Eine enge Freundin zu verlieren und die Schuld wirklich ehrlich bei sich zu sehen, das allein ist schon eine harte Erfahrung gegenüber sich selbst. Schlimmer wird es, wenn diese Einsicht an der eigenen Schuld keine Veränderung bringt... man diese Schuld irgendwo erkennt, aber sich nichts ändert. Was macht man denn dann? Das Schuldbewusstsein ist vorhanden, aber man kann diese Schuld nicht loswerden. Umso mehr jemand anderen einem nicht mehr verzeihen kann, umso schwieriger wird es sich selbst zu verzeihen. Das Schuldeingeständnis bringt nichts. Und mit dem eigentlich unerklärlichen Effekt sucht man wohl nur noch nach mehr Schuld bei sich selbst, damit man diese veränderbare Situation finden könnte, den wahren schlechten Punkt in der Vergangenheit. Ein Kreislauf.
Zunächst einmal finde ich es toll, dass du nach wie vor so aktiv und vor allem ausführlich antwortest, das hilft mir bereits sehr.
Mir war eben bis zum Schluss nicht wirklich klar woran es lag, dass wir nicht mehr zueinander gepasst haben und da ich mit ihr nicht mehr darüber reden konnte, habe ich das Problem bei mir selbst gesucht.
Daher wäre die Frage, wie sehr vermisst du diese enge Freundin? In wie viel Situationen und anderen Menschen siehst du Parallelen zu ihr eurem ehemaligen Verhältnis? Und bei deiner anderen netten Bekanntschaft... ging es wirklich darum, dass du nicht an dein altes Ich erinnert werden wolltest, oder war es eher eine Selbstbestrafung, weil du dir diese Bekanntschaft nicht gegönnt hast... sie als nicht verdient angesehen hast?
Ich denke fast jeden Tag an sie, fast alles erinnert mich an unsere gemeinsame Zeit. Und über Selbstbestrafung habe ich in dem Sinne nicht nachgedacht..aber das trifft es schon. Ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffe diese neue Person in meinem Leben zu halten und habe sie lieber aufgegeben, als noch jemanden zu verletzen und zu verlieren.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dir dieser Kontaktverlust egal ist. Vor allem, wenn du auf einmal die Schuld bei dir siehst. Das stellt sie nochmals als einen wertvolleren Menschen dar und somit als einen nochmals höheren Verlust. Ich kann mir auch dort nur wieder Verdrängung vorstellen, um zu versuchen sich damit abzufinden. Verdrängung, die auch dort wieder mit Worten aussehen könnte, dass man sie eh nicht verdient hätte. Oder wie hast du es geschafft damit abzuschließen?
Das trifft es schon mehr oder weniger. Eine zeit lang war ich böse auf sie, aber das hat mich nicht weitergebracht, dann dachte ich ich muss was falsch gemacht haben und sollte einfach akzeptieren, dass sie mich nicht mehr in ihrem Leben will. An sich war meine Intention dann schon, ich vergesse sie einfach und versuche den Fehler nicht nochmal zu machen, aber jetzt ist es eben eher so, dass ich mich selbst verabscheue und jeglichen sozialen Kontakten aus dem Weg gehe, weil keiner sie ersetzen kann.
Diese Denkweise ist aber ab einem gewissen Punkt irgendwann auch nicht mehr ehrlich, sondern stellt irgendwann nur noch eine Ausrede dar. Das kann man sogar bei sehr gutherzigen Menschen beobachten. Weil sie durch ihre gute Art sehr Naiv sind enstehen bei denen auch viele Fehler, die sie eigentlich nicht machen wollten. Durch ihr gutes Herz, ist ihr Gewissen umso aktiver und sehen sich selbst als Schlechter an. Gerade wenn ihnen dann die Kraft wieder fehlt, weil ihre gute Art mal erneut ausgenutzt wurde, dann sehen sich selbst als so schlecht an und man hört Worte: Ich bin eh schlecht, habe nichts anderes verdient und kann es daher nicht ändern.
