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EneMeneMuh123
Gast
Hallo,
ich schreibe hier, weil ich nicht mehr weiß, wohin mit meinen Gefühlen. Ich traue mich nicht, mit jemandem, den ich kenne darüber zu reden, aber ich muss es irgendwie loswerden.
Gestern Abend gab es eine Situation mit meinem Freund, die mich sehr verletzt und schockiert hat. Es war das erste Mal, dass er meine Grenzen so übergangen hat.
Schon vorgestern hatte er angedeutet, dass er Sex möchte und ich hatte da schon gesagt, dass ich nicht will. Gestern dann hat er es wieder versucht. Ich habe mehrfach gesagt, dass mir gerade nicht danach ist. Ich habe mich weggedreht, seine Hand weggeschoben, dann auf den Bauch gedreht und die Decke über mich gezogen, um ihm zu zeigen, dass ich das nicht will.
Trotzdem hat er nicht aufgehört...Er hat versucht, mich an der Brust zu berühren, dann hinten seinen Finger einzuführen, obwohl ich gesagt habe: „Heute nicht, das fühlt sich nicht gut an.“
Und dann, obwohl ich mich nicht bewegt habe, obwohl ich unter der Decke lag, hat er die Decke plötzlich weggezogen und mich penetriert. Ich war wie erstarrt. Ich habe nichts mehr gesagt, nichts mehr gemacht, ich war einfach nur wie unter Schock.
Irgendwann hat er aufgehört und gefragt, ob alles okay ist und ich bin aufgestanden und ins Bad gegangen. Ich habe geweint, und er hat es gesehen. Er hat gefragt, was los ist, aber ich konnte nicht sprechen.
Das Ganze hat bei mir starke Erinnerungen an Missbrauch durch meinen Ex ausgelöst von dem mein jetziger Freund eigentlich weiß. Ich hatte es ihm anvertraut, und er war damals sehr betroffen. Umso mehr tut es weh, dass er jetzt selbst meine Grenzen so ignoriert hat.
Ich weiß, dass er gerade oft Sex möchte – aber ich habe deutlich nein gesagt und ich habe mich mehrmals abgegrenzt.
Ich frage mich: Reagiere ich über? War das sexuelle Gewalt? Ich fühle mich so unsicher, traurig, wütend – und gleichzeitig total durcheinander, weil ich sowas nie von ihm erwartet hätte.
Vielleicht hat jemand von euch Ähnliches erlebt oder Gedanken dazu. Ich fühle mich einfach sehr allein.
Hallo Mondlicht,
zunächst muss ich mich in Anbetracht einiger Antworten, die das von dir Beschriebene verharmlosen, einmal heftig schütteln. Mir ist vor sieben Jahren etwas Ähnliches wie dir passiert, in einer Beziehung, die ich damals als liebevoll eingestuft hatte. Zuvor hatte ich ebenfalls eine Beziehung, die ich subjektiv als "schlimmer" wahrgenommen hatte. Kurzum: Ich war in einer sehr ähnlichen Situation wie du und auch meine Gefühle waren denen, die du beschreibst, vergleichbar, inklusive der Zerrissenheit. Ich habe einerseits gewusst, dass das, was passiert war, schlimm und eine Straftat war, andererseits habe ich lieber an ein Missverständnis glauben wollen. Der Gedanke, dass der Mensch, den ich geliebt und dem ich vertraut habe mir DAS angetan hat, war zu schmerzhaft und meine Welt wäre damals zusammengebrochen, wenn ich mir nüchtern eingestanden hätte, was geschehen war.
Vielleicht hilft es dir, zu hören, wie meine Geschichte weitergegangen ist: Ich habe zunächst das Gespräch mit ihm gesucht, weil ich verstehen wollte, was da passiert ist. Er hat es indirekt zugegeben und gleichzeitig bagatellisiert. Ich habe in all der Verwirrung mehr als ein Jahr lang versucht, die Beziehung fortzuführen als wäre nichts geschehen. Spoiler: Hat nicht funktioniert. Auch wenn es zu keinem weiteren Übergriff kam, waren meine Gefühle für ihn seitdem nahezu weg, das Vertrauen sowieso. Aber es hat gedauert, bis ich das sehen und mir eingestehen konnte. Nach mehreren Anläufen habe ich die Beziehung beendet. Das Geschehene hat mich stark beschäftigt und nicht losgelassen, obwohl ich mit sexueller Gewalt bis dahin nicht vorbelastet war. Fünf Jahre nach der Tat habe ich ihn, in der Hoffnung etwas inneren Frieden zurückzubekommen, angezeigt. Es wurde Anklage erhoben, ob es zu einer Verurteilung kommt, ist offen, aber unabhängig von dem Ergebnis bin ich inzwischen froh, diesen Schritt gegangen zu sein, damit auch er sich mit dem Übergriff beschäftigen muss.
Rückblickend würde ich mir wünschen, ich hätte damals meine Gefühle ernst genommen und direkt die Beziehung beendet, das hätte mir viel Leid und Grübelei erspart. Andererseits ist es, wie ich schon zuvor gesagt hatte: Meine Welt wäre zusammengebrochen, vielleicht habe ich die Zeit danach auch gebraucht, um es über Monate hinweg Stück für Stück zu realisieren, weil ich ansonsten in eine tiefe Verzweiflung gerutscht wäre.
