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Meine Mama und COPD

Belleau

Neues Mitglied
Mal vorweg: Ich muss dieses Thema wohl in zwei Teile splitten da hier nicht mehr als 10000 Zeichen erlaubt sind. Den zweiten Teil werde ich als Kommentar unter dem Beitrag schreiben.
Vor acht Monaten, im Juni, ist meine Mama gestorben. Ich kann das gar nicht glauben, dass es nun schon acht Monate her ist.
Es fühlt sich immer noch so an als wäre es erst letzte Woche passiert.
Ich habe Probleme damit mich anderen anzuvertrauen, gerade was die Trauer über meine Mama betrifft. Heute morgen hat es mich wieder so plötzlich überrollt, dass ich mich dazu entschlossen habe, diese Geschichte in ein Forum zu schreiben - vielleicht hilft mir das begleitend.
Meine Mama war schon immer eine sehr starke, temperamentvolle Frau, immer unterwegs, immer schick gekleidet: Sie war, wenn man sie so betrachtete, eine sehr stilvolle Frau. So war sie immer. Mit diesem Bild von meiner starken, selbstbewussten Mutter bin ich aufgewachsen. Nun bekam sie vor ca. 6 Jahren die Diagnose COPD.
Ich wusste damals nicht was das ist und war der festen Überzeugung, dass sie das überwinden wird. Meine Mama hat nie gejammert, nie geweint und hat mir versichert, dass alles wieder gut wird. Sie hat mir immer Sicherheit gegeben was sie anbelangt... Was die ganze Welt anbelangt. Ab da an folgten etliche Besuche beim Arzt, Therapien, Reha, das volle Programm. Sie hat sogar versucht mit dem Rauchen aufzuhören und hat es auch geschafft eine Weile.
Drei Jahre vergingen. Sie fing wieder voll an zu Rauchen und es schien ihr egal zu sein. Damals war ich sehr wütend und gleichzeitig besorgt darüber - später habe ich allerdings erfahren, dass die Ärzte ihr gesagt haben, dass es nun keinen Unterschied mehr macht. Es ging bergab. Sehr schnell. Ich erinnere mich als ich mit meiner Mama noch Kaffee getrunken habe, mit ihr geredet und gelacht habe, wie sie noch Auto gefahren ist und Wochen später war sie wie ausgewechselt. Sie saß im Rollstuhl, konnte sich an guten Tagen nur noch mit Rollator von A nach B bewegen und hatte ständig ihr Sauerstoffgerät dabei. Durch die Medikamente ging sie auch sehr stark auseinander. Äußerlich hatte sie nun nichts mehr mit der Frau zu tun die sie so gerne war. Das hat sie mitunter schwer belastet. Sie hat sich isoliert, keine Freunde durften sie sehen und wir - meine Schwester und ich - haben diese Freunde immer vertröstet.
Durch das Kortison wurde ihre Haut immer dünner, sie hatte überall blaue Flecken am Körper, die Haare fielen aus, das Gesicht war aufgeschwemmt. Irgendwann bekam sie dann Morphium. Da war´s dann richtig schlimm. Nicht nur, dass dieses Morphium ihren ganzen Körper schneller verfallen ließ - sie wurde auch noch abhängig davon. Sie kann nichts dafür, es ist nicht ihre Schuld. Was will man tun wenn man nur noch Schmerzen hat die nur mit Morphium abklingen? Die Sucht war dann eine Begleiterscheinung. Am Anfang war ich wütend, dass die Ärzte ihr so viel von dem Zeug gegeben haben, aber für sie war das ab da an das einzige was ihr Leben noch erträglich machte. Manchmal wenn wir dasaßen ist sie einfach weggekippt durch das Morphium. Sie war oft nur noch "zugedröhnt" - aber sie konnte nichts dafür. Immer wieder hat sie betont, Zitat: "Das wird schon wieder!". Ehrlich, ich habe noch nie so viele Fentanyl-Pflaster auf einen Haufen gesehen.
Dann eines Tages kam der Tag der Tage. Sie musste wieder ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ich habe noch kurz mit ihr telefoniert aber während des Telefonats ist sie wieder weggetreten. Ich habe ihr noch gesagt wie lieb ich sie habe und bin ein paar Stunden später mit meiner Schwester zu ihr ins Krankenhaus gefahren. Wir wussten nicht was uns erwartet, ehrlich gesagt dachten wir beide es ist ein "üblicher" Krankenhausaufenthalt für unsere Mutter (sie lag oft im Krankenhaus, kam dann aber wieder raus. Immer).
Wir kamen ins Zimmer und diesen Anblick werde ich niemals wieder vergessen.
Meine Mama sah schlimm aus. Ihr ganzer Körper war aufgequollen. Ihre Augen waren so unter Druck, dass es aussah als würden sie gar nicht mehr richtig "halten". Ihr ganzer Körper war voller Wasser. Diese Haut... Ich hatte Angst sie anzufassen, ich hatte Angst, dass die Haut reisst.
