G
Gast
Gast
Manchmal frage ich mich, was eigentlich mit mir nicht stimmt. Der einzige ständige Begleiter, auf den ich mich verlassen kann, ist meine Unzufriedenheit. Wobei.. um ehrlich zu sein, gibt es noch mehr so nette Gefährten, die mich kaum aus dem Auge lassen. So wären da noch die Selbstzweifel, der Neid auf so viele Menschen, die ich eigentlich gerne habe, und dieses Gefühl der Ungerechtigkeit. Menschen, um die ich mich bemühe, scheinen mich auf Abstand zu halten. Andere haben kein Interesse an mir. Ich habe eben gelesen, dass man Dinge nur tun sollte, die man gerne tut und sie auch nur tun sollte, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Bin ich denn so unmenschlich, wenn ich nicht doch etwas aus der Hoffnung heraus mache, irgendwie von irgendwem auch etwas Nettes zu erhalten? Wie oft kommt es vor, dass ich mich anpasse, mich zurücknehme, nicht weil es mir besonders schwer fällt, oder weil ich denken könnte „ anders würde es mir aber viel besser passen“. Meistens versuche ich nur, nicht unangenehm zu sein. Zum Beispiel keine teuren Lebensmittel aus der WG-Kasse zu kaufen, leise sein, wenn der andere Ruhe braucht, mich zu bedanken, wenn jemand eine nette Geste tut, zuzuhören, wenn der andere etwas loswerden möchte. Ist es denn so unüblich, das auch zu erwarten?
Nun man könnte verschiedene Gründe aufführen, weshalb dieses Auge-um-Auge-Verfahren nicht funktioniert:
- Der andere möchte Gefallen gar nicht, damit er sich nicht dazu verpflichtet fühlt, sie erwidern zu müssen. Dem widerspricht das Kundtun von Wünschen, die ich auch gern erfülle, wie z.B. dem Gefallen am gemeinsamen Frühstück. Ein wundervolles Beispiel, wie ich finde. Ich frühstücke, ja esse generell, gern in Gemeinschaft. Meine Mitbewohnerin hat mir ihren Wunsch mitgeteilt, dass sie es schön fände, gemeinsam zu frühstücken. Nun bin ich auch bereit, mich zeitlich ihr anzupassen, sie morgens zu fragen, ob sie schon gegessen habe, oder wann sie es vorhat. Natürlich nicht ohne auch die kleine Vorfreude. Wieso kommt es nun immer häufiger vor, dass sie oft schon ohne mich gefrühstückt hat, obwohl sie wusste, dass ich schon wach war? Hat sie vergessen zu fragen? Wollte sie doch lieber allein essen?
- Was passiert nun, wenn ich unabhängig von ihr, meine Dinge tue. Ohne es ihr mitzuteilen, ohne sie zu fragen, ohne mich zeitlich nach ihr zu richten? Die Erfahrung zeigt, dass das in eine Spirale des Alleinseins führt. Man könnte ja nun denken, es liegt nicht in meiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass man etwas zusammen unternimmt. Die Krux in der Geschichte ist aber, dass niemand auf mich zukommt, mich fragt. Das zeigt sich schon in der unmittelbaren Kommunikation. Beginne ich kein Gespräch, bleibt es still. Frage ich während eines Gesprächs nicht weiter nach, stirbt es. Es ist furchtbar anstrengend. Habe ich genügend Kraft, kümmere ich mich darum- das kann auch sehr schön werden. Obwohl mir doch eine große Spur Humor fehlt, kann ein Gespräch auch ein herzliches Lachen beinhalten. Trotzdem verstehe ich diese Eigenart der Gesprächsführung nicht. Wieso liegt es immer an mir? Will man sich nicht mit mir unterhalten? Denn die Personen, auf die das zutrifft, haben keine Probleme, sich mit anderen zu unterhalten.
