MaryInASea
Mitglied
Liebe alle,
ich bin neu hier und suche ebenfalls Rat... vielleicht hat ja jemand Lust meinen Text zu lesen.
Mein Vater ist vor ca. 6 Wochen gestorben. Mein Vater und ich waren sehr eng und hatten eine tiefer Verbundenheit; sein Verlust treibt mich in die Verzweiflung. Er war zwar lange krank (Kieferhöhlenkrebs und Lungenemphysem und noch weitere Erkrankungen) und es war absehbar, dass er nicht mehr 5 bis 10 Jahre leben wird, aber dass er Ende Dezember plötzlich derart abbaut und keine vier Wochen später tot ist, das haben seine Frau (meine Stiefmutter) und ich nicht kommen sehen. Ich habe sofort meiner Chefin gesagt, dass ich nicht mehr zur Arbeit komme und jetzt in der Heimat bei meinem Vater bin und war dann die gesamten letzten 3.5 Wochen bei ihm, jeden Tag.
Am meisten belastet mich, dass er so leiden musste. Die Atemnot hatte sich in den letzten 4 Wochen bis ins Unermessliche gesteigert und die Panik zu ersticken war jeden Tag in seinen Augen zu sehen. Jede Bewegung war mit Angst und mit dem Wissen, dass die Luft irgendwann zu Ende geht, verbunden. Es war das Schlimmste, das ich je erleben musste. Ich weiß nicht, wie man ertragen kann, dass einer Person, die man so liebt, so etwas widerfährt. Er bekam Morphin, damit die Atemmuskulatur sich ein entspannt und er nicht so eine Panik hatte, was auch zeitweise gut funktioniert hat.
Leider konnte ich in den letzten 3.5 Wochen nicht immer die liebevolle Tochter sein, die ich eigentlich bin. Wir hatten einige wunderschöne Momente (er hat mir Danke gesagt, dafür, dass ich für ihn da war, er hat mir noch Geheimnisse aus seinem Leben erzählt, wir saßen viel zusammen und haben geredet). Aber ich habe auch große Fehler gemacht. Einmal fragte der Arzt wegen der Patientenverfügung nach und in welcher Situation mein Papa weiterleben bzw. nicht weiterleben wollen würde. Ich habe dann gesagt "Bei Gehirntot nicht, oder Papa?", total unsensibel. Da liegt mein Papa, weiß, dass er sterben muss (da war er schon auf der Palliativstation) und ich bin wie ein Trampel. Dasselbe auch, als er mich einmal fragte "Ich bin dann also wirklich tot." Ich sagte zu ihm "Aber du merkst das dann nicht, Papa". Wir hatten früher oft über den Tod gesprochen und in dem Zusammenhang hatten wir oft darüber geredet, dass man selber das ja nicht mehr merkt, deswegen erschien es mir in dem Moment eine okaye Antwort. Aber es war fast unser letztes Gespräch (das wusste ich da ja noch nicht) und im Nachhinein bin ich unendlich traurig, dass ich ihm nicht ein ernstes Gespräch über den Tod ermöglicht habe. Er hat dann nicht weiter nachgehakt und ich habe gemerkt, dass ihn dieses Gespräch nicht befriedigt hat. Für die Angehörigen ist es schlimm, wenn eine geliebte Person stirbt. Aber für die sterbende Person ist das alles ja noch schlimmer. Diese Antworten werden der engen Vertrautheit und Verbundenheit, die wir hatten, nicht gerecht, aber ich habe keine Möglichkeit mehr das jemals "geradezubiegen" und das tut so weh.
Zwei mal war ich auch aggressiv zu meinem Papa, obwohl er ja todkrank war. Im Nachhiein frage ich mich, wie das passieren konnte. Einmal sagte er, er möchte nach Hause und ich sei ja jetzt auch da zum Helfen, deswegen könne er doch zuhause von seiner Frau und mir gepflegt werden, das sei alles kein Problem. Ich schrie dann "Aber ich hab doch nur 6 Wochen Urlaub" (ich arbeite in einer anderen Stadt, ca 200 km entfernt), anstatt empathisch mit ihm zu sein. Sein Wunsch war doch nachvollziehbar. Er wollte bei den Menschen sein, die er liebt. Mein Gedanke in dem Moment war "Du kannst auf keinen Fall nach Hause, denn du darfst keinen Erstickungstod sterben; wir brauchen rund um die Uhr die Möglichkeit, dass dir sofort, innerhalb von Minuten, Morphin gegeben werden kann und du für den Sterbensmoment sedierst wirst, das ist zuhause nicht möglich". Mein Papa hatte zwischendruch auch total aggressive Episoden mit Halluzinationen. Einmal dachte er, dass ich ihn ins Krankenhaus gebracht habe und dafür sorge, dass er dort bleiben muss und ich dafür sorge, dass er dort sterben wird. Er hat sich da total reingesteigert. Da bin ich sogar einmal gegangen, ohne ihm Tschüss zu sagen, weil ich so verletzt und auch überfordert war. Er war wirklich ganz, ganz aggressiv und hat schlimme Dinge zu mir gesagt in dem Moment. So hat er davor noch nie mit mir geredet. Man kam mit Vernunft nicht mehr an ihn ran. Wie kann er so etwas sagen? Ich war jeden Tag bei ihm, haben meinen Job riskiert, um bei ihm sein zu können, habe ihn gefüttert, seine Windel gewechselt...