Sie hing zu dem Zeitpunkt an der Schmerzpumpe. Morphium. Ihre Nieren arbeiteten nicht mehr und die Ärzte sagten, dass es nicht gut aussieht. Nicht nur das Aussehen meiner Mutter war ein traumatischer Anblick für uns, sondern auch die Geräusche die sie machte. Es hörte sich an als würde sie ersticken, sie hat nach Luft gerungen und das atmen fiel ihr ganz, ganz schwer. Trotz Allem war sie bei vollem Bewusstsein, auch wenn der Arzt meinte sie bekommt nicht mehr viel mit.
Ich weiß - und meine Schwester weiß das auch - dass dem nicht so war. Sie konnte noch einige Sätze sagen wenn sie all ihre Kraft zusammen nahm und hat uns tief in die Augen gesehen wenn wir ihr gesagt haben wie sehr wir sie lieben und wie stolz wir auf sie sind.
Stunden vergingen. Wir saßen die ganze Zeit bei ihr. Ihre Nieren wurden immer träger, ihr Körper bekam immer mehr Volumen, noch mehr als er ohnehin schon hatte. Sie war voller Wasser. Ich habe meine Schwester gebeten, dass sie nicht weinen soll, sie soll sich zusammenreissen. Wie fühlt man sich denn in so einem Moment wenn die eigenen Kinder am Bett sitzen und weinen? Sie sollte das nicht sehen. Das sollte sie nicht zusätzliche belasten. So haben wir dann nach einer Zeit angefangen ihr noch mehr Mut zuzureden, ihr zu sagen, dass wir das gemeinsam durchstehen und das alles wieder gut wird. Mittlerweile waren schon 8 Stunden vergangen. Acht Stunden in denen sie nach Luft ringt. Acht Stunden in denen sie gekämpft hat. Nach dieser Zeit haben meine Schwester und ich beschlossen, kurz eine "Pause" zu machen. Wir holten uns einen Kaffee und gingen kurz raus, einmal kurz durchatmen. Als wir wieder kamen (und das kann ich mir bis heute nicht verzeihen) hat meine Mama wohl ihre ganze Kraft zusammengenommen und ihren Arm gegen die Notfallklingel "geworfen". Sie hatte Schmerzen während wir weg waren, sie wollte sich mitteilen und wir waren nicht da. Sofort haben wir aber wieder eine Krankenschwester geholt damit sie ihr einen "Bonus" gibt (Bonus haben die es genannt, wenn sie zusätzlich zur Morphium-Pumpe nochmal Morphium nachgelegt haben). Dann ist sie zum Glück kurz eingeschlafen. Kurz. Sie wachte wieder auf und ihre vorletzten Worte waren "Das wird schon wieder...". Mittlerweile war es gegen zwei Uhr Nachts und der Arzt meinte wir sollen einen Pfarrer rufen. Wir waren beide so verwirrt und haben einfach "Ja" gesagt. Das hätten wir nicht tun sollen.
(Kleine Erklärung: Meine Mutter war zwar nie sonderlich gläubig aber da wo wir großgeworden sind ist das üblich, dass man einen Pfarrer kommen lässt bei Sterbenden. Es ist ein sehr christliches Gebiet)
Meine Mama dachte bis zu dem Zeitpunkt tatsächlich noch, dass es wieder wird irgendwie, dass sie das überlebt. Kurz bevor der Pfarrer kam hat sie nochmal all ihre Kraft zusammengenommen und wollte die wenige Luft die sie noch hatte zu einem Satz formen, ihre Lippen haben sich schon bewegt und genau in dieser Sekunde hat der Pfarrer uns unterbrochen. Bis heute wissen wir nicht was sie uns sagen wollte, es schien ihr wichtig zu sein. Vielleicht wollte sie uns noch sagen dass sie uns liebt? Ich weiß es nicht.
Der Pfarrer kam und was nun passierte bricht mir das Herz heute noch. Plötzlich war sie wieder voll da. Wacher Blick, Sie hat uns in die Augen gesehen (mir und meiner Schwester). Ein fragender Blick: "Was passiert hier? Sterbe ich? Habt ihr mich aufgegeben?". Sie hatte so viel Angst in dem Moment, dass sie nochmal gepinkelt hat. Aus Angst. Der Pfarrer war weg und ihre letzten Worte waren: "ich kann nicht mehr" - danach kam kein Wort mehr. Insgesamt waren nun schon 17 Stunden vergangen. 17 Stunden in denen sie kämpfte, nach Luft rang, Schmerz-Intervalle ertragen musste und die Ärzte und Pfleger waren immer noch der Meinung sie spürt nichts. Natürlich war sie da. Wie oben gesagt, konnte sie anfänglich ja noch mit uns kommunizieren und uns sagen, dass sie Schmerzen hat. In den letzten Stunden wurde es dann ganz arg. Ihre Augen haben sich aufgelöst. Sie hatte Wochen zuvor noch eine Augen-OP und hat sich Linsen einsetzen lassen damit sie besser sieht. Sie hat sich damals so gefreut darüber, dass sie wieder richtig lesen kann - und nun mussten wir zusehen wie sich ihre Augen auflösen und ihre Linsen rausschwemmen. Ein ganz furchtbarer Anblick. Sie sah von oben bis unten nicht mehr aus wie ein Mensch, sie ist einfach vor unseren Augen zerfallen. Dann am nächsten Vormittag haben meine Schwester und ich gesagt wir fahren schnell nach Hause und holen uns kurz Klamotten weil wir dachten wir bleiben die nächste Nacht auch noch bei ihr. Tatsächlich hatten wir immer noch Hoffnung. Wir sind noch so jung meine Schwester und ich. Da darf Mama nicht sterben...
 

