Ich bin Lehrerin und hatte letzte Woche in einer 8.Klasse das Thema, ob die Schüler mit ihrem Alter zufrieden sind oder lieber jünger/älter sein wollten. Der Großteil, der sich geäußert hat, wollte älter sein. Ein Mädchen allerdings hat gesagt, dass sie lieber wieder Kind sein möchte und es auch noch lange bleiben möchte.
Hallo, ich finde es ganz toll, dass Du Dir Gedanken um das Wohlergehen Deiner Schüler/innen machst.
Das ist bei Lehrern alles andere als selbstverständlich. Nun ja, vielleicht bin ich auch zu sehr mit Vorurteilen behaftet. Ich war damals auf dem Gymnasium auch so ähnlich wie Deine Schülerin und wurde von allen, auch einigen Lehrern, andauernd nur kritisiert, was sehr weh getan hat.
Ich glaube eine der wichtigsten Dinge, die Du Deiner Schülerin geben kannst, ist Verständnis und das Wissen, dass jeder so wie er ist okay ist.
Bei mir waren es damals in der Schule unter anderem familiäre Probleme, die dazu führten, dass meine (ohnehin schon langsame) körperliche Entwicklung an meiner geistigen Entwicklung vorbeizog, die sozusagen stagnierte.
Ich hatte in meiner Herkunftsfamilie permanent mit verschiedenen Arten von Psychostress und dem Thema Tod zu tun (gehabt), so dass sich mein Gehirn wohl nur noch auf das "Überleben" konzentrierte, aber nicht mehr darauf sich weiterzuentwickeln. Eben die Folge von permanenter Angst.
Vielleicht ist Deine Schülerin von ihrer Entwicklung her einfach langsamer als andere (muss ja nicht negativ sein), vielleicht hat sie auch Stress in ihrer Familie (Krankheit in der Familie, Eheprobleme der Eltern, einengende Eltern, die sich nicht erwachsen werden lassen oder auch Eltern, die zuviel fordern, usw...) oder mit dem Erwachsen-Werden an sich ((Angst vor dem späteren Arbeitsleben, Überforderung mit dem Schulstoff allgemein, Ablehnung des 'Frau-Werdens' (evtl wegen negativer Vorbilder), Probleme als vielleicht schüchterner Teenie mit Gleichaltrigen mitzuhalten (für Introvertierte oder Schüchterne ist das Teenageralter mit all dem Fokus auf Partys, Action und Äußerlichkeiten oft sehr hart)).
Ich mache mir etwas Sorgen um eine Schülerin, da sie auch gar keinen Anschluss in der Klasse hat, sie wirkt noch sehr kindlich und ich habe den Eindruck, dass sie zu Hause Probleme hat.
Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll.
Habt Ihr einen Schulpsychologen?
Ich kenne mich mit dem Lehrer-Dasein so gar nicht aus. Deswegen sind vielleicht nicht alle meine Ideen hilfreich. Doch ich schreibe jetzt einfach mal, was mir so einfällt:
- Die Telefonseelsorge hat auch ein Kinder-und Jugendtelefon. Ganz leicht zu finden, wenn Du im Internet die Wörter 'Telefonseelsorge' und Kinder 'eingibst' (man kann hier keine Website-Adressen hineinposten). Die Leute bei der Telefonseelsorge könnten Deiner Schülerin ganz bestimmt mit praktischen Ideen, was sie bei ihrem konkreten Problem (falls sie eines hat) tun kann, weiterhelfen.
Wäre es vielleicht möglich, dass Du in Deiner Klasse sagst: "manche Schüler haben zuhause Probleme und können mit niemandem darüber sprechen. Deswegen verteile ich jetzt mal die Nummern der (Jugend-)Telefonseelsorge (und evtl auch die der Jugendberatungsstelle, des Jugendamtes oder einer anderen Einrichtung in Deiner Stadt).
Meine Erfahrung ist, dass viele Jugendliche überhaupt nicht wissen, dass ihnen diese Einrichtungen helfen können (weil ihnen die Eltern mit schwerer Strafe drohen, wenn sie sich dort melden. Und weil sie kein Vertrauen mehr in Erwachsene haben).
Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, sich 20 Minuten Zeit zu nehmen und Schüler/innen aufzuklären, dass solche Organisationen ihre Freunde sind, die ihnen erst einmal "nur" zuhören und nicht ihre Feinde, die gegen ihren Willen drastische Schritte einleiten.
Es gibt tatsächlich Jugendliche, die wegen ihrer schlechten Erfahrungen alle Erwachsenen (einschließlich Jugendamtsmitarbeiter) als Petzen und gefährlich für sich selber ansehen. Doch das entspricht nicht der Realität. Leider klärt sie niemand darüber auf (ich habe selber so einen Fall kennengelernt
).
- zweitens: vielleicht könntest Du Deiner Schülerin anbieten, zu Dir zu kommen, wenn sie ein Problem hat? Oder sie nach der Stunde mal auffangen und fragen, ob sie sich in der Klasse wohlfühlt? Oder Ihr sagen, dass Du den Eindruck hast, dass sie etwas bedrückt? So etwas KANN helfen. Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch Fälle, in denen Schüler/innen vor Lehrern nicht mit privaten Problemen heraus rücken (deshalb mein Vorschlag mit den Telefonnummern von Telefonseelsorge & co).
- drittens, leider kann man nicht jedem helfen. Manche Teenager haben zuhause mit heftigen Belastungen zu kämpfen, kommen dann aber erst als Erwachsene auf den Trichter, dass das, was sie erlebt haben, nicht normal war.
Sehr wichtig ist auf jeden Fall Verständnis. Keine Rumnörgelei an der Kindlichkeit der Schülerin (wie bei mir damals in der Schule), so dass sie soviel Selbstbewusstsein entwickelt wie es ihr im Moment bei ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand und Umständen möglich ist.
Dein Engagement finde ich echt ganz toll!
Viel Glück!