Ich habe ADHS und bin relativ spät diagnostiziert worden. Mein Typ von ADHS ist nicht so offensichtlich.
Bei mir ist es so, dass ich ständig meine Schlüssel und Dinge verlege.
Deshalb war auch von Anfang an klar, dass ich etwas mache, wo es nicht so sehr auf Genauigkeit ankommt, wo ich mich bewegen kann und immer in Action bin: Physiotherapeut.
Wie bei vielen ADHS lern ist es aber so, dass ich keine Routine bekommen darf, weil es mich sonst langweilt, ich depressiv werde und mir der Elan weg ist. Davor habe ich Angst.
Ich treffe mich einmal pro Monat mit einer Selbsthilfegruppe in der viele ADHS Geplagte sind. Viele berichten davon, dass der Job vorbei ist, sobald Routine rein kommt.
Davor habe ich Angst.
Die Frage ist nun, wie kann ich das vermeiden?
Ich möchte auf keinen Fall so einen Flickenteppichlebenslauf wie manche in der Selbsthilfegruppe haben.
Die haben schon 7 verschiedene Jobs gehabt, weil sie durch die ADHS immer wieder wechseln mussten.
Nur, wie verhindere ich, dass Routine rein kommt?
Noch ist alles aufregend und neu. Ich sehe mich aber in 2 Jahren schon woanders wie die anderen Betroffenen.
Aber ich will das eigentlich nicht.
Hi Andreas,
du beschreibst genau das, was die letzten Jahre auch immer mein Problem war.
Habe bisher in mind 7 verschiedenen Berufsfeldern gearbeitet.
Hm, aber ich sehe das irgendwie nicht als schlimm an. Es bedeutet ja nur ich habe Erfahrung in verschiedenen Bereichen gesammelt.
Die Vorstellung den gleichen Beruf mein Leben lang auszuführen war für mich schon in der Ausbildungszeit gruselig.
Hm also was ich dazu jetzt schreibe ist der Versuch eine Lösung oder Erkenntnis zu erarbeiten. Ich hänge da nämlich auch noch arg an irgendwelchen Vorstellungen fest. Zur Zeit ist es so, das bevor ich etwas Versuche es eigentlich schon abgehakt habe.
Ich sehe immer viele Dinge schon vorher die mir missfallen, weiß aber dann auch gar nicht ob diese überhaupt so wären.
Ich glaube es ist nicht nur wichtig wie dein Zustand während oder bezüglich deiner Arbeit ist, sondern ganz allgemein in jedem Augenblick.
Du spaltest die Arbeit grad von deinem Leben ab. Hier dein Leben - dort die Arbeit. Oder?
Für die meisten wohl, ist es so, das ihr Leben erst am Wochenende beginnt, oder im Urlaub. Ist das nicht tragisch, wie viel ungelebte Lebenszeit entsteht? So viele quälen sich durch den Tag.
Dabei ist die Arbeit auch dein Leben, da gibt es keinen Unterschied.
Das zu verinnerlichen ist wohl ein wichtiger Schritt.
Routine ist das Gegenteil von Abenteuer.
Und ist das Leben ansich nicht schon ein Abenteuer?
Routine kommt eher dem Tod gleich, finde ich.
Neues wird beachtet, bestaunt, man ist "bewusst da". Muss man ja, weil es etwas zu entdecken und zu lernen gibt. Man muss aufpassen, die Konzentration und Achtsamkeit ist gefordert.
Routine erinnert mich eher an den immer gleichen Ablauf einer Maschine. Bei der Vorstellung gruselt es mich auch wieder.
Aber wahrscheinlich ist es nur die Vorstellung und nicht die Sache an sich. 🤔
Das mit dem Fluchtgedanken finde ich gar nicht so verkehrt.
Ich glaube ganz simpel ausgedrückt, flüchtet man vor dem Tod.
Denn das ist es ja was am Ende der Arbeitszeit bzw von allem wartet. Man sitzt seine Zeit ab, verschwendet sie an immer wiederkehrende gleiche Tätigkeiten, erlebt "Nichts Neues". Das Leben fühlt sich ja schon wie ein Sterben an...
Aber das sind nur Gedanken die wir selbst erzeugen, das muss klar sein. Das ist nicht die Wahrheit über das was Leben ist.
Man kann das Leben immer als Abenteuer sehen. Oder auch immer als ein Sterben auf Raten, nichts anderes ist es ja auch.
Aber die Zeit die wir haben nennt sich Leben.
Und wie wollen wir diese erleben?
Wirklich in Angst und Sorge? Machen diese erzeugten Gefühle das Leben angenehmer oder lebenswerter?
Das Leben geht unweigerlich rum, auch mit noch so viel Angst und Sorge, diese ändern ja rein gar nichts daran. Eher blockieren sie.
Was das Leben vom Tod unterscheidet ist wohl das man als Lebender Erfahrungen machen kann, so viele unterschiedliche, fast unbegrenzt. Als Toter erlebst du gar nichts mehr, schon eine Ähnlichkeit zur Routine oder? 😜
Nimmt man das Leben nicht als selbstverständlich hin, ist es doch ein Wunder oder?
Ein Geschenk, eine großartige Möglichkeit so viele unterschiedliche Erfahrungen zu machen. Wenn man jeden Tag, jeden Augenblick achtsam ist, die Dinge, wie als wären sie Neu betrachtet, kann eigentlich keine Routine aufkommen oder?
Das erfordert volles Bewusstsein.
