M
medstudent
Gast
Hallo zusammen,
ich bin 21 Jahre alt und studiere im 6. Semester, also seit 3 Jahren, Medizin. Ich bin in Regelstudienzeit, habe bis jetzt jede einzelne Prüfung sowie das Physikum nach dem 4. Semester im Erstversuch bestanden, insgesamt einen 2er-Schnitt und eine Promotionsstelle in Aussicht. Aus akademischer Sicht ist also alles nahezu perfekt.
Und trotz all dem bin ich mittlerweile so unglücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben, die Gründe dafür sind mir eigentlich bekannt und dennoch habe ich das Bedürfnis, mir anonym im Internet alles von der Seele zu schreiben. Es wird ein längerer Text. Ich verstehe es vollkommen, wenn sich niemand diese vielen Zeilen antun will. Ich wäre trotzdem sehr dankbar für jeden, der alles bis zum Ende durchliest und antwortet.
Ich habe das Medizinstudium aus den völlig falschen Gründen begonnen. Meine Interessen lagen nie im medizinischen oder naturwissenschaftlichen Bereich, auch wenn ich in der Schule in den MINT-Fächern ganz gut war. Meine Interessen, Begabungen und Schwerpunkte lagen zu Schulzeiten eindeutig im geisteswissenschaftlichen Bereich, das bedeutet konkret, dass ich in den Fremdsprachen, inklusive Latein, sowie in Geschichte und Sozialkunde ausschließlich Topnoten geschrieben habe und mit Begeisterung und intrinischer Motivation für diese Fächer gelernt habe. Allerdings habe ich mir zu Schulzeiten nie ausführlich Gedanken über die Berufswahl gemacht, das war mein erster Fehler.
Aufgrund eines sehr guten Abischnitts und viel Zuredens meines familiären Umfelds, habe ich mich dann auf gut Glück für Medizin beworben und einen Studienplatz bekommen und angenommen, wieder vor allem auf Grund des indirekten Drucks von außen à la "einen Medizinstudienplatz bekommt nicht jeder, nutze diese Chance unbedingt etc..." Ich muss an dieser Stelle wohl dazu sagen, dass in meiner Familie fast alle (Zahn)Arzt oder Lehrer sind, d.h. keiner aus meinem engeren Verwandtschaftskreis hat je in der freien Wirtschaft gearbeitet oder etwas studiert, das nicht auf ein konkretes Berufsbild zusteuert. Außerdem ist das Familienhaus in dieser Hinsicht recht konservativ, auf Bachelor- und Masterstudiengänge wird dementsprechend ein wenig von oben herabgeblickt, da ja alle Staatsexamina geschrieben haben, die ja so viel höherwertiger seien. Dementsprechend wurde auch mein früheres Interesse für den Studiengang "Kulturwirtschaft" in Passau klein geredet, damit würde man ja keinen Job finden und wenn, dann nur schlecht bezahlt und als Frau wären in der Wirtschaft die Chancen auf eine langfristige, gut bezahlte Stelle sowieso katastrophal. Gefühlt blieb deswegen nur noch Medizin. Jobgarantie nach dem Studium, selbst mit weniger guten Noten, gutes Gehalt - auch als Frau - mit angeblich so vielen Möglichkeiten. Leider, und das sehe ich jetzt immer deutlicher, kann ich mir nicht vorstellen, ärztlich tätig zu sein, im Krankenhaus schon gar nicht. Auch die vielen Möglichkeiten, die sich nach einem abgeschlossenen Medizinstudium bieten, sehe ich so nicht. Pharmaindustrie, Forschung, Arbeit bei Krankenkassen... auch das motiviert mich nicht sonderlich und ich persönlich bin sehr stark am zweifeln, ob es eine gute Idee ist, 6 Jahre lang Medizin zu studieren, wenn man dem Arztberuf nicht viel abgewinnen kann. Meine Familie ist natürlich der Ansicht, ich solle durchziehen, man müsse mit einem Medizinstudium ja nicht Arzt werden, man hätte ja alle Möglichkeiten. Wie gesagt, daran zweifle ich sehr stark.
Ich hatte mir Lehramt überlegt - für geisteswissenschaftliche Fächer - da ich aber ein sehr ruhiger, introvertierter und schüchterner Mensch bin, und ich direkt nach der Schule nicht schon wieder an Schule denken wollte, habe ich mich nicht getraut, das, was mich wirklich interessiert auf Lehramt zu studieren, zumal mit geisteswissenschaftlichen Fächern die Einstellungschanchen bzw. die Chancen auf eine Planstelle doch eher gering sind. Desweiteren hatte ich an eine Karriere an der Universität gedacht - allerdings schwer planbar und ob man das Ziel einer Professur letztendlich erreicht mehr als ungewiss.
