Ich vermute mal, du hast dich in ihn verliebt. Das ist therapeutisch für eine Behandlung, in der es wie bei dir, ganz offensichtlich ums Überleben ging, gar nicht von Nachteil. Im Gegenteil. Wenn du sagst, er war dein behandelnder Oberarzt, hast du ihn vermutlich nur ein bis zweimal pro Woche für ein paar Minuten in der Visite gesehen, nicht wahr? Nun, ich denke mal, dass gerade in Psychiatrien, insbesondere den geschlossenen Stationen, die wenigsten Patienten positive Gefühle für ihre 'Betreuer' entwickeln. Die wenigsten Patienten werden sich dort wohlfühlen, geschweige denn, bereit dazu sein, mitzuarbeiten. Es ist nicht umsonst eine geschlossene Station, da kommen nur Schwerstfälle hin. Dementsprechend könnte ich mir vorstellen, denn Ärzte und Krankenpfleger sind auch nur Menschen, lechzte man bei dir nach der Wertschätzung, die sie sonst nicht allzu häufig durch ihre Patienten erhalten. Und natürlich freut es deinen Behandler, wenn er sieht wie du aus dem tiefsten Loch wieder herausfindest und die Compliance da ist, wo man sie bei anderen Patienten in der Regel nicht findet. Ich spreche es dir nicht ab, dass er dich sympathisch, wenn nicht sogar mehr als sympathisch findet. Er ist schließlich auch nur ein Mensch. Und kein Roboter. Gerade, wenn man gemeinsam im Team eine solche Wendung eines Patienten erlebt, der vorher gegen jedweile Behandlung agierte, freut man sich natürlich umso mehr. Da ich selbst aus dem Feld komme, kann ich dir versichern, dass es tatsächlich sogenannte Lieblingspatienten, gerade im psychiatrischen Bereich, gibt. Da vertraut man sich intimste Dinge an.
Dennoch wird er professionell bleiben müssen.