Okay, dann oute ich mich mal: Ich war mal ein Messie. Zum einen, weil ich mit dem ganzen Geputze und Aufräumen total überfordert war und zum anderen, weil in mir drin auch alles Chaos war. Meine Wohnung war voller Gerümpel, kaputten Dingen und auch Müll. Ich mochte niemanden in meine Wohnung lassen und hab mich in Grund und Boden geschämt, weil es bei mir so vollgemüllt und zugestellt war. Treffen mit Freunden und Verwandten hab ich immer mit irgendwelchen Ausreden auf Cafés und Co. verlegt. Hauptsache nicht in meiner Wohnung. Hat's trotzdem mal an der Haustür geklingelt, hab ich mich totgestellt und getan, als wär ich nicht da.
Nur mein bester Freund wusste, wie das in meiner Wohnung aussah. Er hat oft versucht, mich zum Entrümpeln und Aufräumen zu bewegen, aber ich hab dann immer abgeblockt. Ich hab mich einfach viel zu sehr geschämt und da waren doch auch so viele Dinge, von denen ich mich gar nicht trennen wollte/konnte.
Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich ASSler und ADSler bin. Das kam erst raus, als ich eines Tages auf der Arbeit einen Meltdown hatte, fast jemanden ernsthaft verletzt hätte, deswegen gekündigt und dann zum Psychologen geschickt wurde. Da bekam ich die Verdachtsdiagnose Asperger-Syndrom und damit bin ich überhaupt nicht klargekommen. Ich wollte nicht behindert sein und bin dann voll dagegen angegangen. Bin auf Partys gegangen, war ständig unter Leuten, aber das war dann natürlich viel zu viel für mich und eines Tages wurde mir klar, dass ich doch behindert bin und ich nie normal sein werd. Ich bin dann völlig zusammengeklappt, hab versucht, mich umzubringen und bin ich die Psychiatrie gekommen, wo dann auch noch die Diagnosen ADS und Depressionen dazugekommen sind.
Drei Monate war ich in der Klinik; bin medikamentös eingestellt worden und musste natürlich auch eine Therapie machen. Ich hab dann kapiert, dass ich wegen der Diagnosen kein schlechterer Mensch bin, die Diagnosen mir aber helfen, mich selbst besser zu verstehen, achtsamer mit mir umzugehen und mich nicht so unter Druck zu setzen. Die haben da auch den Krebstod meiner Mom und den Unfalltod meines Dads mit mir aufgearbeitet; während der Therapie haben wir mich sozusagen innerlich "aufgeräumt". Und das hat sich dann auch auf meine Wohnung ausgewirkt.
Als ich wieder zuhause war, wollte ich all den Krempel einfach nur noch loswerden. Ich hab die Dinge, von denen ich mich vorher nicht trennen wollte/konnte endlich als das gesehen, was sie sind: wertloses Gerümpel, das mich nur belastet. Zusammen mit meinen Freunden hab ich dann nach und nach meine gesamte Wohnung Zimmer für Zimmer entrümpelt und renoviert. Keine Ahnung, wie viele Müllsäcke genau wir zur Müllverbrennungsanlage gefahren haben, aber es waren verdammt viele. Aber auch, als die Wohnung dann endlich aufgeräumt, sauber und renoviert war, fühlte ich mich da einfach nicht wohl. Irgendwie hatte ich dann immer Angst, ich würd die Wohnung wieder vollmüllen und die Nachbarn haben dann auch noch über mich rumgelästert. Ich bin deswegen dann in ein kleines Häuschen aufs Land gezogen und hatte anfangs echt Bammel, dass ich das vollmüll.
Aber hier arbeite ich mittlerweile mit Putzplänen zum Abhaken, die meine Lebensgefährtin mir erstellt hat. Ohne würd ich mich wegen ADS sonst viel zu schnell verzetteln. Jeder Raum wird nach Plan einmal die Woche geputzt, alles gleich nach Benutzung wieder weggeräumt (und wenn's auch nur ein Buch ist) und alles, was irreparabel kaputt ist oder ich nicht mindestens einmal im Jahr benutz, kommt gnadenlos weg. Jetzt ist hier alles sauber und aufgeräumt und ich kann jederzeit Besuch ins Haus lassen. Ich hab das Messietum hinter mir gelassen und fühl ich mich superwohl in meinem kleinen, hübschen Häuschen.
Manche von euch fragen sich jetzt vielleicht: "Wie kann der so dumm sein und sowas hier schreiben?", aber ich find's wichtig, dass die Leute erfahren, wie es dazu kommt, dass Menschen Messies werden und dass das eben nicht einfach nur Faulheit ist. Hinter Messietum stecken meistens psychische Probleme und ohne Therapie werden Messies das Messietum in den seltensten Fällen hinter sich lassen können. Da hilft's auch nicht, wenn man ihnen Vorwürfe macht oder versucht, sie zum Aufräumen zu überreden oder man einfach anfängt, die Wohnung aufzuräumen. Im Gegenteil, das macht für sie oft alles nur noch schlimmer. Man stellt sie damit quasi bloss und raubt ihnen ihren "Schutzpanzer". Was man stattdessen machen sollte, ist Verständnis zeigen, zuhören und eventuell eine Therapie vorschlagen (aber nicht dazu drängen; sie müssen selber sehen, dass sie Hilfe brauchen!).