Marika46
Mitglied
Liebe Community,
ich arbeite jetzt seit sieben Jahren als Pflegehelferin in einem Altenheim. Ab und zu bemerke ich immer noch, dass mich manche Kollegen und vielleicht auch Angehörige als nicht kompetent genug ansehen. Von der Heimleitung hieß es noch bei der Entfristung nach zwei Jahren Anstellung, dass noch erhebliches Entwicklungspotenzial bestehe.
Ich mag meinen Job sehr und möchte auch dort bleiben, fühle mich aber manchmal überfordert. Weniger vom Arbeitsaufkommen als mehr von der emotionalen Schiene.
Heute habe ich eine Situation erlebt, nach der ich mich jetzt wieder so klein fühle und auch ein bisschen als wenn ich versagt habe.
Es zeichnete sich seit ein paar Tagen ab, dass ein Bewohner im Sterben liegt. Ich mochte ihn sehr, da er ein lieber Kerl war. Auch tat er mir mit seiner Erkrankung unendlich leid. Ich hatte auch seine Frau ins Herz geschlossen, die noch zuhause lebt und ihn jeden Tag besuchte. Sie ist das genaue Gegenteil von mir, ein sehr starker Mensch mit jeder Menge Power. Sie hat mir auch einige Male ihr Herz ausgeschüttet. Was aber vielleicht nicht am besonderen Vertrauen mir gegenüber lag, sondern an der Tatsache, dass sie sehr extrovertiert ist.
Gestern zeichnete sich ab, dass ihr Mann sehr bald gehen würde. Ich hätte fast geweint, als ich ihre Verzweiflung sah, in der sie ihren Mann immer wieder liebkoste und sich teilweise an ihm festklammerte.
Heute war ich bei seinem Anblick total geschockt. Die Frau und der Sohn waren da, als ich ins Zimmer kam. Ich sagte der Frau, dass ihr Mann sich seit gestern sehr verändert habe und es bald geschafft habe. Der Sohn antwortete, dass er das nicht so sehe. Ich musste echt mit den Tränen kämpfen und setzte mich zu der Frau. Was dann kam, fand ich irgendwie so bizarr. Der Sohn, der vorher am Bett seines Vaters gesessen hatte, kam zur mir und begann, mir jede Menge Fragen zu stellen. Wieviele Jahre ich den Job schon mache, wieviele Stunden wöchentlich, ob ich einen weiten Weg zur Arbeit habe, ob ich mit dem Auto oder Bus komme. Dann meinte er, dass ich solche Situationen doch bestimmt einige Male pro Woche erlebe. Ich antwortete, dass es vorkomme, dass es einige Monate gar keinen Sterbefall gebe. Ich sagte auch, dass es mich auch nach den ganzen Jahren immer noch berühre. Daraufhin sagte der Sohn, dass aber die positiven Momente die negativen doch sicherlich überwiegen. Ich stimmte zu und antwortete, dass es erfüllend für mich sei, hilfsbedürftigen Menschen helfen zu können.
Es kam mir in dem Moment so vor, als wenn der Sohn hinterfragte, ob ich für diesen Job überhaupt geeignet bin.
Oder wollte er sich nur kurzfristig von seinem Schmerz ablenken?
Jedenfalls starb der Bewohner eine Stunde später. Ganz überraschend wurde ich vom Pflegedienstleiter gebeten, die Gedenkminute zu halten. Normalerweise übernimmt das eine Mitarbeiterin vom sozialen Dienst, aber heute war niemand anwesend. Auch wird der/des Verstorbenen erst gedacht, wenn er vom Bestattungsinstitut abgeholt worden ist. Da aber heute die komplette Familie versammelt war mit den beiden Söhnen und Schwiegertöchtern, sollte das Prozedere heute stattfinden.
Mir blieb wenig Zeit, die Gedenkminute vorzubereiten. Ich überlegte mir, was ich über den Bewohner sagen würde, musste praktisch noch einiges vorbereiten und alle Bewohner informieren, etwas eher zum Mittagessen zu erscheinen. Die ganze Zeit sagte ich mir, nur nicht weinen, professionell wirken.
Ich war verunsichert, vor den ganzen Bewohnern, der Familie und dem Personal inklusive Heimleitung wie ein Pastor das Wichtigste über den Bewohner zu erzählen und dabei seine Frau zu loben. Von Erlösung zu sprechen und ihm den ewigen Frieden zu wünschen, während seine Frau und auch einige Bewohner weinten. Dann kam ein etwas peinlicher Moment, wo ich nichts mehr zu sagen wusste und fragte, ob sonst noch jemand etwas sagen wolle. Niemand äußerte sich. Die Wohnbereichsleitung kam mir zur Hilfe und sagte, dass wir jetzt noch das Vaterunser beten. Ich war erleichtert, als es überstanden war.
Einige Minuten später kam die Heimleiterin auf mich zu. Sie sagte, was ich vorgetragen habe, sei gut gewesen. Es habe aber ein vorgelesener Text gefehlt. So habe ich zwischendurch sehr hilflos gewirkt. Ich antwortete, dass ich beim nächsten Mal auch etwas vorlesen werde. Davon, dass ich zu wenig Zeit zur Vorbereitung gehabt habe, sagte ich nichts.
Die Heimleitung hat ihre Kritik zwar sachlich angebracht, trotzdem fühlte ich mich ein wenig wie ein Schulmädchen, dessen Referat vor der Klasse man kritisiert.
Könnt ihr meine negativen Gefühle nachempfinden?
