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Auswandern mit 58?

lapinoskoff

Mitglied
Liebe Community,

ich bin 58 und mein Leben hier passt mir immer weniger. Ich lebe in einer Großstadt, die mal mein Traum war und mittlerweile zum Albtraum geworden ist. Die Menschen machen mich immer agressiver, ich meide den Kontakt mir ihnen wo und wann ich auch immer kann. Ich habe einen Job, der nicht allzu schlecht bezahlt ist, der mir aber mittlerweile zum Hals raushängt, obwohl ich erst seit einem Jahr in der Firma arbeite. Die ganze Atmosphäre und die Lebensumstände in Deutschland werden immer bedrückender. Mittlerweile muss man Angst haben, ernsthaft krank zu werden und einen Termin beim Facharzt zu brauchen. Oder dass die Hausärztin in Rente geht, weil nirgendwo neue Patienten angenommen werden. Von der 1200 € Rente, die in 9 Jahren auf mich wartet rede ich nicht mal, wobei ich da noch zu den Privilegierten gehören werde. Wenn ich bis dahin nicht arbeitslos sein werde.

Ich bin verheiratet, meine Frau stammt aus der Ukraine. Sie hat vor 10 Jahren ihren Posten als Sekretärin und Nachfolgerin eines Bürgermeisters aufgegeben, um zu mir nach Deutschland zu kommen. Sie hatte einen idealistischen Blick auf Deutschland, der aber langsam auch gewaltig bröckelt. Obwohl sie alle möglichen Angebote angenommen hat, die Deutschland im Bereich berufliche Entwicklung zu bieten hat, hat sie nur Jobs bekommen, die unter ihrer Qualifikation waren. Ihr zweiter Beruf ist Lehrerin, hier in Deutschland hat sie immer nur gerade Jobs als Quereinsteigerin in Kitas bekommen. Sie könnte zwar als Aushilfslehrerin auch arbeiten, aber nur mit befristeten Verträgen. Seit 2015 macht sie nichts anderes, als sich ständig neben dem Job weiterzubilden, ohne dass irgendeine richtige Perspektive in Sicht wäre....

Vor 3 Wochen ist ihre Mama in der Ukraine gestorben. Jetzt stehen dort 2 Häuser, die nicht mehr gebraucht werden, und die keiner kaufen will. Jetzt steht auch noch ihr Job hier als Aushilfserzieherin in ihrer Kita auf der Kippe. Da sie nur den Status einer Quereinsteigerin hat findet sie auch nicht ohne weiteres einen neuen Job. Obwohl es an jeder Ecke an geeignetem Personal fehlt wollen die Kitas nur ausgebildete Erzieherinnen haben, die Mangelware sind....

Das ist der eine Aspekt. Der andere Aspekt ist, dass wir hier keine Familie haben, und Freunde so gut wie keine. Ich zumindest. Meine Frau nur eine gute Freundin. Zu unseren Nachbarn haben wir keinen Kontakt. Wenn wir morgen sterben wird es niemand erfahren, höchstens die jeweiligen Arbeitgeber.

Als wir vor 3 Wochen zur Beerdigung in der Ukraine waren habe ich erlebt, was richtige Solidarität ist. Alle Nachbarn hatten sich zusammen getan und die Beerdigung organisiert und das Geld vorgestreckt. Leider ist ihre Mama völlig unerwartet gestorben, wir mussten innerhalb von ein Paar Stunden die Reise in ein Land in Kriegszustand oranisieren und fahren. Ich fand diese Solidarität überwältigend. Dort stirbt keiner alleine, die Nachbarn sorgen sich um einen.

Der Gedanke, nach dem Krieg in die Ukraine zu gehen, beschäftigt mich immer mehr. Ich habe hier nichts, was mich zurückhält. Wenn ich meine Wohnung verkaufe kann ich locker die Zeit bis zur Rente überbrücken. Oder sie als FeWo vermieten... Vorausgesetzt man Geld hat ist die medizinische Versorgung in der Ukraine gut. Und wir haben dort 2 voll ausgestatteten Häuser mit Gemüsegarten(eigentlich ist es ein Bauernhof mit allem, was dazu gehört)

Das sind die Gedanken, die mich im Moment beschäftigen. Vielleicht hat der eine oder der andere eine Meinung zu dem Thema. Vielen lieben Dank!
 