Belleau

Neues Mitglied
... Genau in dieser einen Stunde ist sie verstorben - ohne uns. Obwohl wir ihr versprochen haben, dass wir bei ihr sind, dass wir sie nicht alleine lassen. Ich frage mich heute ob sie das mit Absicht gemacht hat, ob sie uns das ersparen wollte... Wir kamen wieder zurück und da lag sie. Ihr letzter Atemzug war bis dato zehn Minuten her. Sie war gelb, leblos und in ihrem Gesucht sind Haare gewachsen. Sie war noch ein bißchen warm, ich habe ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben. Aber sie war so leer. Sie war einfach weg. Ihr Körper lag da und sie war einfach weg. Das habe ich nicht begriffen. Tatsächlich habe ich das Monate danach noch nicht begriffen. Richtig realisieren tue ich das erst seit den letzten Wochen. Meine Schwester ist bei dem Anblick unserer toten Mutter zusammengebrochen und musste in einen Rollstuhl gesetzt werden. Die Wochen danach waren hart für uns. Niemand war wirklich da um uns zu helfen. Wir sind selbst noch halbe Kinder und mussten uns um alles komplett kümmern inmitten dieser unsagbar tiefen Trauer.
Was uns letztendlich übrig blieb waren viele Schulden, keine Chance mehr zu erfahren wer unser Vater ist und eine tote Mutter.
Das war mal grob die Geschichte.
Mittlerweile trifft es mich zeitweise sehr hart. Ich kann nichts kontrollieren. Ständig kommen Bilder hoch, Erinnerungen und Worte die meine Mutter gesagt hat. Sie war erst 53. Wir hatten noch sehr viele Pläne. Sie wollte noch etwas von der Welt sehen und hat mir versprochen, dass wir das gemeinsam machen. Mit ende 40 als sie wohl schon wusste dass es nicht mehr lange geht, hat sie noch einen Motorrad-Führerschein gemacht, sich ein neues Auto gekauft und generell alles gelebt was sie immer schon machen wollte, das finde ich rückblickend sehr cool. Sie hätte schon früher damit anfangen sollen, aber nichtsdestotrotz hat sie das noch durchgezogen. Ich fand das sehr stark.
Jetzt bin ich alleine. Sicherlich bin ich schon alt genug um ein selbstständiges Leben zu führen aber es gibt keine schönen Tage mehr mit Mama, keine Ratschläge mehr wenn ich nicht mehr weiterweiß. Wir haben jeden Tag telefoniert und uns ausgetauscht. Ich bin vor einem Jahr umgezogen und sie wollte unbedingt meine neue Wohnung sehen. Ich habe extra eine Wohnung genommen mit einem Aufzug, damit meine Mama nicht die Treppen hochmuss. Sie wollte so gerne miterleben wie ich ein Kind habe. Eigentlich wollte ich nie Kinder aber an den letzten Tagen als wir uns sahen habe ich ihr erzählt, dass ich es mir nun anders überlegt habe. Diese Freude in ihren Augen werde ich nie vergessen... Und nun wird sie dieses Kind irgendwann nie kennenlernen können. Alle wichtigen und einschneidenden Lebensabschnitte in meinem Leben sind von nun an geprägt von tiefer Trauer weil ein ganz großer Teil von mir fehlt: Meine Mama.
In meiner Vorstellung war es immer unerträglich schlimm wenn ich darüber nachdachte wie es ist meine Mutter zu verlieren.
In der Realität allerdings ist das Ganze noch viel schlimmer.
Das Leben wird nie mehr das Selbe sein.

