Zu diesem Thread fallen mir ganz verschiedene Dinge ein:
- Allgemein zum Thema psychologische Beratung in der Kur:
Vor etlichen Jahren wurde im Kollegenkreis das Thema „Beratung beim Psychologen während einer Kur“ thematisiert. Die älteren Kollegen in den Fünfzigern, die alle mindestens eine Kur hinter sich hatten oder zumindest Fälle aus der Verwandtschaft kannten, waren sich einig, dass die Kurpsychologen durchweg sehr simple, stereotype Erklärungsansätze für die Kurbedürftigkeit der Menschen gefunden hatten. In jedem ihnen bekannten Fall war entweder bei verheirateten/liierten Menschen die Partnerschaft an der Kurbedürftigkeit „schuld“ oder aber bei Dauersingles das Nichtvorhandensein eines Partners. Andere Ursachen seien völlig außen vor geblieben.
Bei Problemen in der Partnerschaft sei gleich zur Trennung geraten worden, als ob es keine anderen Lösungsmöglichkeiten wie strukturierte Partnergespräche, Paartherapie etc. gäbe. Als ob es sich nicht lohnen würde, um eine Partnerschaft in der Krise auch zu kämpfen, statt gleich das Handtuch zu werfen. Als ob gerade die Kinder, die aus einer Partnerschaft hervorgegangen sind, es nicht verdient hätten, dass die Eltern alles tun, um ihre Beziehung zu retten, bevor sie gleich die Scheidung einreichen.
Umgekehrt ist für einen Dauersingle ein Partner auch kein Allheilmittel gegen Erschöpfungszustände jedweder Art und Güte.
Ich bin Individualistin, sehr eigenständig und auch beständig in meiner Meinungsbildung. Man kann mich zum Glück nur mit sehr überzeugenden Argumenten beeinflussen und mich nicht gegen einen anderen Menschen aufwiegeln. Erst recht nicht, wenn es sich um einen Menschen handeln würde, der mir viel bedeutet. Ich weiß auch, dass Erschöpfungszustände meist sehr komplexe Ursachen haben, die keinesfalls nur in der Partnerschaft begründet sein müssen. Man ist nicht nur Opfer der Umstände, man kann auch selbst etwas tun.
Nach dem, was ich gehört habe, würde ich mir dreimal überlegen, ob ich jemals im Leben zur Kur fahre…
Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass eine junge Frau in den Zwanzigern, die sehr früh Mutter geworden und mit der Situation überfordert ist, sich innerhalb kürzester Zeit davon überzeugen lässt, dass sie mit ihrer Ehe nicht zufrieden sein kann und die Trennung ohne Rücksicht auf Verluste der einzige Ausweg ist.
Dir, Norman00, würde ich empfehlen, mal in Ruhe darüber nachzudenken, was dein Anteil an der Unzufriedenheit deiner Frau mit eurer Ehe sein könnte. Hast du sie bei der Kindererziehung zu wenig entlastet oder ihr zu wenig Anerkennung gegeben, weil sie nicht die Hauptverdienerin ist? War überwiegend sie diejenige, die ihre Bedürfnisse um der Kinder willen zurückstellen musste? Hast du ihre Arbeit als Hausfrau und Mutter zu wenig gewürdigt? Zu wenig Anteil an ihrem Leben, an ihren Träumen und Wünschen außerhalb ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter genommen? Dich zu wenig für ihr Fernstudium interessiert, dieses und ihren 400-Euro-Job als "Gedöns" abgetan? Hast du sie noch genug als Frau wahrgenommen? Oder hast du in ihr in erster Linie die Mutter deiner Kinder gesehen, die dir als Hauptverdiener den Rücken freizuhalten hatte? Du räumst ja selbst ein, dass du vieles, was deine Frau für dich und eure Familie getan hat, als selbstverständlich hingenommen hast, ohne dich einmal in ihre Situation zu versetzen und ihr Dank auszusprechen. Ich denke, das ist sowieso wichtig in jeder Beziehung: Dinge nicht nur zu denken, sondern auch auszusprechen. Menschen können nun mal keine Gedanken lesen.
