Ich bin auch der Ansicht, dass eine direkte "Bearbeitung" des Problems (reden, fragen, fordern) wenig bis keine Aussicht auf Erfolg hat. Sexuelle Anziehung folgt, so wie alles im Leben, bestimmten Spielregeln. Diese Spielregeln basieren darauf, dass Sexualität mehrere Funktionen erfüllt. Man kann sie - zugegeben sehr unromantisch - als Währung interpretieren. Du gehst eine Bindung ein, zahlst damit den Preis, andere mögliche Optionen (Frauen, Lebensentwürfe, Tätigkeiten usw.) nicht mehr wahrzunehmen und erhältst im Gegenzug Zugang zu Sex, was für viele Männer eine sehr starkes "Kaufargument" ist. In dieser Betrachtung zeigt sich die Verbindung von Sex und (Verhandlungs-)Macht. Deine Partnerin verweigert den Sex, da aus ihrer Sicht möglicherweise andere Erwartungen an die Beziehung oder an dich als Partner nicht mehr erfüllt werden. Wenn du nun permanent Commitment zu ihr signalisierst, zahlst du deine Währung weiter, ohne die deine zu erhalten. Daher ist die Darstellung des Leidens unter der Situation vor ihr kontrakproduktiv, da es deine Position und damit deine Attraktivität schwächt.
Ein anderer Zugang ist die Funktion von Sex als Bindungsbeschleuniger unter Unsicherheit. Das lässt sich vor allem am Anfang einer Beziehung beobachten: Man trifft sich, verbringt eine tolle Zeit und geht dann wieder temporär auseinander. In dieser Situation entsteht eine Unsicherheit, da man nicht weiß, was der andere in Abwesenheit denkt, tut, fühlt usw. Die beim Sex ausgeschütteten Hormone und Botenstoffe sorgen dann dafür, dass ein starkes emotionales Band entsteht, was die Unsicherheit reduziert. Dieses Wechselverhältnis von Nähe und Distanz ist es, was den Sex in der Anfangsphase so reizvoll macht.
Je enger die Bindung und je weniger die Unsicherheit im Laufe der Beziehung, desto geringer wird die Motivation für Sex. Verständlich, dass dann bei dir das Verlangen steigt, wenn deine Partnerin plötzlich ein Verhalten zeigt, was dich verunsichert!
Daraus folgt: Du solltest dich unbedingt fragen, was DU möchtest. Wie viel bist du bereit zu geben, welche Art von Beziehung und Partnerschaft kannst und möchtest du im Kontext deiner sonstigen Lebensziele anbieten? Was erwartest du im Gegenzug in einer Partnerschaft und sexuell?
Was ist dir im Leben wichtig? Was ist deine Mission?
Je klarer du hier bist, desto stärker ist deine Position und desto attraktiver wirst du für deine aktuelle Partnerin, aber auch für andere Frauen.
Es ist nicht verkehrt, wenn deine Partnerin erkennt, dass du ein klares Konzept und klare Erwartungen entwickelst und aufgrund deiner persönlichen Entwicklung ebenfalls wieder eine Unsicherheit verspürt. Eine Aushandlung eurer Interessen ist meines Erachtens erst dann wirklich sinnvoll möglich, wenn du eine hinreichend starke und geklärte Position hast.
Sollte sich aber herausstellen, dass ihr beide hinsichtlich eurer Erwartungen nicht zusammenkommt, ist es gut, wenn du Optionen hast. Denke langfristig! Eine solche Beziehung ist ansonsten für beide Seiten nicht befriedigend und verhindert, dass die Zeit in gewinnbringenderen Verbindungen verbracht wird.
Oder noch anders gesagt, die paradoxe Situation:
Deine Partnerin möchte die Beziehung die sie möchte mit dem Mann den sie möchte.
Wenn du zugunsten ihrer Beziehungswünsche ständig auf deine Wünsche verzichtest, bekommt sie (vielleicht) die Beziehung, die sie möchte. Du bist dann aber vermutlich nicht mehr der Mann, den sie möchte.
Vielleicht kannst du der Mann werden, den sie möchte. Dabei gehst du aber das Risiko ein, dass sie dann vielleicht nicht mehr die Beziehung bekommt, die sie möchte.
Letzteres ist aber in jedem Fall für dich der bessere Weg.
Viel Erfolg
Hendrik