Mein Traumjob war damals und wäre noch immer der diplomatische Dienst im Auswärtigen Amt, da dort alles zusammenkommt, was mich interessiert, also Sprachen, Politik, internationale Zusammenarbeit. Auch so eine Karriere ist kaum planbar, man sollte durchaus einen Plan B zur Hand haben, falls man nicht durch das Auswahlverfahren kommt. Theoretisch kann man sich mit jedem absolvierten Studiengang - sofern auf Masterniveau oder vergleichbar - beim AA bewerben, aber ich habe mir die Lebensläufe der diesjährigen Anwärter und der vom letzten Jahr durchgesehen und musste feststellen: keiner von denen hat Medizin studiert. Ich denke auch nicht, dass man mit Medizin besonders gute Chancen im Auswahlverfahren hat. Geprüft werden dort im schriftlichen Teil nämlich neben Fremdsprachen und Allgemeinbildung auch Wirtschaft, Recht und Politik, also Themenbereiche, die im Medizinstudium nicht einmal angerissen wurden. Klar, man kann sich viel dazu anlesen, es gibt Literaturempfehlungen, aber ich habe das Gefühl, mich mit Medizin für ein Studium entschieden zu haben, das meine Chancen für derartige Laufbahnen so gering wie nur möglich gestaltet.
Eigentlich wollte ich das Medizinstudium nach dem Physikum beenden, um wenigstens nicht ganz ohne alles dazustehen, auch wenn man mit dem Physikum alleine absolut nichts anfangen kann. Das Umfeld meinte, in der Klinik wird alles viel besser, schau dir wenigstens noch ein oder zwei klinische Semester an. Tja, hier bin ich nun also. Ich habe jetzt das 2. klinische Semester hinter mich gebracht und es hat sich nicht viel geändert. Ich interessiere mich schlicht und ergreifend kaum für die Studieninhalte. Schwer zu lernen sind sie nicht, aber es fehlt seit dem 1. Semester die Begeisterung, die Leidenschaft fürs Fach. Ich war heilfroh, dass durch Corona sämtliche Untersuchungskurse am Patienten ausgefallen sind. Mir graut es vor den Famulaturen im Krankenhaus, noch viel mehr Angst habe ich vor dem PJ. Ich sehe mich nicht als Arzt. Ich möchte nicht mit überwiegend alten und kranken Menschen arbeiten, sondern am liebsten mit gesunden Erwachsenen. Der Aufbau des menschlichen Körpers und die Pathogenese von Krankheiten ist für mich "nice to know", aber tiefgehendes Interesse besteht einfach nicht. Das meiste vergesse ich gefühlt nach den Prüfungen wieder, da mich die Inhalte wie schon oft erwähnt nicht begeistern und zumeist sowieso kaum Zeit bleibt, sich vertieft mit einem Gebiet auseinanderzusetzen. Dazu kommt, dass das Studium kaum Möglichkeiten bietet, über den Tellerrand zu blicken und sich über das Studienfach hinaus weiter zu bilden. Aufgrund des straffen Stundenplans an meiner Universität bleibt kaum Zeit für außeruniversitäre Aktivitäten, wie z.B. soziales Engagement. Aus Panik, meine sehr guten Fremdsprachenkenntnisse zu verlieren, habe ich mir fast jedes Semester Fremdsprachenkurse in den strikt vorgegeben Stundenplan gequetscht, hatte dadurch mehr Stress als die meisten anderen und das Niveau sinkt trotzdem ab, da das Hauptaugenmerk ja auf dem Studium liegen sollte.
Kurzum: Seit dem 4. Semester bin ich wirklich verzweifelt. Ich frage mich jeden Tag, was ich an der medizinischen Fakultät zu suchen habe, hatte ab dem 5. Semester fast täglich einen Weinkrampf, weil ich mich so fehl am Platz fühle, weil ich das Gefühl habe, komplett an meinen Interessen und Begabungen vorbei zu studieren. Am liebsten würde ich mich sofort exmatrikulieren, allerdings weiß ich nicht, was ich dann machen soll. In der - dank Corona verlängerten - vorlesungsfreien Zeit werde ich ein Orientierungspraktikum an einem Gymnasium machen, um herauszufinden, ob Lehramt nicht doch zu mir passen könnte. Allerdings steht und fällt dieses Praktikum mit Corona und ich möchte nicht einfach beginnen, auf Lehramt zu studieren, ohne davor ein Praktikum gemacht zu haben, sonst gehe ich genauso planlos ins Studium, wie das mit Medizin der Fall war.