MissVerständnis

Aktives Mitglied
Ich kann dich gut verstehen, fühle mich mittlerweile hier sehr ähnlich, würde aber sehr damit hadern, mich räumlich noch mehr von meinen Freunden zu entfernen.
Wir hoffen und beten alle, dass dieser Krieg bald ein Ende hat.
Ich habe zu wenig Ein-und Durchblick in dieser Thematik, um das einschätzen zu können.
Aber wenn es vorbei ist ---- warum nicht?
Ich könnte mir ein Leben mit Nachbarn dieser Mentalität, die du dort erlebt hast,
auf jeden Fall sehr gut vorstellen.
 

SSSSSSundnocheinS

Aktives Mitglied
Ich kann dir nichts gezielt zur Ukraine sagen. Aber ich denke es ist nie verkehrt, sich von einem Land/Ort selbst einen Eindruck zu machen. Danach eine Entscheidung zu treffen und sich grundsätzlich nochmal mehr zu informieren, wo die Unterschiede zu DE sind bzw. mit deiner Frau zu reden, falls es Dinge gibt, die du noch nicht weißt, die wichtig sein könnten.
 

HDT

Neues Mitglied
Hallo,
ich kann deine Gedanken gut verstehen. Wir hatten eine ähnliche Ausgangssituation. Gleiches Alter wie du, gut bezahlter Job, eigenes Haus, nur wenig Bekannte, Freunde und Familie usw. Auch uns fehlte zunehmend etwas, mehr Abwechslung, andere Leute kennen lernen einfach nochmal etwas im Leben ändern. In diesem Alter muss man sagen wenn nicht jetzt wann dann....
Unser Weg war:
Job kündigen, Haus verkaufen und von dem Geld die Zeit bis zur Rente überbrücken. Wir sind allerdings in Deutschland geblieben, haben uns 2 Tiny Häuser gekauft und wohnen jetzt auf einem Campingplatz im Norden mit einigen Gleichgesinnten, viele neue, nette Kontakte, neue Umgebung....
Eigentlich alles neu. Für uns war das die richtige Entscheidung!!!
Ich kann daher euren Wunsch, euer Bedürfnis verstehen, allerdings käme eine Umsetzung für mich erst dann in Frage, wenn der Krieg beendet ist. Vorher wâre mir der Weg und die Konsequenzen zu ungewiss. Könnt ihr mit eurer Entscheidung solange warten???
 

Solfides

Mitglied
Lieber lapinoskoff,

zu deinem Anliegen möchte ich ein klein wenig eigene Erfahrung beisteuern, daher kurz einen kleinen Exkurs in meinen Background.

Meine Familie und ich kommen gebürtig aus der ehemaligen Tschechoslowakei (heute Tschechien). Ich bin allerdings bereits seit 25 Jahren in Deutschland und wurde hier eingeschult.
Große Teiler meiner erweiterten Familie (Onkel, Cousinen, Großeltern) sind noch dort und es gibt einen regen Austausch.

Ich verstehe was du meinst, speziell den Part mit der Solidarität in Dorfgemeinschaften und den Zusammenhalt.

Das ist auch richtig und für Außenstehende zunächst sehr beeindruckend, speziell wenn man es ähnlich nicht kannte.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. So solidarisch und zusammenhaltend diese Gemeinschaften sind, so einengend und kontrollierend sind sie.
Man richtet sich dort nach der Gemeinschaft, dem Gemeinwohl, dem Ansehen des Dorfes und der Familie und glaub mir, das ist nicht immer einfach.
Gerade Menschen mit Freiheitsdrang fühlen sich dort schnell eingeengt. Gesicht wahren ist dort alles. Letzteres ist übrigens wohl auch der Hauptgrund für die von euch so gut beobachtete Solidarität. Nicht ihr wart es, sondern es ging Familie / Freunden / Dorfgemeinschaft darum, ihr Gesicht vor euch zu wahren, die ihr aus dem Ausland zu der Beerdigung kommt. Dies kann dort krasse Ausmaße annehmen.

Bedenke auch, in Osteuropa spielen die katholische und orthodoxe Tradition und Religion (Achtung: Tradition und Religion sind nicht unbedingt deckungsgleich) nach wie vor und speziell im ländlichen Raum eine enorme Rolle.

Das Sagen haben meistens die Großväter, an letzter Stelle stehen Schwiegertöchter.

Gegenwärtig kann man weder dir noch deiner Frau ernsthaft einen Umzug in die Ukraine empfehlen ohne euer Leben zu gefährden.
Nach dem Krieg, so dass er hoffentlich bald aus ist, würde ich euch erstmal raten zur Probe dort zu wohnen. Wohnraum habt ihr ja da.
Die Brücken nach Deutschland keinesfalls endgültig abbrechen.
Wenn du mit der Kultur wirklich warm werden solltest und deine Frau aus der Diaspora es eventuell auch wieder wird, könnt ihr das noch später nachholen.