Wenn jemand den Text bis hierher gelesen hat, dann bedanke ich mich.
Das alles ist sicherlich nicht schön zu lesen aber ich musste es mal loswerden. Ich kann schlecht mit jemanden reden weil ich jedes mal erstarre wenn es um meine Mutter geht.
 

Binchy

Sehr aktives Mitglied
Mein herzliches Beileid. Man kann da nicht viel zu sagen und Worte können eh kaum helfen.
Immerhin hat sie noch erfahren, dass Du ein Kind bekommst. Das tut natürlich sehr sehr weh, dass sie es nicht mehr sehen konnte.

Ich hoffe, dass Du Trost finden wirst und Dir das Schreiben hier gut tut und es Dich ein klitzebisschen erleichtert.

Lg, Binchy
 

Daoga

Urgestein
Fühl Dich gedrückt. Echt traurig ...
Und wieder ein Beweis: Rauchen ist Scheiße. Ich kannte auch eine Person, die chronisch geraucht hat und dadurch COPD bekam. Auch sie sah in den letzten Lebensmonaten aus wie der Tod auf Rädern, ich kann das Geschilderte daher nachvollziehen. Wieviel kostbare Lebenszeit den Menschen durch den blöden Tabak geraubt wird, man faßt es nicht.
Übrigens ist es normal, daß sich Sterbende eine ruhige Minute suchen, um den Schritt ins Jenseits zu vollziehen. Kaum sind Angehörige und Pfleger kurz aus dem Zimmer, geht es dahin. Das wird immer wieder berichtet, da seid Ihr keineswegs die einzigen, die das erlebt haben. Und deshalb brauchst Du Dir deswegen auch keine Vorwürfe machen. Anscheinend empfinden die Sterbenden die Trauerrunde rund ums Bett schlicht als Störung, die sie mit Gewalt ans Diesseits kettet. Vielleicht empfinden sie es aber auch schlicht als peinlich, zu sterben wenn jemand dabei zuschaut, wer weiß. Für manche Sachen im Leben (und Sterben?) will man einfach Privatheit.
 

weidebirke

Urgestein
Ich fühle sehr mit Dir. Dass Du Deine Mama verloren hast und dass das Sterben so schwer war und auch das davor und danach. Du schreibst, Ihr wärt noch sehr jung, da hat man oft mit einigen Dingen noch nicht so viel Erfahrung und so kommen zur Trauer auch ncoh diese bürokratischen Hürden und die finanziellen Sorgen.

Habt Ihr nur noch einander oder gibt es in Eurem Umfeld Menschen, die Euch unterstützen?

Ich muss Daoga recht geben. Es ist ein viel beobachtetes Phänomen, dass Sterbende exakt dann gehen, wenn die Angehörigen für eine kurze Zeit das Zimmer verlassen, um vielleicht einen Kaffee zu trinken oder zu telefonieren oder so. Selbst bei Kindern ist das zu erleben. Manchmal halten wir die Sterbenden unbewusst vom Sterben ab oder wollen die Angehörigen entlasten oder auch sich selbst. Da müsst Ihr Euch wirklich keine Vorwürfe machen. Wahrscheinlich war es für Eure Mama sogar so leichter. Sie wollte Euch bestimmt schonen.

