Liebe TE,
zunächst einmal: Entgegen einem Beitrag hier ist eine 11-Jährige ein Kind. Juristisch bis 14 Jahre. Mit Geschlechtsreife hat das überhaupt nichts zu tun- Es gibt Kinder, die mit 9 Jahren geschlechtsreif sind, einige mit 12, viele erst mit 14. auf die geistige Reife kommt es an!
Das Kernproblem ist die Erziehung der Eltern. Das ist kein therapeutisches Problem. Alles was Du beschreibst, ist anerzogenes Fehlverhalten, keine psychische Erkrankung. Ein Therapeut kann da nicht helfen, zumal er sie im Alltag nicht erlebt.
Auch mit Pubertät hat das nichts zu tun, da sie sich schon seit Jahren so verhält. Es ist eine Erziehungsfrage.
Für die Erziehung sind die Eltern zuständig. Deswegen kannst Du da nicht viel machen und damit solltest Du auch nicht beginnen. Das würde das Verhältnis nur weiter belasten und bald bekommst Du (zurecht) „Du bist nicht meine Mutter und kannst mir das nicht sagen!“ zu hören.
Was Du allerdings einfordern kannst, sind bestimmte Regeln in DEINEM Haushalt. Hände waschen, ordentlich auf die Toilette gehen, Dich begrüßen, Tischmanieren,...All das betrifft auch Dich und Du darfst sie darauf aufmerksam machen. Wenn sie ihre Hände nicht waschen will, kannst Du sie z.B. fragen, wie sie es fände, wenn Du mit dreckigen Händen ihr Essen zubereiten würdest...
Aber: Dass sie da schmuddelig und nachlässig ist, ist normales kindliche Verhalten. Sie meint das nicht böse. Und: Es ist schwierig, sie zu korrigieren und kritisieren, wenn ihr kein gutes Verhältnis habt. Ein gutes, ausgewogenes Verhältnis ist die Basis dafür, dass man auch mal „auf den Tisch hauen“ kann. Und ihr habt anscheinend kein gutes Verhältnis. Daher halte ich es durchaus für wichtig, an diesem Verhältnis zu arbeiten, solange es noch geht. Mit 16 muss man damit nicht mehr beginnen. Jetzt ist die Zeit dafür! Daher wäre Flucht keine Alternative für mich.
Ich würde versuchen, eine Basis zu schaffen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sie ggf. die autistischen Züge ihres Vaters hat und evtl. gar nicht in der Lage ist, wirklich herzlich zu werden. Dennoch darf man nicht aufgeben und sie als hoffnungslosen Fall ansehen.
Es gibt viele Möglichkeiten, ein besseres Verhältnis aufzubauen. Zum einen über echtes Interesse an den Gesprächen. Interesse an ihr. Egal wie „empathiebefreit“ sie ist, sie spürt es (wie jeder andere auch), ob jemand an ihr interessiert ist oder nicht. Und zum anderen sollten ihr gemeinsam etwas unternehmen. Dabei geht es nicht darum, sie auf einen Thron zu setzen, sondern um eine gemeinsame Basis und vllt. könntest Du sie darüber auch lieb gewinnen.
Geht zusammen ins Kino oder noch besser: Veranstaltet abends zuhause regelmäßig einen gemeinsamen Filmabend mit witzigen Filmen oder Filmen wie Harry Potter oder oder. Mit Knabbereien. Vielleicht könnt ihr dann zusammen lachen und kommt Euch etwas näher. Meine besten Kindheitserinnerungen beinhalten Filmabende mit meinem Vater. Einfach, aber wirksam. Geht zusammen ins Freibad, auf den Weihnachtsmarkt, Fasching, Kirmes, Freizeitpark, backt zusammen einen Kuchen oder Weihnachtsplätzchen. Frag‘ sie, was sie gerne essen würde und kocht zusammen. Wenn sie nur Pommes sagt, schlag‘ 3-4 Alternativen vor, evtl. etwas ganz Neues aus Chefkoch o.ä. Bei alledem können sich auch Gespräche ergeben. Und wenn man dann eine Basis hat, kann man sie auch geradeheraus besser kritisieren.
Männer sind oft sehr einfallslos und phlegmatisch in dieser Hinsicht. Scheuche die beiden etwas auf. Dann werden sie vielleicht auch insgesamt unternehmenslustiger. Das Eis muss gebrochen werden.
Und zu Deinem Kind: Eine 11-Jährige hat keine Lust auf Babysitting. Und selbst 7-Jährige (wie alt ist Dein Sohn?) sind da Babys. Auch das ist ganz normal! Wenn sie irgendwann mal mit Deinem Sohn spielt, dann nur Dir zuliebe. Denn welches Interesse sollte sie an langweiligem Babykram haben? Und wieso sollte sie Dir zuliebe mit Deinem Kind spielen, wenn Ihr kein gutes Verhältnis habt und Du mit ihr nicht spielst? Das ist ihre Perspektive. Versuche, sie da zu verstehen!
Ich wünsche Euch alles Gute! Trotz all der Schwierigkeiten sollte man nie vergessen: Sie ist das Kind, Ihr seid die Erwachsenen. Sie ist wie sie ist wegen ihrer Erziehung und ihrer Erfahrungen. Sie kann nichts dafür und ist nicht böse oder hoffnungslos verloren.