Sissy73
Sehr aktives Mitglied
Ich kann Dich sehr sehr gut verstehen.Guten Morgen zusammen,
es ist erst kurz vor fünf Uhr morgens, aber ich bin schon wieder auf den Füßen- seit einer knappen Stunde.
Ich bin Altenpflegerin. Am 1. März habe ich eine neue Stelle angetreten. Die bessere Bezahlung hat mich gelockt, und so bin ich in ein großes Altenheim mit etwa 120 Bewohnern gegangen. Eigentlich läuft hier genau das ab, was ich auf keinen Fall je wieder haben wollte:
Pflege im Akkord. Ich habe morgens 11 Bewohner zu versorgen, abends sogar 13-14. Die gesamte Grundpflege soll, laut Vorgabe, innerhalb 2,5-3 Stunden ablaufen.
Ich renne von einem Zimmer zum anderen und weiß häufig nicht, wo mir der Kopf steht.
Was noch erschwerend hinzu kommt, ist dass es in diesem Heim ganz normal ist, 13- 14 Tage am Stück zu arbeiten, danach einen Tag frei zu haben und wieder 8 Tage zu arbeiten.
Ich bin noch keinen Monat hier und bereits jetzt fix und fertig. Mein Rücken, meine Füße, meine Waden... alles tut nur noch weh, und die bleierne Müdigkeit werde ich nicht mehr los.
Kurz gesagt: Ich fürchte, ich habe einen großen Fehler gemacht, diese Stelle anzunehmen. Aber das wirft natürlich die Frage auf: Was soll ich jetzt tun? Grundsätzlich mache ich meine Arbeit gerne. Jedoch habe ich 2010 eine schwere Depression, kombiniert mit einem Burn- Out gehabt. Ich war wochenlang in stationärer Behandlung, erst vor einigen Monaten konnte ich die letzten Medikamente absetzen. Insgesamt war ich über ein halbes Jahr lang krank geschrieben. Ich habe furchtbare Angst davor, dass mich die hohe Arbeitsbelastung direkt zurück in eine Krise bringt.
Auf der anderen Seite: zuvor hatte ich ein halbes Jahr in einem kleinen Heim gearbeitet, mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. Die Entfernung zum Wohnort war auf Dauer aber einfach nicht tragbar. Jetzt bin ich erst wenige Wochen am neuen Arbeitsplatz. Wie sieht denn das aus, wenn ich schon wieder wechsele? Und die Frage ist: Wohin?
Sicher ist nur: so kann es nicht lang weiter gehen. Meine Gesundheit ist mir am Ende wichtiger als alles andere und ich sehe es nicht ein, dass meine Arbeit mit psychisch und physisch an den Rande des Abgrunds bringt.
Nun bin ich gespannt, was ihr alle dazu zu sagen habt. Ich bin für jede Antwort, jeden Hinweis dankbar.
Das höhere Gehalt hat Dich "gelockt" - aber die menschenunwürdige Pflege - so wie Du beschreibst "Pflege im Akkord" ist nicht das, was Du Dir für einen alten Menschen wünschst- wie ich herauslese.
Deine vorhergenende Stelle mag weiter weg gewesen sein-
aber Du bist doch sicher viel zufriedener nach Feierabend nachhause gefahren- oder?
So rennst und springst Du von Zimmer zu Zimmer- weisst nicht, wo Dir der Kopf steht und ob Du abend s überhaupt abschalten kannst- das lass ich mal dahingestellt.
Ich kenne es aus eigener (momentaner) Erfahrung, wie belastend es ist,
am Ende des Tages zu glauben, nicht alles gemacht zu haben. Obwohl alles gar nicht zu schaffen ist. Nur bei Dir geht es um das menschliche Wohl und die Würde des Alters- die gewahrt werden sollte- die Dich offenbar in einen Gewissenskonflikt bringt.
Neben der psychischen Belastung dann auch noch die körperliche Belastung...
da ist es naheliegend, dass Du früher oder später wieder ein "BurnOut" bekommst.
Dann nur einen einzigen Tag frei- nach gerademal 14 Tagen Dauereinsatz...
fordert sicherlich zusätzlich seinen Dribut.
Eigentlich ist die Gesundheit des Menschen das höchste Gut-
aber ich weiss, dass man ab und an einfach nicht über seinen Schatten springen kann.
Doch irgendwann droht die Gefahr, dass Dein Körper streikt...
und dann....???
Ich weiss es nicht...
Vielleicht schaust du Dich wirklich nach einer anderen Stelle um.
Könnte besser sein.
Im Pflegebereich bekommst Du sicherlich schnell wieder eine Anstellung.
Alles Gute,
lg. Sissy