Was dir passiert ist, ist schrecklich und so, wie du die Situation beschreibst, sehe ich nicht, wo dein Partner etwas missverstanden haben könnte. Du hast klare Signale gesendet. Du hast mehrfach "nein" gesagt und dich weggedreht. Er hat dich weiter bedrängt. Irgendwann bist du erstarrt und er hat dich penetriert. Irgendwann hat er vermutlich ein schlechtes Gewissen bekommen und aufgehört.
Anders gefragt: Wo in deinen Reaktionen ist da auch nur ein Quäntchen Einvernehmen? Alles an deinen Worten und deiner Körpersprache hat "nein" signalisiert. Das wird dein Partner ebenfalls erkannt haben; ich nehme an, dass er weder blind noch taub noch intelligenzgemindert ist. Und Sexualität gegen den erkennbaren Willen ist ganz nüchtern eine Vergewaltigung. Ich glaube auch, dass er dir nicht bewusst schaden wollte, aber er hat seinen Geschlechtstrieb in dem Moment über dein Wohlbefinden gestellt. Es war ihm - zumindest für einen Moment - egal. Das ist ein ganz übler Vertrauensbruch, gerade weil du ihn geliebt hast, dich bei ihm sicher gefühlt hast und ihm so etwas niemals zugetraut hättest.
Aus meinen Erfahrungen heraus fürchte ich, dass du dich mit ihm zukünftig auch nie wieder so vertraut und sicher fühlen kannst wie zuvor. Eine Vergewaltigung ist nichts, worüber man hinweg sehen und anschließend eine gesunde stabile Beziehung fortführen kann. Er hat da zwischen euch irreversibel etwas zerstört. Allein, wie es dir jetzt geht, spricht Bände. Du fühlst dich furchtbar, bist in einem riesigen Gefühlschaos und retraumatisiert - wegen ihm!!! Ist das wirklich ein liebevoller Partner? Was willst du mit jemandem, der von deinen Traumata weiß und dennoch so handelt? Wie du schon sagst, eigentlich müsste er besonders rücksichtsvoll und sensibilisiert sein. Er hat dir da eine tiefe Wunde zugefügt, die du jetzt flicken musst. Kann es sein, dass du dir deinen Partner schönredest? Oder ist dein Maßstab an einen tollen Partner durch deinen Ex möglicherweise zu niedrig angesetzt? Hattest du zuvor jemals eine gesunde glückliche Beziehung oder ist der Ex der Referenzwert? Falls ja, wundert es mich wenig, wenn dein Partner da im traurigen Vergleich sogar gut abschneidet. Hand aufs Herz: Kannst du ihm jemals wieder vertrauen oder unbedarft Sexualität mit ihm teilen?
Liebes Mondlicht, du musst selbst entscheiden, was du nun tust, aber ich denke, das Sinnvollste, um dich selbst zu schützen ist, die Beziehung zu beenden! Du schreibst hier im Forum, weil du dich missbraucht fühlst, das sagt doch schon alles... Steh für dich ein! Nimm deine Gefühle ernst! Sprich dir nicht deine Wahrnehmung ab und lass sie dir von niemandem absprechen, v.a. nicht von ihm. Die Beziehung nach der Vergewaltigung weiterführen bedeutet, deine Gefühle und dich selbst zu verleugnen. Die Beziehung beenden bedeutet sehr viel Schmerz und Kummer, aber auch, dass du für dich einstehst. Ich verstehe zu gut, wie durcheinander du bist, vor allem wenn ein Partner viele positive Facetten hat und nicht per se ein schlechter Mensch ist. Es ändert aber nichts daran, dass er etwas Schlimmes getan hat, was das Fortführen einer Beziehung schwierig bis unmöglich macht. Wenn du aktuell keine Entscheidung treffen kannst, versuche zumindest auszuziehen und räumlichen Abstand zu gewinnen. Seine Anwesenheit macht es dir noch schwerer, klar zu denken und vermutlich wird er zusätzlich versuchen, sich herauszureden und/oder dich zu umwerben. Wenn du bei ihm bleibst, muss er keine Konsequenzen befürchten, er wird daher ein Interesse daran haben, dass du das Geschehene unter den Teppich kehrst. Behalte das im Hinterkopf. Ob du ihn anzeigen möchtest, ist ein anderes Thema, genauso wie die juristische Bewertung mit allen Details und Beweismitteln. So, wie ich deine Beiträge lese, steht für dich zunächst die Frage, wie es mit der Beziehung weitergehen soll, im Vordergrund und das ist total legitim!
Vermutlich täte es gut, wenn du dich jemandem in deinem Umfeld (z.B. einer guten Freundin) und zusätzlich einer Beratungsstelle sowie einer Therapeutin anvertrauen würdest und das Schweigen brichst. Er hat Mist gebaut und du hast Hemmungen darüber zu reden? Nicht richtig, finde ich. Schweigen schützt nur einen: ihn. Und schadet dir bei der Verarbeitung. Du darfst dir gerade Unterstützung suchen, das ist keine Schwäche und ihn zu schützen ist nicht deine Aufgabe. Deine Gefühle sind normal angesichts dessen, was vorgefallen ist.
LG