Wo, glaubst du, könntest du deiner Frau in Zukunft entgegen kommen, um die Beziehung zu retten? Wärst du bereit, ihr erst einmal eine Auszeit zu geben und ihren Wunsch nach Alleinsein zu respektieren? Könntest du dir vorstellen, eine Paartherapie zu machen und/oder etwa einmal wöchentlich ein strukturiertes Paargespräch mit deiner Frau zu führen? Es gibt dazu Seminare und ein gutes Sachbuch von Michael Lukas Moeller „Die Wahrheit beginnt zu zweit: Das Paar im Gespräch“. Ein mir bekanntes Ehepaar hat in einer schweren Krise gute Erfahrungen damit gemacht. Natürlich setzt dies auf beiden Seiten die Bereitschaft voraus, sich ernsthaft darauf einzulassen und es nicht von vornherein abzulehnen nach dem Motto: Hat ja eh alles keinen Zweck mehr.
- Zum Verhalten deiner Frau:
Ansonsten finde ich aber, dass du, Norman00, hier teilweise zu schlecht wegkommst. Für Probleme in einer Beziehung, falls diese von deiner Frau nicht nur vorgeschoben sein sollten, sind immer beide Beteiligten verantwortlich. Du brauchst nur deinen Teil der Verantwortung zu übernehmen, deine Frau trägt ihren Teil. Sie ist sehr früh Mutter geworden, du hast als Mann aber auch sehr früh Verantwortung für eine Familie übernommen. Würdigt sie deine Rolle als Hauptverdiener als deinen Beitrag zum Familienunterhalt? Hat sie dir mal ausdrücklich "Danke" gesagt? Oder reduziert sie dich nur auf die Rolle des „Dukatenscheißers“? Weiß sie es zu schätzen, dass sie dank deiner Vollzeit-Berufstätigkeit den Großteil ihrer Zeit zur Verfügung hat, um sich ihrer Familie zu widmen und aufgrund der ganztägigen Unterbringung der Kinder in der Kita auch noch genügend Zeit für sich selbst zu haben? Oder ist das alles selbstverständlich für sie? Andere Frau haben zwei Kleinkinder und sind zumindest in Teilzeit berufstätig, nicht immer nur aus Selbstverwirklichungsgründen, sondern teils aus purer finanzieller Not heraus.
War diese Mutter-Kind-Kur für deine Frau eigentlich eine Selbstverständlichkeit im Sinne einer Anspruchshaltung? Oder ist ihr klar, dass es solche Möglichkeiten in anderen Ländern gar nicht gibt? Das Müttergenesungswerk wurde von Elly Heuss-Knapp vor vielen Jahrzehnten eigentlich eingerichtet, um Kriegerwitwen, die ihre meist zahlreichen Kinder unter heute kaum mehr vorstellbaren Umständen allein durchbringen mussten, eine Möglichkeit zur Erholung zu geben. Heute reicht es dagegen aus, wenn man ein einziges kleines Kind hat und dem Arzt vorjammert, wie erschöpft man doch sei.