Es grüßt euch
Marika
ich arbeite jetzt seit sieben Jahren als Pflegehelferin in einem Altenheim. Ab und zu bemerke ich immer noch, dass mich manche Kollegen und vielleicht auch Angehörige als nicht kompetent genug ansehen. Von der Heimleitung hieß es noch bei der Entfristung nach zwei Jahren Anstellung, dass noch erhebliches Entwicklungspotenzial bestehe.
Ich mag meinen Job sehr und möchte auch dort bleiben, fühle mich aber manchmal überfordert. Weniger vom Arbeitsaufkommen als mehr von der emotionalen Schiene.
Heute habe ich eine Situation erlebt, nach der ich mich jetzt wieder so klein fühle und auch ein bisschen als wenn ich versagt habe.
Es zeichnete sich seit ein paar Tagen ab, dass ein Bewohner im Sterben liegt. Ich mochte ihn sehr, da er ein lieber Kerl war. Auch tat er mir mit seiner Erkrankung unendlich leid. Ich hatte auch seine Frau ins Herz geschlossen, die noch zuhause lebt und ihn jeden Tag besuchte. Sie ist das genaue Gegenteil von mir, ein sehr starker Mensch mit jeder Menge Power. Sie hat mir auch einige Male ihr Herz ausgeschüttet. Was aber vielleicht nicht am besonderen Vertrauen mir gegenüber lag, sondern an der Tatsache, dass sie sehr extrovertiert ist.
Gestern zeichnete sich ab, dass ihr Mann sehr bald gehen würde. Ich hätte fast geweint, als ich ihre Verzweiflung sah, in der sie ihren Mann immer wieder liebkoste und sich teilweise an ihm festklammerte.
Heute war ich bei seinem Anblick total geschockt. Die Frau und der Sohn waren da, als ich ins Zimmer kam. Ich sagte der Frau, dass ihr Mann sich seit gestern sehr verändert habe und es bald geschafft habe. Der Sohn antwortete, dass er das nicht so sehe. Ich musste echt mit den Tränen kämpfen und setzte mich zu der Frau. Was dann kam, fand ich irgendwie so bizarr. Der Sohn, der vorher am Bett seines Vaters gesessen hatte, kam zur mir und begann, mir jede Menge Fragen zu stellen. Wieviele Jahre ich den Job schon mache, wieviele Stunden wöchentlich, ob ich einen weiten Weg zur Arbeit habe, ob ich mit dem Auto oder Bus komme. Dann meinte er, dass ich solche Situationen doch bestimmt einige Male pro Woche erlebe. Ich antwortete, dass es vorkomme, dass es einige Monate gar keinen Sterbefall gebe. Ich sagte auch, dass es mich auch nach den ganzen Jahren immer noch berühre. Daraufhin sagte der Sohn, dass aber die positiven Momente die negativen doch sicherlich überwiegen. Ich stimmte zu und antwortete, dass es erfüllend für mich sei, hilfsbedürftigen Menschen helfen zu können.
Es kam mir in dem Moment so vor, als wenn der Sohn hinterfragte, ob ich für diesen Job überhaupt geeignet bin.
Oder wollte er sich nur kurzfristig von seinem Schmerz ablenken?
Jedenfalls starb der Bewohner eine Stunde später. Ganz überraschend wurde ich vom Pflegedienstleiter gebeten, die Gedenkminute zu halten. Normalerweise übernimmt das eine Mitarbeiterin vom sozialen Dienst, aber heute war niemand anwesend. Auch wird der/des Verstorbenen erst gedacht, wenn er vom Bestattungsinstitut abgeholt worden ist. Da aber heute die komplette Familie versammelt war mit den beiden Söhnen und Schwiegertöchtern, sollte das Prozedere heute stattfinden.
Mir blieb wenig Zeit, die Gedenkminute vorzubereiten. Ich überlegte mir, was ich über den Bewohner sagen würde, musste praktisch noch einiges vorbereiten und alle Bewohner informieren, etwas eher zum Mittagessen zu erscheinen. Die ganze Zeit sagte ich mir, nur nicht weinen, professionell wirken.
Ich war verunsichert, vor den ganzen Bewohnern, der Familie und dem Personal inklusive Heimleitung wie ein Pastor das Wichtigste über den Bewohner zu erzählen und dabei seine Frau zu loben. Von Erlösung zu sprechen und ihm den ewigen Frieden zu wünschen, während seine Frau und auch einige Bewohner weinten. Dann kam ein etwas peinlicher Moment, wo ich nichts mehr zu sagen wusste und fragte, ob sonst noch jemand etwas sagen wolle. Niemand äußerte sich. Die Wohnbereichsleitung kam mir zur Hilfe und sagte, dass wir jetzt noch das Vaterunser beten. Ich war erleichtert, als es überstanden war.
Einige Minuten später kam die Heimleiterin auf mich zu. Sie sagte, was ich vorgetragen habe, sei gut gewesen. Es habe aber ein vorgelesener Text gefehlt. So habe ich zwischendurch sehr hilflos gewirkt. Ich antwortete, dass ich beim nächsten Mal auch etwas vorlesen werde. Davon, dass ich zu wenig Zeit zur Vorbereitung gehabt habe, sagte ich nichts.
Die Heimleitung hat ihre Kritik zwar sachlich angebracht, trotzdem fühlte ich mich ein wenig wie ein Schulmädchen, dessen Referat vor der Klasse man kritisiert.
Könnt ihr meine negativen Gefühle nachempfinden?
Es grüßt euch
Marika