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Medizinstudium abbrechen

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Ich würde ja Geisteswissenschaften nicht einfach so ohne alles studieren. Entweder auf Lehramt oder - falls ich denke, dass Lehramt doch nichts ist - in Kombination mit Wirtschaft. Bei Letzterem mache ich mir nur Sorgen, inwiefern ein abgebrochenes Medizinstudium im Lebenslauf Türen verschließt.
 
Hallo Medizinstudentin,

also zunächst einmal, ich finde deine Situation sehr anschaulich beschrieben und sehr gut nachvollziehbar.

Als Erstes solltest du, denke ich, den Druck rausnehmen. Du bist noch jung, du bist offensichtlich sehr (leistungs)fähig, und dir stehen alle Wege noch offen. Du darfst dir jetzt nur nicht diese Leistungsfähigkeit und Zukunftsoptionen verbauen, indem du dich in eine psychische Krankheit o.ä. manövrierst. Mach dir klar: Alles, was du schaffen musst, ist, irgendwas zu Ende zu bringen, das einigermaßen gefragt ist. Auf ein paar Jahre früher oder später kommt es nicht an. Orientierungsschwierigkeiten haben viele, das ist nichts besonderes. Wenn du keine BU-Versicherung hast, würde ich die abschließen, denn das ist das Wichtigste, um abgesichert zu sein.

Du bist in diese Situation gekommen, weil du einen Fehler gemacht hast. Es gilt, diesen zu analysieren, um nicht wieder Fehler zu machen. (Nicht dass es katastrophal wäre, wenn du nochmal einen falschen Weg gingest und dich nochmal neu orientieren müsstest. Aber es muss ja nicht sein.) Ich sehe zwei Fehler: erstens, dich zu sehr von deiner Familie beeinflussen gelassen zu haben (deine Familie hat natürlich auch einen Fehler begangen), zweitens, dich nicht ausreichend informiert und das gesucht zu haben, das wirklich zu dir passt.

Ich muss an dieser Stelle wohl dazu sagen, dass in meiner Familie fast alle (Zahn)Arzt oder Lehrer sind, d.h. keiner aus meinem engeren Verwandtschaftskreis hat je in der freien Wirtschaft gearbeitet oder etwas studiert, das nicht auf ein konkretes Berufsbild zusteuert. Außerdem ist das Familienhaus in dieser Hinsicht recht konservativ, auf Bachelor- und Masterstudiengänge wird dementsprechend ein wenig von oben herabgeblickt, da ja alle Staatsexamina geschrieben haben, die ja so viel höherwertiger seien.

Da ist ein gewisser Dünkel erkennbar, was gerade bei diesen Berufsgruppen nicht unüblich macht. Lehrer haben immer recht und Ärzte haben immer die Deutungshoheit - was nicht selten dazu führt, dass diese Menschen rechthaberisch und besserwisserisch werden (Lehrer) oder einen schlechten Job machen (Ärzte, die ihre Patienten nicht ernst nehmen und deshalb falsche Diagnosen vergeben). Ehrlich, ich sehe gar nicht, was an diesen Berufen so toll sein soll. Sich mit den Blagen aller möglichen Leute abmühen oder ständig mit dem Leid Anderer zu tun haben. Ein sicheres Einkommen, klar, aber man ist so festgelegt und hat auch meistens keine großen Entwicklungsmöglichkeiten. Und es sind keine Berufe, bei denen man etwas aufbaut, sondern immer etwas "abfertigt". Und es sind Berufe, bei denen man viel mit Menschen zu tun hat. Das muss einem auch liegen, sonst bringt es doch nichts.

Ich habe zuerst auch daran gedacht, dass du irgendetwas tun solltest, wo du die erworbenen Kenntnisse irgendwie verwerten kannst, sei es bei sofortigem Wechsel oder nach Beendigung des Medizinstudiums. Gedacht habe ich an z.B.
- Gesundheitsökonomin
- was beim Internationalen Roten Kreuz oder Hilfsorganisationen (z.B. Ärzte ohne Grenzen), weil dort dein Interesse an
- Journalistin über Gesundheits- und Medizin-Themen
aber da du mit dem ganzen Bereich so gar nichts anfangen kannst und dich nicht mal das Gesundheitswesen interessiert, denke ich, dass es besser wäre, abzubrechen und die drei Jahre abzuschreiben.

Brich ab wenn du willst, aber ersetze es durch was Bodenständiges.

Das sehe ich auch so. Und würde ergänzen: Aber mach dich diesmal ausführlich schlau über alle möglichen Optionen. Leg ruhig mal ein Orientierungsjahr ein. Wenn nicht Corona wäre, würde ich sagen: Reise um die Welt und mach in verschiedenen Bereichen Praktika. Und nabel dich von deinen Eltern ab. Red mit ihnen darüber, wo du stehst und was schief gelaufen ist, aber betrachte ihre Meinungen auch mal kritisch und vergleiche sie mit Gegenmeinungen.