Doch unterschätze keinesfalls den Kulturschock dort.
 
I

Irgendeinname

Gast
Ich bezweifle das es dir irgendwo anders besser gehen würde als hier. Man muss bedenken, dass die Ukraine nach wie vor ein hochgradig korruptes Land sind, trotz aller positiver Entwicklungen in dieser Hinsicht. Nach dem Krieg (so die Ukraine überhaupt gewinnt, was ich ernsthaft bezweifle) wird das Land in Trümmern liegen, Fachkräfte wie Ärzte werden dort noch mehr fehlen als hier und das kollektive Trauma eines Vernichtungskrieges sollte man auch nicht unterschätzen. Du wirst dort lediglich der Ausländer sein, isoliert und auf deine Frau angewiesen.

Das Gras sieht auf der anderen Seite immer grüner aus, aber einerseits hat jedes Land Probleme und andererseits nimmt man sich selbst immer mit. Ich glaube daher nicht, dass du dir damit auf Dauer einen Gefallen tun würdest.
 

Marisol

Aktives Mitglied
Als wir vor 3 Wochen zur Beerdigung in der Ukraine waren habe ich erlebt, was richtige Solidarität ist. Alle Nachbarn hatten sich zusammen getan und die Beerdigung organisiert und das Geld vorgestreckt. Leider ist ihre Mama völlig unerwartet gestorben, wir mussten innerhalb von ein Paar Stunden die Reise in ein Land in Kriegszustand oranisieren und fahren. Ich fand diese Solidarität überwältigend. Dort stirbt keiner alleine, die Nachbarn sorgen sich um einen.
Das ist immer so, wenn die Leute angesichts eines gemeinsamen Feindes zusammenrücken. Ich würde das nicht idealisieren.
Wenn die Ukraine euch gefällt und ihr hier ohnehin kein zufriedenes Leben lebt - wandert aus.
Allerdings würde ich unbedingt im Vorfeld die Sprache lernen.
Die ganze Atmosphäre und die Lebensumstände in Deutschland werden immer bedrückender. Mittlerweile muss man Angst haben, ernsthaft krank zu werden und einen Termin beim Facharzt zu brauchen
Sorry, aber gemessen mit der ärztlichen Versorgung in Osteuropa leben wir hier paradiesisch. Mir ist auch nicht ganz klar, was an "Atmosphäre und Lebensumständen" in einem zerbombten Armutsland so viel besser sein sollte. Aber ich muss ja auch nicht dort leben.
Wenn ihr tatsächlich auswandern wollt, bereitet euch gut vor. Und haltet euch eine Hintertüre nach Deutschland offen.
Falls der Krieg sich noch lange hinzieht, wären Bulgarien oder Rumänien vielleicht noch Alternativen.
 

Alexej

Mitglied
Ich bezweifle das es dir irgendwo anders besser gehen würde als hier. Man muss bedenken, dass die Ukraine nach wie vor ein hochgradig korruptes Land sind, trotz aller positiver Entwicklungen in dieser Hinsicht.
Glaube ich auch, ich habe mit Ukrainer Kontakt, und die erzählen auch, dass Korruption immer noch ein sehr großes Problem ist.

Ich selbst lebe schon seit 10 Jahren in Deutschland und komme aus Kasachstan und habe hier fertig studiert, aber ich sag ehrlich, ich gehe nicht zurück, wahrscheinlich aus den gleichen Gründen viele Ukrainer nicht zurück in die Ukraine zurückgehen wollen. Egal ob Ukraine, Russland oder Kasachstan, viele GUS-Staaten haben dieselben Probleme wie schlechte Medizin, geringe Bezahlung und viel Korruption. Ich weiß wovon ich rede, weil ich bis 20 in Kasachstan gelebt habe. Ich glaube nicht, dass Ukraine so viel anders ist als Kasachstan, erst recht nicht, was ich von Ukrainern gehört habe. Auf Russisch nennen wir GUS-Staaten "совок" weil sich seit UdSSR trotzdem nicht viel geändert hat in diesen Ländern. Mentalität gefällt mir dort auch viel mehr als deutsche, aber sonst ? Ganz ehrlich, in allem anderen ist Deutschland besser. Aber muss jeder selber entscheiden, ich kenn auch Leute die zurück nach Russland gegangen sind, nur ich persönlich würde es nicht tun, weil ich auf den Lifestyle in Deutschland nicht verzichten will.
 

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