Ich habe in meinem beruflichen und privaten Umfeld jedenfalls etliche junge Frauen mit nur einem oder maximal zwei Kindern kennen gelernt, glücklich verheiratet, finanziell bestens abgesichert, vollautomatisierter Haushalt, Haushaltshilfe, tatkräftige Unterstützung durch andere Verwandte, mehrere Urlaube pro Jahr, die ohne weiteres eine Mutter-Kind-Kur verordnet bekamen. Die sonst so sparsamen Krankenkassen finanzierten ihnen so quasi einen Zusatzurlaub, den mancher alleinstehende Kinderlose in schwierigen Lebensumständen viel nötiger hätte, aber frühestens mit 50 verordnet bekommt. Das Geld fehlt dann vor allem bei der Behandlung chronisch bzw. schwer erkrankter Personen. Vor Mutter-Kind-Kurheimen an der Nordsee habe ich schon selbst oft genug junge Frauen paffend (überaus gesundheitsfördernd!) mit anderen Frauen herumstehen sehen. Das Ganze wirkte auf mich so, dass sie sich gegenseitig darin bestärken, wie schwer sie es als Mütter doch haben, und es offenbar als ausgleichende Gerechtigkeit empfinden, wenn sie sich einen Kurschatten zulegen können. Wenn die Beziehung mit diesem dann auch schief gegangen ist, wird die nächste Mutter-Kind-Kur beantragt...
Klingt zynisch und sarkastisch, ich weiß, aber so habe ich es erlebt. Ich will damit auch nicht sagen, dass deine Frau die Kur nicht verdient gehabt hätte! Außerdem hat eure Tochter ja auch Neurodermitis; ihr hat die Kur sicher auch gut getan. Aber bei manchen Mutter-Kind-Kurverordnungen sollten Ärzte vielleicht doch etwas kritischer hinschauen und bestimmte Mütter vielleicht mal von ihrer unersättlichen Anspruchshaltung herunterkommen. Gerade wenn man immer wieder lesen muss, was dann hinterher dabei herauskommt... Threads wie deinen lese ich jedenfalls nicht zum ersten Mal!
Hat sich deine Frau die Kinder nicht mindestens ebenso sehr gewünscht wie du, wenn sie vor einiger Zeit sogar noch von einem dritten gesprochen hat? War ihr nicht klar, dass sich dadurch das ganze Leben verändert und sehr anstrengend werden kann? Gibt sie dir lediglich die Schuld daran, dass man nicht alles gleichzeitig im Leben haben kann (Superfamilie, Superkarriere, top-gestyltes Äußeres), so wie es uns in den Medien gern weisgemacht wird? Wie würdest du ihre allgemeine Reife einschätzen? Entspricht sie ihrem Alter oder noch nicht?
Warum hat deine Frau nicht vor der Kur mal den Mund aufgemacht, wenn sie so unzufrieden mit ihrem Leben war? Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Warum hat sie so lange gewartet, bis eure Ehe angeblich nicht mehr zu retten ist? Ich finde es vor allem sehr merkwürdig, dass sie zu Beginn der Kur noch betont hat, wie sehr sie dich liebt und vermisst, und nach 2 1/2 Wochen Dauerbeschallung durch irgendeinen wahrscheinlich drittklassigen Kurpsychologen und die eventuelle Bekanntschaft mit einem galanten Tischnachbarn ist plötzlich alles anders. Dann hätte sie dich vorher ja glatt belogen und dir was vorgemacht; das finde ich reichlich unfair von ihr!
Ist deiner Frau klar, welche rechtlichen und finanziellen Folgen eine Scheidung für sie hätte und dass auch in eine Beziehung mit einem eventuellen Kurschatten der Alltag schneller einkehren wird, als es ihr lieb ist?
Hat euch der Alltragstrott zu sehr im Griff gehabt? Gab es nichts Neues, Spannendes, Überraschendes mehr? Glaubtet ihr, euch in- und auswendig zu kennen? Wieviel Zeit habt ihr seit der Geburt der Kinder nur zu zweit als Paar verbringen können? Habt ihr über eurer Elternrolle die Paarbeziehung vernachlässigt? Wäre es möglich, dass ihr künftig einmal im Jahr eine Woche nur zu zweit Urlaub machen und die Kinder dann in der Obhut der Großeltern oder zuverlässiger Freunde lassen könntet? Oder wenigstens an ein bis zwei verlängerten Wochenenden pro Jahr?
Das dürften erst mal genügend Denkanstöße gewesen sein…