Die zunächst friedlichen Corona-Proteste sind im Schlussakkord doch noch entgleist. Wir haben Bilder gesehen, die wir nie wieder sehen wollten. Dazu fünf Anmerkungen.
Das ist falsch, weil die Rangeleien mit der Polizei völlig woanders stattfanden, als die eigentliche Hauptdemo.
Die Polizei nahm über 200 vermeintliche Reichsbürger vor der russischen Botschaft fest, weil diese sich nicht entfernen wollten und sich einfach hinsetzten.
Die Polizei trug diese Personen dann in mühsamer Arbeit davon und natürlich galt dann auch jede dieser Personen als festgenommen.
Eine Randale von 2000-3000 Personen vor der russischen Botschaft, wie der eingeschränkt intelligente Innensenator von Berlin, Herr Geisel (ein Name ist Programm), frech vor den Kameras log, gab es überhaupt nicht.
Und die Situation ist durchgehend im Live-Stream übertragen worden von RT und anderen Kanälen.
Erstens: Der versuchte Sturm auf das Reichstagsgebäude und die Tatsache, dass vor dem Heiligtum des deutschen Parlamentarismus die schwarz-weiß-rote Fahne des deutschen Kaiserreichs geschwenkt wurde, muss jeden Demokraten verstören. Der Rechtsstaat wirkte wie weggetaucht. Da, wo drei tapfere Polizisten vor der Eingangspforte die Stellung hielten, hätten 300 hingehört. Den wehrhaften Staat stellt man sich anders vor.
Zunächst einmal: Die ca. 100 Personen, die die Treppenstufen des Reichstags erstürmt haben, haben weder zur Orga der Demo gegen die Corona-Maßnahmen, noch zu der Demo selbst und auch nicht zu der Abschlusskundgebung am großen Stern gehört. Sie haben völlig andere Forderungen gehabt, die sich nicht mit den Inhalten der Hauptdemo gedeckt haben.
Immerhin ist Dir aber aufgefallen, das der Reichstag an der Vorderseite nur von 3 Polizisten gesichert war und stellst völlig richtig fest, das da eigentlich 300 hingehört hätten.
Überleg mal warum da nur 3 Polizisten gestanden haben.
Weshalb das auch nicht korrigiert wurde, wo 100 lautstarke und mit unübersehbaren Fahnen bewaffnete Reichsbürger heranliefen, ist genau die Frage, die Du Dir selbst stellen musst.
Weshalb kann ein Mob, der zudem von Zivilpolizisten begleitet wird, ungehindert bis zum Reichstag vordringen, dort Absperrgitter verschieben und dann völlig ungehindert die Stufen hochstürmen?
Und das obwohl hinter dem Reichstag bekanntlich mehrere Reserve-Hundertschaften der Polizei in Bereitschaft standen.
Gute Frage oder?
So etwas funktioniert nur dann, wenn es genauso gewollt war.
Und man sieht ja an der medialen und politischen Ausschlachtung, wie sehr man das wollte um ein Argument gegen die Hauptdemo zu haben.
Ich zeig Dir mal ein Beispiel der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, an dem man gut erkennen kann, wie sehr die angeblich vollständige Rechstradikalisierung der Hauptdemo und der Sturm auf die Reichstagstreppe für die politische Führung sind.

Ob man so einen Post nun als geistige Störung, als hate speech oder einfach als Kalkül einordnen soll, bleibt jedem selbst überlassen.
Zweitens: Auch die Demonstranten dürfen diese Ereignisse nicht verharmlosen. Es ist ihr Rand, der da auf einmal nicht mehr bunt, sondern bräunlich schimmerte. Besser als Heribert Prantl, der kluge Kopf der „Süddeutschen Zeitung“, kann man die Verantwortung der Mitmarschierer nicht beschreiben: »Es darf den Rechtsextremisten nicht gelingen, die Proteste, und sei es nur optisch, zu dominieren. Die Demonstranten müssen alles Erdenkliche tun, um sich von den Extremisten und Neonazis, von antisemitischen und fremdenfeindlichen Gruppen abzugrenzen. Das ist Demonstrantenpflicht. «
Warum muss man sich ständig von vermeintlich Rechtsradikalen distanzieren, die weder in die Organisation der Demo, noch in die Demo selbst eingebunden sind und zumal noch völlig andere Zielsetzungen haben?
Muss ich mich auch von meinem rechtsradikalen Nachbarn jeden Tag öffentlich distanzieren, nur weil der eine Tür weiter wohnt?
Muss ich im Restaurant sofort meinen Tisch räumen, nur weil drei Tische weiter Skinheads Platz genommen haben?
Diese Idiotie, dass man eigene Vorhaben, Planungen oder Ideen sofort aufgeben muss, nur weil sich in der Nähe Rechtsradikale aufhalten, ist absolut undemokratisch und zielt natürlich auch auf die Schädigung der Demokratie ab.