Ich finde, wenn man politisch interessiert ist, Wirtschaft gar nicht so unspannend. Das ist in der Praxis gefragt, man lernt aber auch viel über die Gesellschaft. In manchen Studiengängen sind Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ziemlich eng verzahnt, z.B. in Trier. Kulturwirtschaft würde ich nicht nehmen, aber Interkulturelles Management vielleicht schon.

Oder, wenn du unbedingt einen Brotberuf haben willst, wie ist es mit Jura? Allerdings war Jura immer schon ein Fach, in dem viele gescheitert sind, oft auch erst gegen Ende.

Ich wünsch dir eine gute Entscheidung und eine Einstellung mehr nach dem Motto "Ich muss gar nix, und ich such mir jetzt was, das mir Spaß macht UND mir Sicherheit gibt" als nach dem Motto "Oh je, ich muss irgendwas (schnell) finden und ich weiß nicht, was ich tun soll". Denke größer, denke breiter, trau dir mehr zu, sei bereit zu großen Schritten (ganz was Neues machen, ein Jahr lang aussteigen, sich gegen die Eltern stellen).

Edit:

Es kommt für jeden der Augenblick der Wahl und der Entscheidung: Ob er sein eigenes Leben führen will, ein höchst persönliches Leben in tiefster Fülle, oder ob er sich zu jenem falschen, seichten, erniedrigenden Dasein entschließen soll, das die Heuchelei der Welt von ihm begehrt.
- Oscar Wilde
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit 21 bist du noch jung genug, um das Medizinstudium abzubrechen. Allerdings solltest du dir möglichst sicher sein, dass du das nächste Studium dann auch durchziehst. Lehramt ist intellektuell garantiert einfacher. Aber intellektuell ist ja auch Medizin gar kein Problem für dich. Nur in der Praxis als Lehrerin hast du als zurückhaltender Mensch dann Schwierigkeiten, mit einer Klasse und mit querulatorischen Eltern klarzukommen (übrigens einer der Gründe, weshalb ich nicht selbst auf Lehramt studiert habe). Es gibt Lehrer, die das in den Burnout treibt. Stell' dir das nicht zu wildromantisch vor. Auch verdient man als Lehrer nicht so gut. Ein Karriereberuf ist es normalerweise jedenfalls nicht. Am Gymnasium gehen die meisten mit A 14 oder A 15 in den Ruhestand. An der Grundschule ist ein Lehrer nur in Besoldungsgruppe A 12 (entsprechend gehobener Dienst). Aber wenn dir Geld nicht so wichtig ist, ist das ja nachrangig.

Ins Auswärtige Amt kommt kaum jemand. Selbst Spitzenjuristen müssen eine derart breit gefächerte Allgemeinbildung vorweisen, dass es kaum jemand, der nicht aus dem Adel oder Großbürgertum kommt, wirklich ins AA schafft. Daher ist es aus meiner Sicht keine sehr realistische Option .

Wie wäre es mit einem Jurastudium? Dazu ist es auch wichtig, sich für Politik zu interessieren. Auch Fremdsprachenkenntnisse und Auslandsaufenthalte sollte man heute mitbringen. Allerdings kann ich dir aus eigener Erfahrung versichern, dass die Scheine im Jurastudium zwar noch recht leicht zu schaffen, die juristischen Staatsexamina aber sehr schwer sind und das Notenniveau nicht ansatzweise mit dem eines Medizinstudiums vergleichbar ist. Es fallen auch sehr viel mehr Leute durch die Examina. Gute Karrierechancen hat man auch nur mit Prädikatsexamina (Vollbefriedigend und besser). Das aber nur sehr wenige, denn "Vollbefriedigend" ist keineswegs eine "3 +" wie in der Schule, sondern mehr wert, als ob du dort ausschließlich Einsen schreiben würdest. Ich kenne diverse Einserabiturienten, die ihre beiden juristischen Staatsexamina nur mit Ausreichend oder Befriedigend bestanden haben. Mit 2 x Befriedigend gehörst du übrigens schon zum oberen Drittel.

Natürlich könntest du auch Politikwissenschaften studieren und versuchen, später bei einer Verfassungsschutzbehörde oder in einem Ministerium unterzukommen. Oder in der Bundes- oder Landtagsverwaltung.