- Der andere sieht meine Handlungen als selbstverständlich an, oder übersieht sie im Allgemeinen. Das muss zwangsläufig zu Missverständnissen führen, wenn beide Parteien sich nicht in der Position sehen, mehr für die Beziehung zu tun, weil beide denken, sie täten bereits genug. Es besteht sozusagen kein objektiver Common-ground, sondern nur subjektive Theorien darüber, wer dem anderen etwas „schuldig“ ist. Ein Beispiel: Meine Mitbewohnerin und ich wohnen erst seit kurzer Zeit zusammen. Gewohnt war ich es bislang, meine Lebensmittel für mich allein einzukaufen. Dementsprechend habe ich eine Übersicht über die Kosten, die im Alltag durch diesen Posten auf mich zukommen. Da wir beide vorhatten, gemeinsam zu essen und zu kochen, hatten wir die Idee, gemeinschaftlich Lebensmittel zu benutzen. Damit man einen ungefähren Überblick hat, wer wieviel Geld dafür ausgegeben hat, gibt es eine Liste, auf der man die Ausgaben schreibt. Spezialwünsche führt man natürlich nicht auf, also solche Dinge, von denen man ausgeht, dass der andere sie nicht isst, oder die man gar nicht teilen möchte. Nun merkte ich, dass ich deutlich mehr Geld für Lebensmittel ausgebe, als bisher. Der Kühlschrank ist dennoch meist leer, oder die Dinge nicht mehr da, auf die ich mich beim Einkauf freute. Zwei Dinge sind mir beim Nachdenken und Betrachten der Liste aufgefallen: Ich bezahle wesentlich öfter die Einkäufe, habe dementsprechend mehr Ausgaben als sie. Sie isst deutlich mehr als ich (Exkurs Neid), und ich fange an, aus Futterneid ebenfalls mehr zu essen, als ich eigentlich bräuchte- möchte. Nun habe ich sie darauf angesprochen, dass ich es mir nicht leisten kann, so viel Geld auszugeben, und ob wir eine andere Lösung für das gemeinsame Essen finden könnten. Ihre Antwort spiegelt sich in oben genannten Problem nieder: Sie habe noch Rechnungen gar nicht auf die Liste gesetzt und fände es persönlich schade, das System umzustellen. Sie sieht sich damit nicht in der Position, zu wenig investiert zu haben, im Gegenteil, sie kommt mir entgegen, indem sie der Einführung in das separate Einkaufens zustimmt. Fazit ist, dass wir irgendwie beide enttäuscht sind. Auch die Option des „Jeder gibt soviel er kann“ würde bei mir nie funktionieren. Ich hätte ständig das Gefühl, ausgenutzt zu werden.
Exkurs: Neid:
Eigentlich möchte ich nicht schon wieder meine Mitbewohnerin als Beispiel aufführen. Es gibt so viele andere Beispiele, denn wie gesagt, ist der Neid mein ständiger Begleiter. Aufgrund der Aktualität scheint sie mir dennoch ein gutes Beispiel zu bieten, da ich mitten in der Materie stecke, sie das perfekte Alltagsbeispiel ist (da ja fast immer präsent) und weniger wegen Erinnerungslücken auslasse. Gründe, weshalb ich meine Mitbewohnerin beneide:
- Ihre Statur: Sie ist klein, blond, sehr zierlich und isst unglaublich viel, ohne dass man es an ihrer Figur auch nur annähernd vermuten könnte. Ich esse in etwas ¾ ihres Tagesumsatzes und kämpfe um jedes Kilo. Seit wir gemeinsam essen, habe ich wieder zugenommen. Das ist sicherlich auch ein Grund, weshalb es mich noch mehr ärgert, ihre Lebensmittel zu bezahlen.
- Ihre Mädchenhaftigkeit: Das große Paradoxon der Mitbewohnerin. Sie ist zierlich, kann nicht schwer heben, ich dagegen groß und sehr kräftig, muss alles stemmen (sehr aktuell beim Umzug). Und selbst aus den mir durchaus bewussten physischen Fertigkeiten, die ich mitbringe, so empfinde ich es als Ungerechtigkeit, mehr machen zu müssen als sie. Als „zarte Person“ muss/kann/sollte sie bestimmte Arbeiten nicht (allein) verrichten müssen. Alles Dinge, die bei mir selbstverständlich zu erledigen hingenommen werden. Die Tatsache, dass sie Röcke trägt, aber gleichzeitig mit den Jungs Fußball spielt- als Kind einen männlichen Spitzamen trug- macht sie genau das, was viele als perfektes Zusammenspiel von Weiblichkeit und natürlicher Burschikosität bei Frauen bezeichnen würden.