Ich weiß nicht mehr weiter. Ich stecke gedanklich in einer Sackgasse, ich will eigentlich nur noch raus aus dem Studium, dann kommt der Gedanke, 3 Jahre komplett in den Sand gesetzt zu haben und bei Null anfangen zu müssen und es geht mir noch schlechter.
Durch die ganzen Zweifel weiß ich mittlerweile überhaupt nicht mehr, was ich eigentlich im Leben erreichen will: An manchen Tagen denke ich, dass ich mit einem Lehrberuf für den Rest meines beruflichen Lebens völlig zufrieden wäre, an anderen denke an Dinge wie das Auswärtige Amt. Ihr könnt mich gerne für einen Traumtänzer halten, vermutlich bin ich das auch. Rückblickend hätte mir wohl eine Pause nach dem Abitur gut getan, die ich für Praktika in verschiedenen Berufsfeldern hätte nutzen sollen. Der Blick zurück hilft allerdings auch nicht weiter.
Ich habe mich vor allem aus rationalen Gründen für Medizin entschieden: gutes Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit. Unabhängig von der Wirtschaft ist man als Arzt auch, das zeigt sich ja auch jetzt in der Corona-Krise. Aber komplett an den Interessen vorbeizustudieren um der Sicherheit willen kann aber doch auch nicht richtig sein, oder? Ich bekomme die Kehrseiten gerade deutlich zu spüren. Ich bin nur noch traurig und unsicher, jedes Selbstbewusstsein, das ich gerade zu Abiturzeiten noch hatte, ist verschwunden. Und ich sehe meine Freunde, die zum Teil die "brotlosesten" Dinge studieren, also Studiengänge gewählt haben, die nicht direkt mit einem bestimmten Beruf verbunden sind und am Arbeitsmarkt auch nicht allzu gefragt sind, aber die sind alle zufrieden und glücklich mit ihrer Entscheidung. Und auch ich interessiere mich ja für die vermeintlich "brotlosen" Sachen wie Geschichte und Sprachen usw...
Ich wäre so froh, wenn jemand hier eventuell Rat weiß oder Anregungen hat, einfach, um einmal Meinungen außerhalb der Familien- und Freundesblase zu hören.
ich bin 21 Jahre alt und studiere im 6. Semester, also seit 3 Jahren, Medizin. Ich bin in Regelstudienzeit, habe bis jetzt jede einzelne Prüfung sowie das Physikum nach dem 4. Semester im Erstversuch bestanden, insgesamt einen 2er-Schnitt und eine Promotionsstelle in Aussicht. Aus akademischer Sicht ist also alles nahezu perfekt.
Und trotz all dem bin ich mittlerweile so unglücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben, die Gründe dafür sind mir eigentlich bekannt und dennoch habe ich das Bedürfnis, mir anonym im Internet alles von der Seele zu schreiben. Es wird ein längerer Text. Ich verstehe es vollkommen, wenn sich niemand diese vielen Zeilen antun will. Ich wäre trotzdem sehr dankbar für jeden, der alles bis zum Ende durchliest und antwortet.
Ich habe das Medizinstudium aus den völlig falschen Gründen begonnen. Meine Interessen lagen nie im medizinischen oder naturwissenschaftlichen Bereich, auch wenn ich in der Schule in den MINT-Fächern ganz gut war. Meine Interessen, Begabungen und Schwerpunkte lagen zu Schulzeiten eindeutig im geisteswissenschaftlichen Bereich, das bedeutet konkret, dass ich in den Fremdsprachen, inklusive Latein, sowie in Geschichte und Sozialkunde ausschließlich Topnoten geschrieben habe und mit Begeisterung und intrinischer Motivation für diese Fächer gelernt habe. Allerdings habe ich mir zu Schulzeiten nie ausführlich Gedanken über die Berufswahl gemacht, das war mein erster Fehler.