Ich wusste, dass das nicht wirklich er war, aber ich habe es doch persönlicher genommen als ich wollte...
Dazu kommen nochdie Schuldgefühle, dass ich mich mehr in seinen Krankheitsverlauf hätte einmischen sollen und nicht einfach nur alles so passieren lassen. Ich habe der Onkologin einfach vertraut (mein Papa auch), habe nicht eigenständig nach alternativen Behandlungen recherchiert o.ä. (wie eich es oft eigentlich mache, also ich bin ein Mensch, der sich oft informiert).
Am letzten Abend, an dem er noch nicht in der akuten Sterbephase war, hat er noch einen Witz gemacht. Da ich aber seine sexuellen Witze nicht mochte, habe ich automatisch gesagt, was ich immer sage "Ja, Papa, dafür bin ich die Falsche". Das habe ich bei diesen Witzen immer gesagt. Aber konnte ich ihm das diesmal nicht einfach zugestehen? Warum war ich so hart? Ich verstehe das alles nicht.
Neben dem Schmerz, dass er so leiden musste und ich so traurig und sauer auf das Leben bin, dass er nicht noch weiterleben durfte (er hatte noch so viele Pläne , Wünsche und Projekte), bringen mich diese Schuldgedanken um den Verstand, wirklich, ich habe das Gefühl ich werde verrückt. Das war doch mein Papa, den ich über alles liebe. Wieso war ich in vielen Momenten so unsensibel und hart? Ich kann es mir nicht verzeihen... Ich bete, dass er trotzdem gemerkt hat, dass ich ihn liebe- Ich habe seine Windeln gewechselt, ich war jeden Tag bei ihm, ich habe ihn gefüttert, ich habe mich mit ihm unterhalten. Ich hoffe so sehr, dass er gespürt hat, dass ich ihn liebe. Denn jetzt sitze ich hier und komme in meinem Leben überhaupt nicht mehr klar, weil ich so traurig bin über sein Leiden und ihn so vermisse. Ich liebe ihn jeden Tag. Und wenn er das am Ende nicht gespürt hat, dann weiß ich nicht, wie ich damit leben kann...
Kennt sich jemand mit Schuldgefühlen aus? Geht das wieder weg? Ich halt das nicht aus...
ich bin neu hier und suche ebenfalls Rat... vielleicht hat ja jemand Lust meinen Text zu lesen.
Mein Vater ist vor ca. 6 Wochen gestorben. Mein Vater und ich waren sehr eng und hatten eine tiefer Verbundenheit; sein Verlust treibt mich in die Verzweiflung. Er war zwar lange krank (Kieferhöhlenkrebs und Lungenemphysem und noch weitere Erkrankungen) und es war absehbar, dass er nicht mehr 5 bis 10 Jahre leben wird, aber dass er Ende Dezember plötzlich derart abbaut und keine vier Wochen später tot ist, das haben seine Frau (meine Stiefmutter) und ich nicht kommen sehen. Ich habe sofort meiner Chefin gesagt, dass ich nicht mehr zur Arbeit komme und jetzt in der Heimat bei meinem Vater bin und war dann die gesamten letzten 3.5 Wochen bei ihm, jeden Tag.
Am meisten belastet mich, dass er so leiden musste. Die Atemnot hatte sich in den letzten 4 Wochen bis ins Unermessliche gesteigert und die Panik zu ersticken war jeden Tag in seinen Augen zu sehen. Jede Bewegung war mit Angst und mit dem Wissen, dass die Luft irgendwann zu Ende geht, verbunden. Es war das Schlimmste, das ich je erleben musste. Ich weiß nicht, wie man ertragen kann, dass einer Person, die man so liebt, so etwas widerfährt. Er bekam Morphin, damit die Atemmuskulatur sich ein entspannt und er nicht so eine Panik hatte, was auch zeitweise gut funktioniert hat.