- Ihre Unbedarftheit und das unglaubliche Ignorieren-Können von Spannungen: Liegt Ärger in der Luft, zieht sie sich zurück. Manchmal sogar mit einem Lächeln im Gesicht. Ihr kann das nichts anhaben. Sie hat Menschen, bei denen sie ihrem Ärger Luft machen kann. Sie kann dann auch noch lachen. Während meine Laune im Keller ist, zieht sie sich hübsch an, geht raus, flirtet mit Männern, telefoniert, pfeifft vor sich hin (was mich schon bei meinem Exfreund zum Ausrasten gebracht hatte). Aber nicht nur bei Ärger ist sie unbedarft. Sie hat keinerlei Probleme damit, mir Dinge mitzuteilen, die ich in gewissen Augenblicken wirklich nicht hören möchte. Geht es mir offensichtlich nicht gut, ist es kein Seltenes, dass sie zu mir kommt und mir davon erzählt, dass eine gemeinsame Freundin ihr große Sorgen bereitet. Diese sei in einem besorgniserregenden Zustand, traurig oder ähnliches. Mit dem unsensibelsten Gespür, das sich wohl nur auf mich bezieht, merkt sie nicht einmal, dass ich in diesem Augenblick lieber Zuspruch oder ein offenes Ohr geschenkt bekäme, als gemeinsam Strategien zu entwickeln, der anderen Freundin zu helfen. Das mag sich nun egozentrisch anhören, aber ich denke, dass man versteht, dass ich ja eigentlich nur den Wunsch habe, auch von ihr bemerkt zu werden und zu spüren, dass ich ihr wichtig bin.
- Sie lässt für sich machen, oder wartet so lange, bis es von jemandem erledigt wird. Und es funktioniert! Während ich mir ständig Sorgen mache, ob ich Rechnungen bezahlt habe, mich schon bei den Nachbarn bedankt, weil sie uns etwas ausgeliehen haben, ich den Umzug geplant, organisiert und bezahlt habe, hat sie nicht einmal gefragt, wie der Stand ist, ob sie etwas helfen könne, sondern es ohne ein Dankeschön einfach als selbstverständlich angesehen. Es gab nur zwei Dinge , um die ich sie gebeten hatte: Internetanschluss und Waschmaschine. Um den restlichen Kram, wie Versicherungen, Stromanbieterwechsel etc. kümmerte ich mich. Fazit: ich sollte noch die Waschmaschine raussuchen, da sie sich nicht auskenne (ich musste mich genauso einlesen und vergleichen), auf das Internet warten wir seit über 4 Wochen. Nur betrifft sie das ja nicht. Sie fährt noch zwischenzeitlich weg und ich, die ich in der Abschlussarbeit stecke, bin die gelackmeierte. So habe ich mich überwunden, die Nachbarn zu fragen, ob wir derzeit deren Internet mitbenutzen könnten. Es war ein etwas peinliches Gespräch, da sie mir mitteilten, dass sie das eigentlich ungern täten, weil man ja nie weiß, was andere damit anstellen könnten. Nachdem ich ihnen versicherte, dass wir keine illegalen Dinger abziehen, ich aber ein besseres Gefühl beim Onlinebanking hätte , als wenn ich in irgendeinem Starbucks über die Schultern geschaut bekäme, willigten sie ein. Etwa 10 Minuten später fragte meine Mitbewohnerin mich nach dem Passwort für das Wlan. Natürlich gab ich es ihr, mit Wut im Bauch. Nun, warum kam sie nicht mit, als ich die Nachbarn fragte? Es war ihre Aufgabe fürs Internet zu sorgen. Als ich es bereits einmal vorschlug, dass wir die Nachbarn fragen könnten, meinte sie, ihr wäre es so oder so lieber, wenn sie Internetfrei bliebe, da sie so viel lernen müsse und sich sonst ablenke.
- Woher kommt also das Bedürfnis, alles selbst organisieren zu müssen? Aus der Erfahrung, dass wenn ich es anderen überlasse/Dinge delegiere, es nicht/schlecht getan wird, und ich diejenige bin, die es dann betrifft. Zur Enttäuschung kommt noch Ärger und das Gefühl, dass ich mich auf andere nicht verlassen kann. Nur weiß ich auch, dass mein Misstrauen für andere spürbar ist. Und misstrauischen Menschen traut man irgendwie auch nicht. So bin ich bereits wieder in einem kleinen Teufelskreis gelandet. In dem andere auf mich negativ reagieren (so wie ich das vlt selbst auch tun würde- ich schließe mich da wirklich nicht aus) und ich allein da stehe.