Aufgrund eines sehr guten Abischnitts und viel Zuredens meines familiären Umfelds, habe ich mich dann auf gut Glück für Medizin beworben und einen Studienplatz bekommen und angenommen, wieder vor allem auf Grund des indirekten Drucks von außen à la "einen Medizinstudienplatz bekommt nicht jeder, nutze diese Chance unbedingt etc..." Ich muss an dieser Stelle wohl dazu sagen, dass in meiner Familie fast alle (Zahn)Arzt oder Lehrer sind, d.h. keiner aus meinem engeren Verwandtschaftskreis hat je in der freien Wirtschaft gearbeitet oder etwas studiert, das nicht auf ein konkretes Berufsbild zusteuert. Außerdem ist das Familienhaus in dieser Hinsicht recht konservativ, auf Bachelor- und Masterstudiengänge wird dementsprechend ein wenig von oben herabgeblickt, da ja alle Staatsexamina geschrieben haben, die ja so viel höherwertiger seien. Dementsprechend wurde auch mein früheres Interesse für den Studiengang "Kulturwirtschaft" in Passau klein geredet, damit würde man ja keinen Job finden und wenn, dann nur schlecht bezahlt und als Frau wären in der Wirtschaft die Chancen auf eine langfristige, gut bezahlte Stelle sowieso katastrophal. Gefühlt blieb deswegen nur noch Medizin. Jobgarantie nach dem Studium, selbst mit weniger guten Noten, gutes Gehalt - auch als Frau - mit angeblich so vielen Möglichkeiten. Leider, und das sehe ich jetzt immer deutlicher, kann ich mir nicht vorstellen, ärztlich tätig zu sein, im Krankenhaus schon gar nicht. Auch die vielen Möglichkeiten, die sich nach einem abgeschlossenen Medizinstudium bieten, sehe ich so nicht. Pharmaindustrie, Forschung, Arbeit bei Krankenkassen... auch das motiviert mich nicht sonderlich und ich persönlich bin sehr stark am zweifeln, ob es eine gute Idee ist, 6 Jahre lang Medizin zu studieren, wenn man dem Arztberuf nicht viel abgewinnen kann. Meine Familie ist natürlich der Ansicht, ich solle durchziehen, man müsse mit einem Medizinstudium ja nicht Arzt werden, man hätte ja alle Möglichkeiten. Wie gesagt, daran zweifle ich sehr stark.
Ich hatte mir Lehramt überlegt - für geisteswissenschaftliche Fächer - da ich aber ein sehr ruhiger, introvertierter und schüchterner Mensch bin, und ich direkt nach der Schule nicht schon wieder an Schule denken wollte, habe ich mich nicht getraut, das, was mich wirklich interessiert auf Lehramt zu studieren, zumal mit geisteswissenschaftlichen Fächern die Einstellungschanchen bzw. die Chancen auf eine Planstelle doch eher gering sind. Desweiteren hatte ich an eine Karriere an der Universität gedacht - allerdings schwer planbar und ob man das Ziel einer Professur letztendlich erreicht mehr als ungewiss.
Mein Traumjob war damals und wäre noch immer der diplomatische Dienst im Auswärtigen Amt, da dort alles zusammenkommt, was mich interessiert, also Sprachen, Politik, internationale Zusammenarbeit. Auch so eine Karriere ist kaum planbar, man sollte durchaus einen Plan B zur Hand haben, falls man nicht durch das Auswahlverfahren kommt. Theoretisch kann man sich mit jedem absolvierten Studiengang - sofern auf Masterniveau oder vergleichbar - beim AA bewerben, aber ich habe mir die Lebensläufe der diesjährigen Anwärter und der vom letzten Jahr durchgesehen und musste feststellen: keiner von denen hat Medizin studiert. Ich denke auch nicht, dass man mit Medizin besonders gute Chancen im Auswahlverfahren hat. Geprüft werden dort im schriftlichen Teil nämlich neben Fremdsprachen und Allgemeinbildung auch Wirtschaft, Recht und Politik, also Themenbereiche, die im Medizinstudium nicht einmal angerissen wurden. Klar, man kann sich viel dazu anlesen, es gibt Literaturempfehlungen, aber ich habe das Gefühl, mich mit Medizin für ein Studium entschieden zu haben, das meine Chancen für derartige Laufbahnen so gering wie nur möglich gestaltet.