Andere Alternative wäre, das Medizinstudium durchzuziehen, damit du wenigstens schon mal einen Abschluss hast, und dich dann beruflich umzuorientieren. Das macht grundsätzlich auch bei Bewerbungen einen besseren Eindruck. Bei einem Abbruch könnte es so aussehen, als ob du nichts zu Ende führst. Allerdings umso mehr, je älter du dann bist. Mit 21 wird dir ein Abbruch noch nicht zum Nachteil gereichen - nur, wie gesagt: Du solltest dann aber wirklich wissen, was du willst, und den nächsten Studiengang möglichst auch abschließen.

Dass man sich nicht ausreichend über ein Studium informiert, geht vielen so. Mir ist es auch so ergangen. Ich bin die erste Gymnasiastin und Abiturientin in der Verwandtschaft weit und breit, mich konnte niemand auch nur ansatzweise beraten. Meine Eltern hatten lediglich Volksschulbildung. Aufgrund von Erziehungsfehlern und insgesamt denkbar ungünstigen Rahmenbedingungen in meiner Herkunftsfamilie war ich früher auch extrem schüchtern und bin bis heute eher zurückhaltend und introvertiert. Außenstehende mit höherer Bildung helfen einem nicht, die denken nur an ihre eigenen Blagen. Auch dann, wenn man selbst oder seine Eltern dumm genug waren, solchen Leuten in anderer Weise Gefälligkeiten zu erweisen (meine Eltern waren leider so blöd, sich ausnutzen zu lassen, und haben mich auch noch so erzogen). Sog. Freunde aus besserem Elternhaus geben einem auch keine Tipps, sondern hüten ihr Wissen und ihre Kontakte wie ihren Augapfel. Früher war es für Bildungsaufsteiger auch noch schwieriger, da es kein Internet gab und die Schulen bei weitem nicht die Informationsmöglichkeiten anboten , wie es heute der Fall ist. Ich habe 1982 erst ein Psychologiestudium angefangen, aber nach einem Semester zu Jura gewechselt. Und selbst da hätte ich mich noch mehr informieren müssen, würde ich heute sagen. Gott sei Dank ist es trotzdem gutgegangen, aber die Riesenkarriere habe ich als Juristin auch nicht gemacht. Ich bin 57 und werde in ein paar Jahren mit A 16 in den Ruhestand gehen (bin in einer großen und auch angesehenen Behörde tätig). Aber wenigstens bin ich finanziell abgesichert.

Überlege, wie wichtig Geld, Sicherheit und Ansehen dir sind, und entscheide dich dann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie hast du dich entschieden?
Weiss man nicht - vielleicht kommt sie noch mal darauf zurück.

Anlässlich des Fadens habe ich mir gerade Gedanken gemacht, welche von meinen Lehrern und Ausbildern ich geschätzt, welche ich allerdings auch nicht "für voll" genommen habe.
Schreibt man sich deren Eigenschaften auf, dazu wie sie angekommen sind und ordnet man sich selber einer dieser Personen zu, so könnte das Ergebnis voraussehbar sein.


>Da war der Schulleiter. 1,80, um 50, Halbglatze Brille, grauer lässiger Anzug.
Sollte man es je gewagt haben, ihm entgegen zu treten, so hatte er eine derart zielgenaue scharfe Antwort parat, dass man nur noch unter den Tisch kriechen konnte. Ausgelacht wurde man dafür nicht - er hätte sich sofort den nächsten vorgenommen. Mit einer deratigen Autorität ausgestattet bis ich in Geschichte von 5 sofort auf 3 gestiegen. Ich hätte mich nie getraut schlechter zu sein.
>Da war sein Stellvertreter , ähnliches Format. Mathe und Bio. Gestört hat, dass ihm öfter die brille runter gefallen ist und er auf den Overheadproktor gespuckt hat und man die Pünktchen an der Wand sehen konnte. Fiat 500, den die Schüler man spaßeshalber quer in die Lücke gestellt haben.
>Da war die Englisch/ Geschichtslehrerin mit den zwei Perücken, die eine muttersprachliche Englisch-Aussprache hatte. Klang fremd. Und die Schminke saß nicht wirklich. Hassfigur.
> Da war die Musik-Lehrerin. Bisschen klein, bisschen schuppig, bisschen inkonsequent, bisschen unwichtig.
>Da war der Klassenlehrer, irgendwas Anfang 30, gut 1,85, braune Augen, mitteltiefe Stimme, ständig gut gelaunt, immer verfügbar, mindestens in der Pause von über 10 Schülern umgeben, die er am Rockzipfel hinter sich her zog. Ein Liebling gleich mehrerer Klassen - unglaublich .Für den hätte man alles gelernt ,und er hat uns als Klasse privat zu sich an den Rhein zum Grillen und danach nach hause eingeladen. Seine Witwe hat ihn noch heute mit im Telefonbuch stehen: er ist leider seit 43 Jahren tot, der Kontakt zu ihr besteht noch.
>(...)
 
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