Manchmal wundere ich mich sogar ein wenig selbst, nachdem ich hier all die bösen Dinge erzählt habe, dass ich mich trotzdem mit ihr ganz gut verstehe, dass wir sogar gemeinsam lachen können, auch wenn viel zwischen uns liegt (was es auch schon vorher tat, bevor wir zusammengezogen sind- wir sind ja auch schon längere Zeit befreundet).
Das wichtigste ist hier, dass ich nicht falsch verstanden werde. Sicherlich bin ich oft wütend auf meine Mitmenschen. Aber die größte Wut richtet sich gegen mich selbst. Weil ich tief im inneren weiß, dass die Stellschraube bei mir liegt. Die anderen sind so wie sie sind. Ob toll oder nicht so toll, mein Neid entsteht ja in mir selbst. Weil ich mich nicht so sehe, weil ich nicht so bin, und weil ich diesen Zustand kaum aushalte. Ich schaffe es sogar, den anderen das zu gönnen. Wieso auch nicht. Und dennoch empfinde ich diese Ungerechtigkeit, dass ich immer hart kämpfen muss, mir nichts zufliegt, und obwohl ich mich bemühe, dennoch nicht einmal die Hälfte so hinbekomme, wie ich mir das wünsche. Und was mich zum verzweifeln bringt, ist, dass ich diese Stellschraube einfach nicht finde, nicht weiß, wie ich ich ändern kann. Ich habe schon so viel versucht. Ich kämpfe jeden Tag. Und mir hilft überhaupt nicht, wenn ich dann Dinge höre oder lese wie, „ bleib gelassen“ „akzeptiere dich einfach selbst“. Allein wenn ich so etwas denke, schießen mir die Tränen in die Augen, weil mein Umfeld mir das Gegenteil vermittelt. Und ich selbst weiß gar nicht mehr, was ich aus mir schöpfen kann, um dagegen anzugehen.
Ja- ich bin abhängig von meinen Mitmenschen. Das liegt daran, dass ich einsam bin. Ich kann viele Tätigkeiten allein ausführen, aber ich leide sehr unter dem Gefühl, dass ich niemandem etwas bedeute. Dass mich niemand vermissen würde. Dass niemand Freude an meiner Anwesenheit empfindet. Die Gleichgültigkeit meiner Familie- meiner „Freunde“.
„ Zieh doch einfach dein Ding durch“. – Kann ich nicht- die Dinge, die mir Freude bereiten, bereiten mir keine, wenn ich niemanden habe, mit dem ich sie teilen kann. Natürlich gibt es kurze Momente, in denen ich Glück auch im Alleinsein empfinde- besonders in der Natur. Aber umso länger ich vor mich hin allein bin, umso mehr kriecht die Angst in mir hoch, dass mein Leben keine Bedeutung hat. Manchmal hilft mir der Gedanken, dass ich gesund bin, jung- und anderen zumindest helfen könnte- etwas Nützliches tun. Ich habe mich sozial engagiert, mich eingebracht, viele Stunden investiert, mit dem Ergebnis, dass es entweder als selbstverständlich angenommen wurde, oder sogar noch angegriffen wurde. Hier und dort wurde kritisiert. Ich hätte mir das auch sparen können. Natürlich wäre Anerkennung schön gewesen, aber allein schon objektiv zu sehen, dass es allgemein gut war, dass ich das gemacht habe, hätte mir auch schon gereicht. Die Vorschläge- „geh in einen Verein, hilf irgendwo“ endeten damit, dass ich trotzdem alleine irgendetwas tat.
Die Negativspirale hat einen unglaublichen Sog nach unten. Ich stecke mitten drin. Und mit negativen Menschen umgibt man sich ungern. So bin ich wieder alleine. Jeder Versuch, positiver, gelassener, liebevoller mit mir umzugehen wird von der Einsamkeit kaputt gemacht. Liegt die Verantwortung ja auch bei mir, dass ich mich ändern muss. Es gibt Menschen, die umgeben sich nicht mit großen, dicken Frauen. Aber selbst die, die es täten, umgeben sich nicht mehr mit großen, dicken, humorlosen und unzufriedenen Frauen. Ich würde soweit gehen, dass das die Attribute „groß“ und „dick“ multiplikativ verknüpft sind. Während Models ja auch groß sind, aber dünn, umgibt man sich einigermaßen gern mit ihnen. In die andere Richtung fällt das sehr schwer. Humor und Ausstrahlung können jeweils additiv den Zustand ausgleichen. Intelligenz eventuell auch, wenn auch nur gering gewichtet. Ich muss wohl nicht aufführen, wie meine Gleichung aussieht.
