Auffassungsgabe. Bei Albert Einstein, Steven Spielberg, Cher, Hans Christian Andersen, Walt Disney und weiteren handelt es sich unbestreitbar um Leute, die nicht wegen den genannten Schwächen versagt haben, sondern gerade trotz dieser immensen Hürde beruflich erfolgreich geworden sind. Das nur mal am Rande.
Diese Lernstörungen ziehen konsequent auch einen Rattenschwanz an seelischen Problemen, mangelndem Selbstbewusstsein, selbstverletzendem Verhalten, ferner Suizidgedanken und daraus resultierenden weiteren Problemen wie (haben Sie ja schon in Ihrem Eingangsposting erwähnt), Mobbing in der Schule nach sich. In der 7/8 Klasse die Versetzung nicht zu schaffen ist nicht die Ausnahme, sondern sogar eher die Regel wenn man von Dyskalkulie oder Legasthenie betroffen ist. Weil, wenn die Störung nicht von einem Fachmann/frau diagnostiziert wurde, und Eltern und Lehrer vor einem großen Mysterium stehen (dann kommen auch schnell solche anmaßenden Vermutungen wie "dumm" und "zu nichts zu gebrauchen"), dann fällt die Schülerin natürlich weit hinter die Leistung der Klasse zurück weil das Tempo nicht gehalten werden KANN.
In solchen Fällen wird an manchen Schulen ein sogenannter "Nachteilsausgleich" gewährt, damit die Schülerin von dem Gesamtanspruch des Unterrichts verschont bleibt, aber dennoch Aufgabenstellungen bearbeiten muss, die ihrem Leistungsprofil entsprechen.
Es gibt auch Institute die z.B. eine Mathematikschwäche in mehreren Unterrichtseinheiten therapieren können, der Erfolg ist je nach Individuum unterschiedlich, und die Kosten hoch. Die Uni Bremen hat sich z.B. auf Studierende mit diesem Nachteilsausgleich bei Teilleistungsschwächen eingerichtet, wie man lesen kann (ingesamt ist Deutschland im Ländervergleich aber immer noch viel zu lahm bei diesem wichtigen Thema der Förderung und Chancengleichhheit, und verschenkt somit peinlicherweise wertvolles Potential für den Arbeitsmarkt).
Möglicherweise hat Ihre Tochter auch ein Problem mit der Aufmerksamkeit (Stichwort ADS), wo genauer nachgeforscht werden müsste.
Auf jeden Fall greifen standardisierte IQ-Teste für die Durchschnittsbevölkerung bei Teilleistungsschwächen wie ADS, Dyskalkulie oder Legasthenie nicht, weil nunmal diese Einschränkung vorliegt und nicht automatisch von einer niederen Grundintelligenz ausgegangen werden darf.
Deshalb würde ich im Falle Ihrer Tochter auch auf diesen Test verzichten, bevor nicht klar ist, was sie hat und ob sie von den hier thematisierten Schwächen betroffen ist. Das Ergebnis wäre selbstredend verheerend für ihr ohnehin angegriffenes Selbstwertgefühl.
Das Sie als Elternteil das Mobbingproblem Ihrer Tochter beim Schulabschnitt eher ignoriert haben, ist nicht glücklich gelaufen, und ihre Probleme sollten Gehör finden, wenn die Sache sich nicht in eine klinische Depression oder Schlimmeres auswachsen soll. Die (intakte) Familie sollte immer Rückhalt für das Kind bieten und nicht zum Feind im Inneren werden, der auch noch meint sich gegenüber "den Leuten" und Verwandten rechtfertigen zu müssen warum der Sprössling nicht berufstätig ist. "Die Leute" interessieren sich nämlich nicht dafür, warum es bei Ihrer Tochter bislang nicht mit dem Berufsleben klappt, und sind ferner auch nicht interessiert, Ihrem Kind zu helfen. Deshalb ist dieser Fremdschäm-Modus, wie sich aus Ihren Beiträgen erahnen lässt, nicht wirklich anspornend und lohnend für irgendwen, ausser "die Leute".
Mit freundlichen Grüßen