Auch wenn es nicht das Wichtigste ist, aber da es Dich bedrückt: Morphium gehört zur Therapie bei weit fortgeschrittener COPD zum Standard. Dabei geht es sogar oft weniger um Schmerzbekämpfung, sondern um Atemerleichterung. Die Muskulatur entspannt sich, das Atemzentrum wird gedämpft, es kommt zu einer ruhigeren und tieferen Atmung = die Sauerstoffsättigung steigt. In diesem Zusammenhang ist eine Abhängigkeitsentwicklung eine Nebensache.
Eine weitere Nebensächlichkeit in Deinem Schmerz ist die Sache mit dem Bonus. Es heißt Bolus und bedeutet, dass im Gegensatz zum sonst stetigen Zufluss einer kleinen Menge Morphium mit einem Mal eine größere Menge gegeben wird, um Schmerzspitzen abzufangen. Ich schreibe Dir das nicht, um Dich zu belehren, sondern weil ich den Eindruck habe, dass Dich das Thema belastet und Du vielleicht auch den "Bonus" übel nimmst, als wäre das eine Belohnung oder so.

8 Monate sind keine Zeit für Trauer. Früher wurde einem ein Trauerjahr eingeräumt und das war auch viel angemessener als die heutige Erwartung, dass man nach ein paar Wochen doch bitte wieder zur Tagesordnung übergehen soll. Vielleicht spürst Du Deine Trauer auch jetzt erst, weil so viel zu regeln und zu organisieren war. Vielleicht hattest Du einfach noch keine Zeit dafür.

Bist Du die ältere Schwester?

Wenn es Dich sehr beutelt und die schlimmen Bilder Dein Andenken an Deine Mama beherrschen, wäre es vielleicht auch ganz gut, mal nach einer professionellen Trauerbegleitung zu schauen?

Ich weiß, wie es ist, ich habe auch heftig getrauert. Ich denke an Dich.
 

Belleau

Neues Mitglied
Danke für eure Antworten und vorallem Danke, dass ihr den ganzen langen Text gelesen habt.
@Daoga Ja, rauchen ist wirklich ein Thema für sich. Die Bestatterin meiner Mama ist selbst starke Raucherin und hat mir im Nachgang erzählt, dass sie ein paar Tage aufgehört hat nachdem sie meine Mutter gesehen hat. Die zwei waren im gleichen Alter. Dass sich Menschen die im Sterben liegen eine ruhige Minute suchen habe ich auch oft gelesen. Vielleicht kann man das tatsächlich erst verstehen, wenn man selbst im Sterbebett liegt.

@weidebirke Danke für deine Aufklärung. Dann heißt das also "Bolus", das habe ich immer falsch verstanden. Rückblickend würde ich mir wünschen die Pfleger hätten ihr mehr von dem Bolus gegeben und die 17 Stunden verkürzt. Sicherlich darf man das aber nicht. Was heißt "jung", vielleicht empfinden das manche als alt genug, aber ich bin 28 und meiner Schwester 34 und in meinem Empfinden bin ich fast noch ein Kind. Es hat sich angefühlt als hätte ich auf einen Schlag erwachsen werden müssen - nicht was die Selbstständigkeit betrifft, ich bin seit ich 17 bin schon aus dem Haus raus - eher was das ganze Lebens-Empfinden anbelangt. Schwierig zu erklären.
Ich bin die Jüngere von uns beiden und tatsächlich waren wir und sind mit dem Ganzen ganz alleine. Wir mussten das alles selbst schaffen. Ich bin sehr stolz auf meine Schwester, sie ist selbst psychisch schwer krank seit ihrer Kindheit und war so stark. Ich bin meiner Mama unendlich dankbar, dass sie mir so eine tolle Schwester geschenkt hat. Meine Oma wäre noch da - aber sie hat quasi ihr Kind verloren (ich kann mir nicht ausmalen wie es sich anfühlen muss als Mama das Kind zu überleben) und überhaupt hat sie mit sich selbst zu kämpfen.
Das mit der Trauer ist schon komisch. Ich bemerke latent bei meinem Umfeld, dass man meint, dass das Thema schon wieder abgehakt sein müsste, dass man meint, die Trauer muss langsam mal leichter werden. Aber ich verstehe das. Bevor ich sie verloren habe, hätte ich auch nie gedacht, dass Trauer so viele Facetten haben kann und keine definierte Linie ist. Ich habe gelernt, dass man Trauern muss, egal ob man gerade Zeit dafür hat oder den Kopf dafür. Es kommt wie es kommt.
Hast du auch deine Mutter verloren oder war es ein anderer geliebter Mensch?
 