Manchmal gelingt es mir noch, ein wenig für mich und um mich zu kämpfen. Darum überwinde ich mich auch gelegentlich, spreche Probleme an, versuche etwas für mich zu tun.
So richtig erfolgreich bin ich aber nicht. Und in den Momenten, in denen ich mich beinahe aufgebe, oft aus Kraftlosigkeit, stürzt dann die Decke, die ich oft gerade so nach oben drücken konnte, ungehindert auf mich ein.
Nun man könnte verschiedene Gründe aufführen, weshalb dieses Auge-um-Auge-Verfahren nicht funktioniert:
- Der andere möchte Gefallen gar nicht, damit er sich nicht dazu verpflichtet fühlt, sie erwidern zu müssen. Dem widerspricht das Kundtun von Wünschen, die ich auch gern erfülle, wie z.B. dem Gefallen am gemeinsamen Frühstück. Ein wundervolles Beispiel, wie ich finde. Ich frühstücke, ja esse generell, gern in Gemeinschaft. Meine Mitbewohnerin hat mir ihren Wunsch mitgeteilt, dass sie es schön fände, gemeinsam zu frühstücken. Nun bin ich auch bereit, mich zeitlich ihr anzupassen, sie morgens zu fragen, ob sie schon gegessen habe, oder wann sie es vorhat. Natürlich nicht ohne auch die kleine Vorfreude. Wieso kommt es nun immer häufiger vor, dass sie oft schon ohne mich gefrühstückt hat, obwohl sie wusste, dass ich schon wach war? Hat sie vergessen zu fragen? Wollte sie doch lieber allein essen?
- Was passiert nun, wenn ich unabhängig von ihr, meine Dinge tue. Ohne es ihr mitzuteilen, ohne sie zu fragen, ohne mich zeitlich nach ihr zu richten? Die Erfahrung zeigt, dass das in eine Spirale des Alleinseins führt. Man könnte ja nun denken, es liegt nicht in meiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass man etwas zusammen unternimmt. Die Krux in der Geschichte ist aber, dass niemand auf mich zukommt, mich fragt. Das zeigt sich schon in der unmittelbaren Kommunikation. Beginne ich kein Gespräch, bleibt es still. Frage ich während eines Gesprächs nicht weiter nach, stirbt es. Es ist furchtbar anstrengend. Habe ich genügend Kraft, kümmere ich mich darum- das kann auch sehr schön werden. Obwohl mir doch eine große Spur Humor fehlt, kann ein Gespräch auch ein herzliches Lachen beinhalten. Trotzdem verstehe ich diese Eigenart der Gesprächsführung nicht. Wieso liegt es immer an mir? Will man sich nicht mit mir unterhalten? Denn die Personen, auf die das zutrifft, haben keine Probleme, sich mit anderen zu unterhalten.