Leider konnte ich in den letzten 3.5 Wochen nicht immer die liebevolle Tochter sein, die ich eigentlich bin. Wir hatten einige wunderschöne Momente (er hat mir Danke gesagt, dafür, dass ich für ihn da war, er hat mir noch Geheimnisse aus seinem Leben erzählt, wir saßen viel zusammen und haben geredet). Aber ich habe auch große Fehler gemacht. Einmal fragte der Arzt wegen der Patientenverfügung nach und in welcher Situation mein Papa weiterleben bzw. nicht weiterleben wollen würde. Ich habe dann gesagt "Bei Gehirntot nicht, oder Papa?", total unsensibel. Da liegt mein Papa, weiß, dass er sterben muss (da war er schon auf der Palliativstation) und ich bin wie ein Trampel. Dasselbe auch, als er mich einmal fragte "Ich bin dann also wirklich tot." Ich sagte zu ihm "Aber du merkst das dann nicht, Papa". Wir hatten früher oft über den Tod gesprochen und in dem Zusammenhang hatten wir oft darüber geredet, dass man selber das ja nicht mehr merkt, deswegen erschien es mir in dem Moment eine okaye Antwort. Aber es war fast unser letztes Gespräch (das wusste ich da ja noch nicht) und im Nachhinein bin ich unendlich traurig, dass ich ihm nicht ein ernstes Gespräch über den Tod ermöglicht habe. Er hat dann nicht weiter nachgehakt und ich habe gemerkt, dass ihn dieses Gespräch nicht befriedigt hat. Für die Angehörigen ist es schlimm, wenn eine geliebte Person stirbt. Aber für die sterbende Person ist das alles ja noch schlimmer. Diese Antworten werden der engen Vertrautheit und Verbundenheit, die wir hatten, nicht gerecht, aber ich habe keine Möglichkeit mehr das jemals "geradezubiegen" und das tut so weh.
Zwei mal war ich auch aggressiv zu meinem Papa, obwohl er ja todkrank war. Im Nachhiein frage ich mich, wie das passieren konnte. Einmal sagte er, er möchte nach Hause und ich sei ja jetzt auch da zum Helfen, deswegen könne er doch zuhause von seiner Frau und mir gepflegt werden, das sei alles kein Problem. Ich schrie dann "Aber ich hab doch nur 6 Wochen Urlaub" (ich arbeite in einer anderen Stadt, ca 200 km entfernt), anstatt empathisch mit ihm zu sein. Sein Wunsch war doch nachvollziehbar. Er wollte bei den Menschen sein, die er liebt. Mein Gedanke in dem Moment war "Du kannst auf keinen Fall nach Hause, denn du darfst keinen Erstickungstod sterben; wir brauchen rund um die Uhr die Möglichkeit, dass dir sofort, innerhalb von Minuten, Morphin gegeben werden kann und du für den Sterbensmoment sedierst wirst, das ist zuhause nicht möglich". Mein Papa hatte zwischendruch auch total aggressive Episoden mit Halluzinationen. Einmal dachte er, dass ich ihn ins Krankenhaus gebracht habe und dafür sorge, dass er dort bleiben muss und ich dafür sorge, dass er dort sterben wird. Er hat sich da total reingesteigert. Da bin ich sogar einmal gegangen, ohne ihm Tschüss zu sagen, weil ich so verletzt und auch überfordert war. Er war wirklich ganz, ganz aggressiv und hat schlimme Dinge zu mir gesagt in dem Moment. So hat er davor noch nie mit mir geredet. Man kam mit Vernunft nicht mehr an ihn ran. Wie kann er so etwas sagen? Ich war jeden Tag bei ihm, haben meinen Job riskiert, um bei ihm sein zu können, habe ihn gefüttert, seine Windel gewechselt...
Ich wusste, dass das nicht wirklich er war, aber ich habe es doch persönlicher genommen als ich wollte...
Dazu kommen nochdie Schuldgefühle, dass ich mich mehr in seinen Krankheitsverlauf hätte einmischen sollen und nicht einfach nur alles so passieren lassen. Ich habe der Onkologin einfach vertraut (mein Papa auch), habe nicht eigenständig nach alternativen Behandlungen recherchiert o.ä. (wie eich es oft eigentlich mache, also ich bin ein Mensch, der sich oft informiert).
Am letzten Abend, an dem er noch nicht in der akuten Sterbephase war, hat er noch einen Witz gemacht. Da ich aber seine sexuellen Witze nicht mochte, habe ich automatisch gesagt, was ich immer sage "Ja, Papa, dafür bin ich die Falsche". Das habe ich bei diesen Witzen immer gesagt. Aber konnte ich ihm das diesmal nicht einfach zugestehen? Warum war ich so hart? Ich verstehe das alles nicht.
Neben dem Schmerz, dass er so leiden musste und ich so traurig und sauer auf das Leben bin, dass er nicht noch weiterleben durfte (er hatte noch so viele Pläne , Wünsche und Projekte), bringen mich diese Schuldgedanken um den Verstand, wirklich, ich habe das Gefühl ich werde verrückt. Das war doch mein Papa, den ich über alles liebe. Wieso war ich in vielen Momenten so unsensibel und hart? Ich kann es mir nicht verzeihen... Ich bete, dass er trotzdem gemerkt hat, dass ich ihn liebe- Ich habe seine Windeln gewechselt, ich war jeden Tag bei ihm, ich habe ihn gefüttert, ich habe mich mit ihm unterhalten. Ich hoffe so sehr, dass er gespürt hat, dass ich ihn liebe. Denn jetzt sitze ich hier und komme in meinem Leben überhaupt nicht mehr klar, weil ich so traurig bin über sein Leiden und ihn so vermisse. Ich liebe ihn jeden Tag. Und wenn er das am Ende nicht gespürt hat, dann weiß ich nicht, wie ich damit leben kann...
Kennt sich jemand mit Schuldgefühlen aus? Geht das wieder weg? Ich halt das nicht aus...