weidebirke

Urgestein
Rückblickend würde ich mir wünschen die Pfleger hätten ihr mehr von dem Bolus gegeben und die 17 Stunden verkürzt. Sicherlich darf man das aber nicht.
Seit Februar 2020 ist es in Deutschland erlaubt, Schmerzmedikamente im Sterbeprozess auch dann zu verabreichen, wenn angenommen werden kann, dass die Person dadurch stirbt. Das ist eine Praxis, die schon lange im Graubereich angewandt wird und jetzt aber legalisiert wurde. Nur hängt das immer arg vom Personal und von der Klinik ab, wie damit umgegangen wird. Es tut mir sehr leid für Dich und auch für Deine Mama, dass es so lief.

Was heißt "jung", vielleicht empfinden das manche als alt genug, aber ich bin 28 und meiner Schwester 34 und in meinem Empfinden bin ich fast noch ein Kind.
Ich hatte tatsächlich angenommen, dass Ihr um die 20 rum seid. Aber es ist ja auch egal. Unter normalen Umständen macht einen der Tod der Mutter immer hilflos, egal, wie alt man ist.
Und auch, wenn Du die Jüngere von beiden bist, durch die Erkrankung Deiner Schwester und auch der Oma (so klang es), scheinst Du diejenige sein zu müssen, die stark ist, allen Halt gibt, es "aushält". Vielleicht kommst Du da selbst etwas zu kurz?
Und ohne Eure Situation zu kennen und vor allem ohne Euch zu nahe treten zu wollen, ist es auch schade, wenn da jeder so für sich kämpft und Ihr auch nicht darüber redet? Ihr habt alle drei einen sehr wichtigen Menschen verloren, da würde es vielleciht helfen, die Trauer gemeinsam zu tragen?

Das mit der Trauer ist schon komisch. Ich bemerke latent bei meinem Umfeld, dass man meint, dass das Thema schon wieder abgehakt sein müsste, dass man meint, die Trauer muss langsam mal leichter werden. Aber ich verstehe das. Bevor ich sie verloren habe, hätte ich auch nie gedacht, dass Trauer so viele Facetten haben kann und keine definierte Linie ist. Ich habe gelernt, dass man Trauern muss, egal ob man gerade Zeit dafür hat oder den Kopf dafür. Es kommt wie es kommt.
Hast du auch deine Mutter verloren oder war es ein anderer geliebter Mensch?
Ich hatte eine schlimme Kindheit und meine Großmutter war der einzige verlässliche und mich bedingungslos liebende Mensch. Als sie vor 10 Jahren starb, ging für mich eine Welt unter. Noch jetzt, während ich das hier schreibe, muss ich weinen. Sowas wird nicht gut vom Umfeld verstanden. Schon nach wenigen Wochen bekam ich zu hören, ich solle doch mal damit aufhören. Auch bei mir gibt es Dinge, von denen ich mir wünsche im Zusammenhang mit ihrem Tod anders entschieden zu haben und mache mir Vorwürfe. Das ist wohl ein Zug des Menschen, dass er den Tod schlecht akzeptieren kann und denkt, "Hätte ich nur dies/ das getan/ gelassen, dann ..."

Am Anfang bin ich immer unvermittelt in Tränen ausgebrochen, wenn ich am Herd stand und nicht wusste, wie ich was kochen soll. Früher hatte ich dann immer meine Oma angerufen. Und die hat dann immer gesagt: "Da musst Du Salz dran machen und dann in den Ofen." . Wenn ich an etwas nur Salz und Ofen dran gemacht habe, kam da aber nicht dasselbe raus, wie bei meiner Oma.

Ich finde es gut, dass Du erkannt hast, dass Deine Trauer Platz braucht, dass Du trauern musst. Wenn man dem keinen Raum gibt, kann sie auch nicht abschwächen und man kann nciht heilen. Man kann auch an Trauer krank werden.

Sie wird bleiben, der Verlust wird bleiben und Du wirst immer traurig sein. Aber anders eben, es macht einen irgendwann nicht mehr so hilflos. irgendwann ist der Verlust eben Teil des Lebens. Und irgendwann bist Du vielleicht auch froh, dass es "nur" 17 Stunden waren und kannst annehmen, dass Deine Mama jetzt Frieden hat.
 

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