- Der andere sieht meine Handlungen als selbstverständlich an, oder übersieht sie im Allgemeinen. Das muss zwangsläufig zu Missverständnissen führen, wenn beide Parteien sich nicht in der Position sehen, mehr für die Beziehung zu tun, weil beide denken, sie täten bereits genug. Es besteht sozusagen kein objektiver Common-ground, sondern nur subjektive Theorien darüber, wer dem anderen etwas „schuldig“ ist. Ein Beispiel: Meine Mitbewohnerin und ich wohnen erst seit kurzer Zeit zusammen. Gewohnt war ich es bislang, meine Lebensmittel für mich allein einzukaufen. Dementsprechend habe ich eine Übersicht über die Kosten, die im Alltag durch diesen Posten auf mich zukommen. Da wir beide vorhatten, gemeinsam zu essen und zu kochen, hatten wir die Idee, gemeinschaftlich Lebensmittel zu benutzen. Damit man einen ungefähren Überblick hat, wer wieviel Geld dafür ausgegeben hat, gibt es eine Liste, auf der man die Ausgaben schreibt. Spezialwünsche führt man natürlich nicht auf, also solche Dinge, von denen man ausgeht, dass der andere sie nicht isst, oder die man gar nicht teilen möchte. Nun merkte ich, dass ich deutlich mehr Geld für Lebensmittel ausgebe, als bisher. Der Kühlschrank ist dennoch meist leer, oder die Dinge nicht mehr da, auf die ich mich beim Einkauf freute. Zwei Dinge sind mir beim Nachdenken und Betrachten der Liste aufgefallen: Ich bezahle wesentlich öfter die Einkäufe, habe dementsprechend mehr Ausgaben als sie. Sie isst deutlich mehr als ich (Exkurs Neid), und ich fange an, aus Futterneid ebenfalls mehr zu essen, als ich eigentlich bräuchte- möchte. Nun habe ich sie darauf angesprochen, dass ich es mir nicht leisten kann, so viel Geld auszugeben, und ob wir eine andere Lösung für das gemeinsame Essen finden könnten. Ihre Antwort spiegelt sich in oben genannten Problem nieder: Sie habe noch Rechnungen gar nicht auf die Liste gesetzt und fände es persönlich schade, das System umzustellen. Sie sieht sich damit nicht in der Position, zu wenig investiert zu haben, im Gegenteil, sie kommt mir entgegen, indem sie der Einführung in das separate Einkaufens zustimmt. Fazit ist, dass wir irgendwie beide enttäuscht sind. Auch die Option des „Jeder gibt soviel er kann“ würde bei mir nie funktionieren. Ich hätte ständig das Gefühl, ausgenutzt zu werden.
Exkurs: Neid:
Eigentlich möchte ich nicht schon wieder meine Mitbewohnerin als Beispiel aufführen. Es gibt so viele andere Beispiele, denn wie gesagt, ist der Neid mein ständiger Begleiter. Aufgrund der Aktualität scheint sie mir dennoch ein gutes Beispiel zu bieten, da ich mitten in der Materie stecke, sie das perfekte Alltagsbeispiel ist (da ja fast immer präsent) und weniger wegen Erinnerungslücken auslasse. Gründe, weshalb ich meine Mitbewohnerin beneide:
- Ihre Statur: Sie ist klein, blond, sehr zierlich und isst unglaublich viel, ohne dass man es an ihrer Figur auch nur annähernd vermuten könnte. Ich esse in etwas ¾ ihres Tagesumsatzes und kämpfe um jedes Kilo. Seit wir gemeinsam essen, habe ich wieder zugenommen. Das ist sicherlich auch ein Grund, weshalb es mich noch mehr ärgert, ihre Lebensmittel zu bezahlen.
- Ihre Mädchenhaftigkeit: Das große Paradoxon der Mitbewohnerin. Sie ist zierlich, kann nicht schwer heben, ich dagegen groß und sehr kräftig, muss alles stemmen (sehr aktuell beim Umzug). Und selbst aus den mir durchaus bewussten physischen Fertigkeiten, die ich mitbringe, so empfinde ich es als Ungerechtigkeit, mehr machen zu müssen als sie. Als „zarte Person“ muss/kann/sollte sie bestimmte Arbeiten nicht (allein) verrichten müssen. Alles Dinge, die bei mir selbstverständlich zu erledigen hingenommen werden. Die Tatsache, dass sie Röcke trägt, aber gleichzeitig mit den Jungs Fußball spielt- als Kind einen männlichen Spitzamen trug- macht sie genau das, was viele als perfektes Zusammenspiel von Weiblichkeit und natürlicher Burschikosität bei Frauen bezeichnen würden.
- Ihre Unbedarftheit und das unglaubliche Ignorieren-Können von Spannungen: Liegt Ärger in der Luft, zieht sie sich zurück. Manchmal sogar mit einem Lächeln im Gesicht. Ihr kann das nichts anhaben. Sie hat Menschen, bei denen sie ihrem Ärger Luft machen kann. Sie kann dann auch noch lachen. Während meine Laune im Keller ist, zieht sie sich hübsch an, geht raus, flirtet mit Männern, telefoniert, pfeifft vor sich hin (was mich schon bei meinem Exfreund zum Ausrasten gebracht hatte). Aber nicht nur bei Ärger ist sie unbedarft. Sie hat keinerlei Probleme damit, mir Dinge mitzuteilen, die ich in gewissen Augenblicken wirklich nicht hören möchte. Geht es mir offensichtlich nicht gut, ist es kein Seltenes, dass sie zu mir kommt und mir davon erzählt, dass eine gemeinsame Freundin ihr große Sorgen bereitet. Diese sei in einem besorgniserregenden Zustand, traurig oder ähnliches. Mit dem unsensibelsten Gespür, das sich wohl nur auf mich bezieht, merkt sie nicht einmal, dass ich in diesem Augenblick lieber Zuspruch oder ein offenes Ohr geschenkt bekäme, als gemeinsam Strategien zu entwickeln, der anderen Freundin zu helfen. Das mag sich nun egozentrisch anhören, aber ich denke, dass man versteht, dass ich ja eigentlich nur den Wunsch habe, auch von ihr bemerkt zu werden und zu spüren, dass ich ihr wichtig bin.