Man kann sich im Falle der Großdemo von sich einklinkenden Rechtsradikalen distanzieren, was ja auch mehrfach getan wurde.
Aber damit ist dann auch Schluß. Es gibt kein Recht darauf, bestimmte Personen aus einer Demo auszuschließen, weil eine Demo eine frei zugängliche und öffentliche Veranstaltung ist.
Wer nun meint die Teilnehmer der Großveranstaltung hätten die Pflicht gehabt, unliebsame Personen gewaltsam aus ihrer Demo zu vertreiben ist - sorry - ein absoluter Vollidiot, weil doch jedem klar ist, das die Demo grundpazifistisch aufgestellt ist und jede Form der Gewalt ablehnt.
Drittens: Die Hässlichkeit der Fernsehbilder sollte allerdings nicht die Erkenntnis verstellen, dass hier mehrheitlich Menschen sich artikulieren, die unmittelbar und teils hart betroffen sind. Weil ihr Kulturbetrieb geschlossen bleibt. Weil ihr Einzelhandelsgeschäft nicht mehr die Umsätze erwirtschaftet, die es zur Refinanzierung von Wareneinkauf und Miete braucht. Weil sie die Milliardenhilfen für große Wirtschaftsunternehmen als ungerecht empfinden. Weil sie nicht von den Virologen des Robert Koch-Instituts und ihrer medizinischen Weltsicht regiert werden wollen, sondern von Politikern mit der Fähigkeit zum Interessenausgleich.
Hier stimme ich Dir zu.
Zumal man auch sagen muss, das die ORGA der Großdemo die vermutlich beste Performance auf die Beine gestellt hat, die je in Bezug auf eine Demo in Deutschland abgeliefert worden ist.
Alleine die aberhunderten Busse, die Berlin für die Demo angefahren haben, wurden in Kooperation unter ""honk for hope"" als Logistik-Dienstleister auf die Beine gestellt, wo viele der durch die Corona-Krise geschädigten Busunternehmer wenigsten noch ein paar Euro verdienen und auch selbst an der Demo teilnehmen konnten.
Viertens: Viele Journalisten wollen die Komplexität und Widersprüchlichkeit dieser neuen Protestbewegung nicht verstehen. Sie haben Neugier durch Haltung ersetzt. Der Maßstab ihrer Berichterstattung ist nicht das, was sie sehen und hören, sondern ist der Abstand der Demonstranten zu den eigenen Positionen. Wir erleben diese Verschiebung der Koordinaten jetzt schon seit einiger Zeit: Wer sich im geistigen Ideenraum eines Journalisten befindet, darf mit öffentlicher Belobigung rechnen. Wer sich außerhalb dieser selbst gezimmerten Kathedrale aufhält, dem versucht man mit den Methoden des Exorzismus beizukommen. Der Teufel ist immer der andere.
Gut geschrieben.
Um das mal etwas illustrieren hier ein Bild dazu.
Fünftens: Wer durch die Gesichter und Fahnen hindurchsieht und damit das Offensichtliche hintergeht, erkennt im Kern vom Kern der Demonstranten-Mehrheit einen demokratischen Urtrieb; den nämlich, von den im Grundgesetz verbrieften Rechten auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Und sei es nur, um festzustellen, ob sie noch da sind.
Richtig, bisweilen mag das sogar etwas kindlich wirken und nach Austesten der Möglichkeiten aussehen: Aber, es ist absolutes Grundrecht - und wer das versucht zu einzuschränken oder oder sogar abzuschaffen, der darf nach Artikel 20 Grundgesetz, bekämpft werden.
Denn das Recht braucht dem Unrecht weder zu weichen, noch bedeutet ein temporärer Verzicht auf Rechte, das dauerhaft darauf verzichtet wird.
Auch wenn jemand 80 Jahre alt ist und noch nie gewählt oder demonstriert hat, so hat er diese Rechte dennoch gleich dem ersten Tag, als diese für ihn in Kraft traten.
Fazit: Das, was wir am Wochenende erlebt haben, war in Summe nicht der Angriff auf die Demokratie, sondern ihre Inanspruchnahme. Die gute Nachricht inmitten all der schlechten: Das Buch „Der Untertan“ von Heinrich Mann könnte über die heutigen Deutschen nicht mehr geschrieben werden.
Oh, sehr gut geschrieben.
Die zwei Sätze sind weit mehr als das, was unsere Medien und Politiker, als auch wir privaten Personen im Internet so verzapft haben.
Falls die zwei Sätze vor Dir stammen, dann zolle ich Dir meine Hochachtung.
Falls sie ein Zitat sind, dann hast Du wenigstens gute Literatur konsumiert.
Ob der Untertan in Deutschland keine Schule mehr machen könnte oder aktuell nicht mehr präsent ist,
wage ich zwar zu bezweifeln, aber grundsätzlich hat unsere historische Vergangenheit das gesunde, freiheitliche im Staatsvolk vitalisiert, so das zumindest der Widerstand gegen totalitäre Bestrebungen gegeben ist.