Eigentlich wollte ich das Medizinstudium nach dem Physikum beenden, um wenigstens nicht ganz ohne alles dazustehen, auch wenn man mit dem Physikum alleine absolut nichts anfangen kann. Das Umfeld meinte, in der Klinik wird alles viel besser, schau dir wenigstens noch ein oder zwei klinische Semester an. Tja, hier bin ich nun also. Ich habe jetzt das 2. klinische Semester hinter mich gebracht und es hat sich nicht viel geändert. Ich interessiere mich schlicht und ergreifend kaum für die Studieninhalte. Schwer zu lernen sind sie nicht, aber es fehlt seit dem 1. Semester die Begeisterung, die Leidenschaft fürs Fach. Ich war heilfroh, dass durch Corona sämtliche Untersuchungskurse am Patienten ausgefallen sind. Mir graut es vor den Famulaturen im Krankenhaus, noch viel mehr Angst habe ich vor dem PJ. Ich sehe mich nicht als Arzt. Ich möchte nicht mit überwiegend alten und kranken Menschen arbeiten, sondern am liebsten mit gesunden Erwachsenen. Der Aufbau des menschlichen Körpers und die Pathogenese von Krankheiten ist für mich "nice to know", aber tiefgehendes Interesse besteht einfach nicht. Das meiste vergesse ich gefühlt nach den Prüfungen wieder, da mich die Inhalte wie schon oft erwähnt nicht begeistern und zumeist sowieso kaum Zeit bleibt, sich vertieft mit einem Gebiet auseinanderzusetzen. Dazu kommt, dass das Studium kaum Möglichkeiten bietet, über den Tellerrand zu blicken und sich über das Studienfach hinaus weiter zu bilden. Aufgrund des straffen Stundenplans an meiner Universität bleibt kaum Zeit für außeruniversitäre Aktivitäten, wie z.B. soziales Engagement. Aus Panik, meine sehr guten Fremdsprachenkenntnisse zu verlieren, habe ich mir fast jedes Semester Fremdsprachenkurse in den strikt vorgegeben Stundenplan gequetscht, hatte dadurch mehr Stress als die meisten anderen und das Niveau sinkt trotzdem ab, da das Hauptaugenmerk ja auf dem Studium liegen sollte.
Kurzum: Seit dem 4. Semester bin ich wirklich verzweifelt. Ich frage mich jeden Tag, was ich an der medizinischen Fakultät zu suchen habe, hatte ab dem 5. Semester fast täglich einen Weinkrampf, weil ich mich so fehl am Platz fühle, weil ich das Gefühl habe, komplett an meinen Interessen und Begabungen vorbei zu studieren. Am liebsten würde ich mich sofort exmatrikulieren, allerdings weiß ich nicht, was ich dann machen soll. In der - dank Corona verlängerten - vorlesungsfreien Zeit werde ich ein Orientierungspraktikum an einem Gymnasium machen, um herauszufinden, ob Lehramt nicht doch zu mir passen könnte. Allerdings steht und fällt dieses Praktikum mit Corona und ich möchte nicht einfach beginnen, auf Lehramt zu studieren, ohne davor ein Praktikum gemacht zu haben, sonst gehe ich genauso planlos ins Studium, wie das mit Medizin der Fall war.
Ich weiß nicht mehr weiter. Ich stecke gedanklich in einer Sackgasse, ich will eigentlich nur noch raus aus dem Studium, dann kommt der Gedanke, 3 Jahre komplett in den Sand gesetzt zu haben und bei Null anfangen zu müssen und es geht mir noch schlechter.
Durch die ganzen Zweifel weiß ich mittlerweile überhaupt nicht mehr, was ich eigentlich im Leben erreichen will: An manchen Tagen denke ich, dass ich mit einem Lehrberuf für den Rest meines beruflichen Lebens völlig zufrieden wäre, an anderen denke an Dinge wie das Auswärtige Amt. Ihr könnt mich gerne für einen Traumtänzer halten, vermutlich bin ich das auch. Rückblickend hätte mir wohl eine Pause nach dem Abitur gut getan, die ich für Praktika in verschiedenen Berufsfeldern hätte nutzen sollen. Der Blick zurück hilft allerdings auch nicht weiter.
Ich habe mich vor allem aus rationalen Gründen für Medizin entschieden: gutes Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit. Unabhängig von der Wirtschaft ist man als Arzt auch, das zeigt sich ja auch jetzt in der Corona-Krise. Aber komplett an den Interessen vorbeizustudieren um der Sicherheit willen kann aber doch auch nicht richtig sein, oder? Ich bekomme die Kehrseiten gerade deutlich zu spüren. Ich bin nur noch traurig und unsicher, jedes Selbstbewusstsein, das ich gerade zu Abiturzeiten noch hatte, ist verschwunden. Und ich sehe meine Freunde, die zum Teil die "brotlosesten" Dinge studieren, also Studiengänge gewählt haben, die nicht direkt mit einem bestimmten Beruf verbunden sind und am Arbeitsmarkt auch nicht allzu gefragt sind, aber die sind alle zufrieden und glücklich mit ihrer Entscheidung. Und auch ich interessiere mich ja für die vermeintlich "brotlosen" Sachen wie Geschichte und Sprachen usw...
Ich wäre so froh, wenn jemand hier eventuell Rat weiß oder Anregungen hat, einfach, um einmal Meinungen außerhalb der Familien- und Freundesblase zu hören.