- Sie lässt für sich machen, oder wartet so lange, bis es von jemandem erledigt wird. Und es funktioniert! Während ich mir ständig Sorgen mache, ob ich Rechnungen bezahlt habe, mich schon bei den Nachbarn bedankt, weil sie uns etwas ausgeliehen haben, ich den Umzug geplant, organisiert und bezahlt habe, hat sie nicht einmal gefragt, wie der Stand ist, ob sie etwas helfen könne, sondern es ohne ein Dankeschön einfach als selbstverständlich angesehen. Es gab nur zwei Dinge , um die ich sie gebeten hatte: Internetanschluss und Waschmaschine. Um den restlichen Kram, wie Versicherungen, Stromanbieterwechsel etc. kümmerte ich mich. Fazit: ich sollte noch die Waschmaschine raussuchen, da sie sich nicht auskenne (ich musste mich genauso einlesen und vergleichen), auf das Internet warten wir seit über 4 Wochen. Nur betrifft sie das ja nicht. Sie fährt noch zwischenzeitlich weg und ich, die ich in der Abschlussarbeit stecke, bin die gelackmeierte. So habe ich mich überwunden, die Nachbarn zu fragen, ob wir derzeit deren Internet mitbenutzen könnten. Es war ein etwas peinliches Gespräch, da sie mir mitteilten, dass sie das eigentlich ungern täten, weil man ja nie weiß, was andere damit anstellen könnten. Nachdem ich ihnen versicherte, dass wir keine illegalen Dinger abziehen, ich aber ein besseres Gefühl beim Onlinebanking hätte , als wenn ich in irgendeinem Starbucks über die Schultern geschaut bekäme, willigten sie ein. Etwa 10 Minuten später fragte meine Mitbewohnerin mich nach dem Passwort für das Wlan. Natürlich gab ich es ihr, mit Wut im Bauch. Nun, warum kam sie nicht mit, als ich die Nachbarn fragte? Es war ihre Aufgabe fürs Internet zu sorgen. Als ich es bereits einmal vorschlug, dass wir die Nachbarn fragen könnten, meinte sie, ihr wäre es so oder so lieber, wenn sie Internetfrei bliebe, da sie so viel lernen müsse und sich sonst ablenke.
- Woher kommt also das Bedürfnis, alles selbst organisieren zu müssen? Aus der Erfahrung, dass wenn ich es anderen überlasse/Dinge delegiere, es nicht/schlecht getan wird, und ich diejenige bin, die es dann betrifft. Zur Enttäuschung kommt noch Ärger und das Gefühl, dass ich mich auf andere nicht verlassen kann. Nur weiß ich auch, dass mein Misstrauen für andere spürbar ist. Und misstrauischen Menschen traut man irgendwie auch nicht. So bin ich bereits wieder in einem kleinen Teufelskreis gelandet. In dem andere auf mich negativ reagieren (so wie ich das vlt selbst auch tun würde- ich schließe mich da wirklich nicht aus) und ich allein da stehe.
Manchmal wundere ich mich sogar ein wenig selbst, nachdem ich hier all die bösen Dinge erzählt habe, dass ich mich trotzdem mit ihr ganz gut verstehe, dass wir sogar gemeinsam lachen können, auch wenn viel zwischen uns liegt (was es auch schon vorher tat, bevor wir zusammengezogen sind- wir sind ja auch schon längere Zeit befreundet).
