AW: wie sollen Christen eurer Meinung nach sein?
Bist Du aber frei von den Begriffen , weil Du ewig bist , der Zeit nicht mehr unterliegst , die Endlichkeit vorbei ist , dann bist Du wirklich frei ....und zwar von alledem .....
Das erlebe ich anders. Es ist schwierig, dein Beitrag ist so vielfältig, daß ich mich nur auf diesen Aspekt konzentriere für den Moment, sonst tippe ich übermorgen noch
😀
Frei werden - das will man, wenn man sich belastet und eingeengt fühlt. Das kenne ich, kennt wohl jeder tagtäglich und auf vielfältige Weise. Es gibt verschiedene Wege, zur "Freiheit" zu streben. Einer davon ist, die eigenen Begrenzungen zu erkennen, nicht? Die im Denken, die im Fühlen.
Ich versuche mal, Gott, Jesus, den Heiligen Geist und die Botschaften der Bibel als bildhaftes Konstrukt so darzustellen, wie ich es verstehe - dabei ist mir bewußt, daß du das möglicherweise als gotteslästerlich empfinden wirst, weil du wiederholt betont hast, daß über allem der Glaube an Gott, den Vater, zu stehen habe.
Gott - das übergeordnete Prinzip, das "Wissen", die tiefe Erkenntnis, nach der alle Menschen auf ihre Weise streben. "Er" steht über allem - ist das, was den Menschen in seiner Vollendung ausmacht (wir sind seine "Ebenbilder").
Sein Sohn Jesus: fleischgewordener Gottessohn, also Mensch göttlicher Abstammung - das Verbindungsglied zwischen den Menschen und dem göttlichen Prinzip. Er fühlt, liebt, friert, ißt, hungert in der Wüste, ist fleischlichen Versuchungen ausgesetzt, diskutiert und streitet mit Schriftgelehrten, hat eine Mutter und durchleidet menschliche Ängste ("Mein Gott, warum hast du mich verlassen!") - kann man begreifen als die Gefühlsebene, er wirkt uns näher als Gott, er ist irgendwie "greifbarer", so wie ein Mensch, der gelebt und gelitten hat, immer authentischer (blödes Wort
😀) wirkt als einer, der seine Weisheiten nur aus Büchern kennt. Was ihn bzw. seine Geschichte gelegentlich etwas suspekt macht ist der Umstand, daß er gelehrt und seine Botschaft verkündet hat,
bevor er durch Schmerz und Tod geläutert war - widerspricht meinen menschlichen Erfahrungen.
Der Heilige Geist: der erschließt sich am schwersten, finde ich - vielleicht mißverstehe ich das Prinzip dahinter auch. Für mich bedeutet "Heiliger Geist" das, was nach dem Leid, der Läuterung, der "Auferstehung" folgt: die Erkenntnis, die tiefere Einsicht in das Wesen des Menschen, das Begreifen, daß Leid, Mühsal und das Hinabtauchen ins Grab (in die tiefsten Niederungen des eigenen Seins - dorthin, wo keine Ausreden, keine Beschönigungen, keine eitlen Selbsttäuschungen mehr gelten) Voraussetzung sind für das Erkennen des inneren Reichtums, der sich dann erschließt, wenn man bereit war, sich in allen Aspekten - den "Guten" wie den "Bösen" - zu erkennen und sie anzunehmen als das, was IST.
Hab kürzlich nachgegoogelt und war erstaunt, daß der Heilige Geist als Flämmchen sozusagen von Gott einfach so auf die Menschen in Jerusalem herniederschwebte, so als hätten sie dafür nichts weiter tun müssen - aber ok, das ließe sich vielleicht nochmal bildlich übersetzen, da bin ich nicht sattelfest genug.
Wenn ich mir so diese Dreieinigkeit betrachte, dann erkenne ich darin tatsächlich eine tiefe Weisheit, die auch in anderen Glaubenszusammenhängen verschiedenster Herkunft auftaucht - darin scheint mir so eine Art "übergeordnete", weltumspannende, zutiefst menschliche Eigenheit zu liegen (kann ich jetzt nicht besser ausdrücken), die einem einfachen, lebens-unerfahrenen Menschen vielleicht nicht vermittelbar ist - sie muß erlebt und durchlitten werden, bevor sie als wahr erkannt wird.
Damit meine ich: das tiefe Verstehen, das Leiden, das Verstehen, das Überwinden des Leids, die Versöhnung mit dem, was das Leiden verursacht hat, das Annehmen und Akzeptieren und die Freude und die Kraft, die daraus erwachsen - das führt wieder hin zu dem, was ich als "übergeordnetes Prinzip" oder als Gott, wenn man so will, bezeichne.
In diesem Sinn kann ich "Gott" als wahr erkennen, auch wenn ich "dort" noch nicht angekommen bin. Mir fehlt noch viel von dem, was du wohl mit "Loslassen" meinst - auch dazu gehört ja eine innere Bereitschaft. Es mag viele Wege geben, zu diesem "Gott" - sei's durch Meditation, durch Bibelstudium, Psychoanalyse, durch Schamanismus oder hau-mich-tot was für angelesene Wege. Nur wenige werden vielleicht wirklich bei "Gott" landen, weil ich nicht glaube, daß es überhaupt möglich ist, ohne die Bereitschaft, das Leben in all seiner Schönheit, aber auch all seinen Schmerzen zu durchlaufen, bestimmte Einsichten überhaupt zu erlangen.
Problematisch an der christlichen Lehre oder dem, wie sie uns gelehrt wird, sehe ich folgendes: es beschreibt Möglichkeiten, mit dem Leben fertig zu werden, die nach wie vor aktuell sind. Aber es wird gelehrt, als seien die Buchstaben mehr als das "Gesetz", als seien sie wichtiger als das Leben, als könnte man es "nach Buch" von A nach Z durchlaufen, und man könnte den Eindruck haben, daß die Vermeidung dessen, was Leben ausmacht - mit all den menschlichen Verirrungen, Irrtümern, fleischlichen und seelischen Versuchungen und Fehltritten - als könnten die direkt zu "Gott" führen .
Das bezweifle ich. Aber wie gesagt: ich glaube nicht an die "Person" Gott. Würde ich das, dann hätte ich am Leben verzweifeln müssen, weil ich nicht gewagt hätte, meinen Weg "barfuß durch die Hölle und wieder raus" (ziemlich kokett formuliert, ne?) zu gehen.