Hallo,
es tut richtig weh, deinen Bericht zu lesen und zwar vor allem deshalb, weil es sich für mich so anfühlt, als würden wirklich alle Beteiligten leiden. Nicht nur du und dein Mann, sondern leider wohl auch euer Kind und ich bin sicher, auch deine Schwiegereltern. Mir scheint, eure Weltbilder sind so grundverschieden, dass jeden von euch, das Verhalten des anderen tief verletzt. Und das ist eine schreckliche Situation! Niemand will etwas Böses und trotzdem besteht das Zusammenleben fast nur aus gegenseitigen Verletzungen... *seufz*
Weißt du, ich kenn das. Ich hatte viele Jahre eine ähnliche Beziehung. Ich kann heute nicht mehr so richtig verstehen, wie ich so lange (fast 10 Jahre) glauben und hoffen konnte, dass sich was ändert. Ich hab zum Glück den Absprung grade noch rechtzeitig geschafft.
Wir waren schon dabei, uns eine gemeinsame Wohnung im Haus seiner Eltern auszubauen! Aber meine Zweifel, ob das gutgehen kann, wurden immer größer. Mir wurde immer mehr bewusst, dass er anscheinend einfach nicht verstehen konnte, worum es mir grundsätzlich ging. Die enge Bindung zu seinen Eltern, war für ihn so selbstverständlich, dass es irgendwie keine Alternative gab.
Ich glaube, es gibt Familien, da ist das einfach so und für ein "Schwiegerkind" nur mit sehr, sehr viel Kraft, Liebe und Willensstärke möglich, daran was zu ändern. Ich hatte diese Kraft nicht. Evtl. wäre für ihn damals eine gewisse Loslösung von seinem Elternhaus möglich gewesen, wenn ich die dominante Rolle seiner Eltern zum größten Teil übernommen hätte. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte ja nicht Mama (und womöglich Papa) für ihn spielen. Ich wollte einen eigenständigen, erwachsenen Partner auf Augenhöhe. Was hätte eine Loslösung von seinen Eltern gebracht, wenn ich dann in deren Rolle geschlüpft wäre? In meinen Augen nichts! So entschloss ich mich irgendwann schweren Herzens doch zur Trennung und bin heute sehr froh drum.
Aber ihr beide seid bereits verheiratet und habt inzwischen ein Kind zusammen. Da fällt es mir schwer, zur Trennung zu raten. Aber ich kann deinen Schmerz so gut verstehen! Es sind tausende von (scheinbaren) Kleinigkeiten, die sich zu einem riesigen Berg aus Verletzungen türmen. Es ist schlicht unmöglich, alles anzusprechen, sich jedes einzelne Mal abzugrenzen etc. weil das grundsätzliche Problem einfach nicht verstanden wird. Deshalb musst du immer wieder von vorne anfangen und ihr dreht euch nur im Kreis.
Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass Nordrheiners (eigentlich ganz gute Regeln) helfen können. Ich denke, sie helfen nur, wenn von allen Beteiligten wenigstens im Ansatz verstanden wird, wofür diese Regeln gut sind. Aber ich befürchte, dass sowohl für deinen Mann, als auch für seine Eltern, der einzige Sinn solcher Regeln darin liegt, dich (einigermaßen) zufrieden zu stellen. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mir hätte damals ein rein äußerliches Befolgen solcher Regeln nicht gereicht. In meinen Augen muss damit auch eine innere Veränderung einhergehen. Ein neues Verständnis, ein echtes Umdenken... Weil das nicht von heute auf morgen gehen kann, sind solche Regeln, wie Nordrheiner sie vorschlägt, sehr wichtig. Aber ich glaube, dass solchen Regeln ein beginnendes Verständnis für dein Anliegen von Eigenständigkeit vorausgehen muss.
So, und nun schlussendlich zu dem einzigen Rat, der mir in eurer Situation einfällt. Ich denke, es wäre gut, wenn ihr euch Hilfe von außen holt. Vielleicht kann ein Mediator, eine Familienberatungsstelle o. ä. dabei helfen, dass ihr alle mehr Verständnis füreinander entwickelt. Und vielleicht kann dadurch ganz langsam die eigentlich längst überfällige Abnabelung deines Mannes von seinem Elternhaus stattfinden. Es gibt wohl leider Fälle, wo das nur durch einen völligen (aber vielleicht nicht lebenslänglichen) Kontaktabbruch möglich ist. Wenn die Eltern nämlich einfach beim besten Willen nicht verstehen können, dass es auch für ihren Sohn besser ist, wenn sie loslassen. Aber so einen Bruch kannst und solltest du m. E. nicht erzwingen. Er muss, falls nötig, auch der Wunsch deines Mannes sein. Aber bevor es soweit kommt, würde ich wirklich versuchen, jemanden zu finden, der zwischen euch vermitteln kann.
Alles Gute dafür!
M.