In der Routine schalten wir ja ab. Eigentlich ist das zu unserem Vorteil gedacht. Ein Handlungsablauf wird automatisiert und läuft im Hintergrund ab, wir müssen nicht mehr mit vollem Bewusstsein dabei sein. Das ist wie ein Autopilot.
Gehen ist zb eine Routine. Man beobachte ein Kleinkind beim Laufen lernen, welche Konzentration und Aufmerksamkeit es bedarf die Füße richtig zu benutzen und das Körpergewicht richtig zu verlagern.
So viele Tätigkeiten unseres Körpers haben sich automatisiert. Beim Autofahren weiß man es noch am besten. Kuppeln, Schalten, Blinken und Lenken und das alles auf einmal?! War in der Fahrschule sehr schwer aber nach einiger Zeit ist es Routine und alles läuft wie von allein ohne groß drüber nach zu denken.
Durch dieses Automatisieren bestimmter Tätigkeiten wird unser Bewusstsein wieder frei. Der Autopilot läuft und wir können noch weitere Dinge nebenher tun.
Doch ich glaube was die wenigsten tun ist dann bewusst wahrzunehmen. Achtsam sein. Das Leben wahr nehmen, was wir nur relativ kurz können bevor wir wieder weg sind.
Statt dessen werden anderen Tätigkeiten hinzu gepackt, angefangen bei Gesprächen bis hin zu Nachdenken. Über alles mögliche wird nachgedacht, dabei rauscht das Leben an uns ungesehen vorbei wie die Landschaft wenn man in einem ICE sitzt. WUSCH alles vorbei, man hat gar nichts richtig von mitbekommen.
Wofür sollten wir unser Bewusstsein denn sonst frei halten wenn nicht für das was um uns herum ist?
Haben wir unser Bewusstsein nur fürs Denken? Ich denke nicht, für Denken bräuchten wir unsere Sinne nicht.
Unsere Sinne dienen in erster Linie der Wahrnehmung. Wahrnehmung geschieht nur wenn wir bewusst sind.
Ansonsten isst man etwas und schmeckt kaum etwas davon weil die Wahrnehmung bei einem Film ist oder beim Denken.
Man sieht nichts, weil man grad jemandem zuhört oder nachdenkt.
Und so geht das weiter. Unser Gehirn kann aber viel mehr wahrnehmen, vorausgesetzt wir sind bewusst.
Also das passt schon gut zu diesem Aufmerksamkeitsdefizit. In dem Begriff ADHS sehe ich auch nur die Bezeichnung eines Zustands, nicht eine Krankheit.
Es bedarf bestimmt nur einer gewissen Schulung an Bewusstheit und dann wird auch der Autopilot nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen sondern eher als nützliches Zubehör.
Wer will denn heute noch so Autofahren wie in der Fahrschule?
Volles Bewusstsein dafür aufwenden die richtigen Vorgänge zur richtigen Zeit zu tun? Jetzt können wir Autofahren und dabei Musik genießen, die Landschaft bewundern, das Geschehen draußen einfach bewusst wahr nehmen.
Wenn man das dann überhaupt will. Es laufen ja auch andere, innere, psychologische Programme auf Autopilot ab. Und da hat der Autopilot wohl absolut nichts zu suchen.
Diese rauben uns wieder unser Bewusstsein und verwickeln uns in Denkprozesse die zu keiner Lösung dienlich sind.
Sorgen und Ängste, was ist wenn xy passiert, er/sie mich nicht mag, ich dies oder jenes nicht schaffe, mir nicht gefällt, schief geht usw. Hm die Angst vor der Zukunft. Und man ist wieder nicht bewusst da sondern hängt im Kopf fest, in eigenen Zukunftshorrorszenarien, in Phantasievorstellungen.
Also zusammenfassend auch für mich, seine Achtsamkeit zu schulen wird wichtig sein.
Bestimmte Tätigkeiten können im Autopilot laufen, aber das hat den Zweck das wir zeitgleich bewusst das Leben wahr nehmen können.
Und dann könnte sowas wie Dankbarkeit entstehen für alle die Dinge, die wir bewusst wahr nehmen. Und Freude könnte entstehen, weil wir so viele Möglichkeiten haben das Leben wahrzunehmen.
Wie riecht etwas, wie schmeckt etwas, wie fühlt sich etwas an. Wie fühlt es sich an anderen Menschen zu helfen, Schmerzen zu lindern. Das vermag ja der Beruf der Physiotherapie. Ist das nicht wie ein kleines Wunder anderen Menschen bei der Linderung oder Beseitigung ihrer Beschwerden zu helfen?
Wenn du nur an die Angst vor Routine denkst, vergisst du da nicht u.a. die anderen Menschen die Hilfe bei der Linderung ihrer Beschwerden brauchen? Da fehlt die Aufmerksamkeit für, oder?
Es ist ja so, das gar kein Aufmerksamkeitsdefizit besteht, sondern die Aufmerksamkeit nur von Außen für innere Denkprozesse abgezogen wird. Und worum geht es bei diesen inneren Denkprozessen? Um das ICH.
Immer diese Angst um das Ich. Das verhindert halt zu oft das man lebt.
Hin zum Du, das bedarf auch Bewusstsein und Aufmerksamkeit und bereichert im Gegensatz zum angstvollen Kreisen um das Ich.
Vielleicht kannst damit was anfangen.
Das ist nur Theorie, für die Umsetzung braucht es wohl praktische Anleitung.
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