Aber der Druck, sein Kind zu "optimieren" hat doch seinen Ursprung ganz woanders: Das thema ist ja allgegenwärtig (siehe Helicoptereltern): Es reicht nicht mehr, ein normales Kind zu haben, sondenr es muss mindestens hochbegabt, Eishockmeister und bester im meditativen Malkurs sein.
Aber dass das so ist und Eltern ihre Kinder manchmal wie Statussymbole behandeln, hat seinen Ursprung ja nicht in der Frage ob man behinderte Kinder abtreiben darf oder nicht: Eher umgekehrt!
Um diesen Optimierungsgedanken anzugehen sollte man ganz woanders ansetzen. Wenn man die Pränataldiagnostik nicht machen würde, würde sich an dieser Optimiererei auch nichts ändern. Es sollte eher an unserem verqueren Leistungsgedanken gearbeitet werden: Und dazu gehört für mich zB auch, Frauen zuzugestehen, KEINE perfekten und allzeit aufopferungsbereiten Supermütter zu sein, die natürlich easy und leicht wuppen, wenn das Kind behindert ist. Das ist ja auch eine Form von Druck, die auf Frauen ausgeübt wird: Eine Frau darf nicht dazu stehen, dass sie es nicht packt, ein behindertes Kind zu haben- sie HAT das zu packen!. Und wenn nicht, dann wird ihr halt unterstellt, sie wäre egoistisch oder sonst was.
Und das ist doch das gleiche in Grün: Genau daher kommt doch dieser Optimierungstrieb: Dass Mütter (und Eltern generell) unter Druck gesetzt werden es immer alles voll im griff zu haben, nie Schwäche zu zeigen und wenn ihr Kind "Mängel" hat, dann wird ihnen das als Versagen ausgelegt und wenn sie nicht klar kommen, überfordert sind oder was auch immer, dann wird ihnen das ebenfalls als Versagen ausgelegt. Und zwar egal ob das Kind gesund ist oder nicht.
Das beobachte ich schon sehr flächendeckend: Wie hart und unnachgiebig die Gesellschaft vor allem über Mütter urteilt, die sich IRGENDWO eine Schwäche geleistet haben. Nie ist das urteil der Mitmenschen härter und ungerechter.
DAS ist der Druck unter dem Mütter stehen und es ist kein Wunder, dass man sich in einer Welt, die einem sogar bei einem gesunden Kind einen nicht aushaltbaren Druck aufhalst nicht auch noch ein Kind mit Behinderung zutraut.
Lies dich doch mal durch Internetforen (auch hier in diesem Forum): Wann immer eine Mutter eine Kleinigkeit suboptimal gemacht hat bekommt sie die volle Knüppelhärte. Da kann es um Themen gehen wie: Mein Kind ist verhaltensauffällig was tun? (Antwort:"Selber schuld, Du hast alles vergeigt, kein Wunder dass das arme Kind verhaltensauffällig ist, man sollte DIr das Kind wegnehmen"). Oder "Ich habe mein Kind angeschrieen, und ein schlechtes Gewissen" (Antwort: "Leuten wie Dir sollte man die Kinder wegnehmen, was Du betreibst ist Psychofolter") usw. Nachsicht und Verständnis dafür, dass Eltern auch Menschen sind und Fehler machen oder Schwächen haben, kannst Du heutzugte jedenfalls kaum erwarten.
ich meine: Das geht ja schon bei Banalitäten los: ich habe zB als Pausenbrot oft nur ein Butterbrot dabeigehabt oder eine trockene Breze: Hat niemanden gestört- mich auch nicht. Mach das heute mal und gibt deinem Kind nur ein Butterbrot mit und keine in Mickeymausform geschnitzten Grukenscheibchen und aus Radischen zusammengebauten Mäusefiguren mit: Dann werden Dich die anderen Mütter mindestens abschätzig mustern ("Neue Schuhe trägt sie, aber für das Kind reicht es nur für ein Butterbrot" - "ich hab sie ja letztens auch im Restaurant gesehen- DAS kann sie sich leisten, aber für ihr Kind tut sie nichts") oder Du bekommst sogar Ärger mit den Lehrern/Kindergärtnern.
DA liegt doch der Hase im Pfeffer. Wenn man den Druck auf Eltern verringen möchte, sollte man sich mit Pauschalurteilen wie "Die machen das ja nur zu selbstoptimierung" zurückhalten und auch mal daran denken, dass Eltern auch Menschen sind (ich frage mich sowieso: Es wird immer so sehr vom Wert des Lebens gesprochen, aber offenbar verliert man diesen Wert in dem Moment, wo man sich fortpflanzt: Dann hat man plötzlich nur noch einen Versorgerwert für sein Kind- so kommt es mir vor...
Letztlich steckt hinter der Diagnose einer behinderung IMMER eine schwere persönliche Tragödie- da kann man es nicht auch noch brauchen, dass einem "Die Gesellscahft" egoismus vorwirft.