Das wichtigste ist hier, dass ich nicht falsch verstanden werde. Sicherlich bin ich oft wütend auf meine Mitmenschen. Aber die größte Wut richtet sich gegen mich selbst. Weil ich tief im inneren weiß, dass die Stellschraube bei mir liegt. Die anderen sind so wie sie sind. Ob toll oder nicht so toll, mein Neid entsteht ja in mir selbst. Weil ich mich nicht so sehe, weil ich nicht so bin, und weil ich diesen Zustand kaum aushalte. Ich schaffe es sogar, den anderen das zu gönnen. Wieso auch nicht. Und dennoch empfinde ich diese Ungerechtigkeit, dass ich immer hart kämpfen muss, mir nichts zufliegt, und obwohl ich mich bemühe, dennoch nicht einmal die Hälfte so hinbekomme, wie ich mir das wünsche. Und was mich zum verzweifeln bringt, ist, dass ich diese Stellschraube einfach nicht finde, nicht weiß, wie ich ich ändern kann. Ich habe schon so viel versucht. Ich kämpfe jeden Tag. Und mir hilft überhaupt nicht, wenn ich dann Dinge höre oder lese wie, „ bleib gelassen“ „akzeptiere dich einfach selbst“. Allein wenn ich so etwas denke, schießen mir die Tränen in die Augen, weil mein Umfeld mir das Gegenteil vermittelt. Und ich selbst weiß gar nicht mehr, was ich aus mir schöpfen kann, um dagegen anzugehen.
Ja- ich bin abhängig von meinen Mitmenschen. Das liegt daran, dass ich einsam bin. Ich kann viele Tätigkeiten allein ausführen, aber ich leide sehr unter dem Gefühl, dass ich niemandem etwas bedeute. Dass mich niemand vermissen würde. Dass niemand Freude an meiner Anwesenheit empfindet. Die Gleichgültigkeit meiner Familie- meiner „Freunde“.
„ Zieh doch einfach dein Ding durch“. – Kann ich nicht- die Dinge, die mir Freude bereiten, bereiten mir keine, wenn ich niemanden habe, mit dem ich sie teilen kann. Natürlich gibt es kurze Momente, in denen ich Glück auch im Alleinsein empfinde- besonders in der Natur. Aber umso länger ich vor mich hin allein bin, umso mehr kriecht die Angst in mir hoch, dass mein Leben keine Bedeutung hat. Manchmal hilft mir der Gedanken, dass ich gesund bin, jung- und anderen zumindest helfen könnte- etwas Nützliches tun. Ich habe mich sozial engagiert, mich eingebracht, viele Stunden investiert, mit dem Ergebnis, dass es entweder als selbstverständlich angenommen wurde, oder sogar noch angegriffen wurde. Hier und dort wurde kritisiert. Ich hätte mir das auch sparen können. Natürlich wäre Anerkennung schön gewesen, aber allein schon objektiv zu sehen, dass es allgemein gut war, dass ich das gemacht habe, hätte mir auch schon gereicht. Die Vorschläge- „geh in einen Verein, hilf irgendwo“ endeten damit, dass ich trotzdem alleine irgendetwas tat.
Die Negativspirale hat einen unglaublichen Sog nach unten. Ich stecke mitten drin. Und mit negativen Menschen umgibt man sich ungern. So bin ich wieder alleine. Jeder Versuch, positiver, gelassener, liebevoller mit mir umzugehen wird von der Einsamkeit kaputt gemacht. Liegt die Verantwortung ja auch bei mir, dass ich mich ändern muss. Es gibt Menschen, die umgeben sich nicht mit großen, dicken Frauen. Aber selbst die, die es täten, umgeben sich nicht mehr mit großen, dicken, humorlosen und unzufriedenen Frauen. Ich würde soweit gehen, dass das die Attribute „groß“ und „dick“ multiplikativ verknüpft sind. Während Models ja auch groß sind, aber dünn, umgibt man sich einigermaßen gern mit ihnen. In die andere Richtung fällt das sehr schwer. Humor und Ausstrahlung können jeweils additiv den Zustand ausgleichen. Intelligenz eventuell auch, wenn auch nur gering gewichtet. Ich muss wohl nicht aufführen, wie meine Gleichung aussieht.
Manchmal gelingt es mir noch, ein wenig für mich und um mich zu kämpfen. Darum überwinde ich mich auch gelegentlich, spreche Probleme an, versuche etwas für mich zu tun.
So richtig erfolgreich bin ich aber nicht. Und in den Momenten, in denen ich mich beinahe aufgebe, oft aus Kraftlosigkeit, stürzt dann die Decke, die ich oft gerade so nach oben drücken konnte, ungehindert auf mich ein.