Gerade bei depressiven Menschen, die oft eher Opfer der Gesellschaft sind, die viel Schlechtes erlebt haben und durch die ganzen Selbstkomplexe und dem sich selbst einsperren gar nicht mehr in der Lage sind schlecht zu anderen Menschen sein zu können, die sehen sich selbst als zu schlecht an und dass sie wohl Glück in dieser Welt nicht verdient haben. Ihre Wahrnehmung passt nicht zu ihrer Situation. Denn aus ihren vergangenen Erfahrungen ein neues Ich zu entwickeln ist auch sehr hart und in ihrer Sicht irgendwann hoffnungslos. Da ein guter Mensch aber für andere gute Menschen da wäre, das letzte Hemd gibt, egal was kommen möge.... der würde sich auch in der schlimmsten Situation aufraffen. So auch für sich selbst.... daher kommt irgendwann das schlechte Bild über sie selbst, damit sie für sich selbst aufhören dürfen zu kämpfen, weil ihnen irgendwann die Kraft fehlt und sie nicht mehr können. Diese Ausrede eh zu schlecht zu sein und wohl eh nichts Gutes verdient zu haben macht es irgendwann einfacher und etwas erträglicher. Denn man versucht es wie eine Art Schicksal hinzunehmen und zu akzeptieren.
Also ich habe keine Kraft, weiter an mir zu arbeiten und gebe mich deswegen dem Schicksal hin nichts Gutes zu verdienen? Ich meine, ab und zu bin ich ja schon nett, aber über meine Taten denke ich einfach oft nicht nach und es ist so schwer sich das abzugewöhnen. Ich denke eben immer erst an mich selbst. Das fängt schon so bei Kleinigkeiten an, dass ich anderen nicht die Tür aufhalte oder Besuchern nichts zu trinken anbiete.
Diese Theorie von mir könnte ich mir auch gut bei dir vorstellen. Gerade wenn man anfängt sich mit Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen, dann ist das ein nie aufhörendes Thema. Ein streben stetig besser zu werden ist in dem Bereich etwas anstrengender als körperlich fitter zu werden. Und vor allem habe ich von dir gelesen, dass du dazu neigst schnell aufzugeben, wenn du keine Erfolge siehst oder spürst. Okay, bei Sport kann man es einfach wieder sein lassen. Bei der Persönlichkeitsentwicklung ist man aber mit manchen Gedanken wie mit einem Virus infiziert.
Ich kann gar nicht sagen wie perfekt das mein Problem beschreibt. Ich war immer jemand der viel denkt, vor allem über seine Wirkung auf andere und so weiter, aber ich hatte sonst immer Kontrolle über meine Gedanken. Jetzt nicht mehr. Vor allem da mir wirklich immer langweilig ist und ich dauernd mit neuen Menschen zu tun habe, bin ich fast durchgängig in meinen negativen Gedanken gefangen.
Aufhören funktioniert nicht mehr wirklich. Also was macht wenn, wenn man gerade in dort im Kopf weiß was man machen müsste, was besser wäre... aber der dauernde Kampf gegen sich selbst etwas schwieriger ist als ein paar Hanteln zu heben? Man kann sich eigentlich nur denken, dass das alles eh nichts nützt, weil man am Ende eh zu schlecht ist und dadurch eh nicht verdient hat. Man brauch eine für sich glaubhafte Ausrede, um eine Pause einzulegen. Und gerade solche Sprüche sind schwer für andere mit Erfolg zu kontern.
Ja das stimmt schon. Aber nicht mal der Gedanke, dass ich schlecht bin und es immer sein werde beruhigt mich, ich würde gern anders von mir reden.
Was deine Freunde angeht, die dir verziehen haben. Oft verzeiht man andere Mensche schlimme Taten, weil man Verständnis dafür erlangen kann. Verständnis erlangt man durch eigene Erfahrung von ähnlichen Situationen, daher können sie es nachvollziehen und verstehen. Mit anderen Worten, selbst der scheinbar heiligste Mensch hat seine versteckten Seiten in seinen eigenen vier Wänden. Nur weil du deine Freunde als Vorbildfunktionen in der Verbindung dir gegenüber ansiehst, heißt es nicht, dass sie woanders andere Menschen schlecht behandeln. So wie wir unser Verhalten bestimmter Situationen, Anlässe,Locations anpassen, so passen wir unser Verhalten auch bestimmter Menschen gegenüber an. Seinem Chef verhält man sich immer noch anders gegenüber als seinem Partner. Während unter Freunden ein paar Sprüche einem zum Lachen bringen können, wird man bei anderen von den gleichen Sprüchen sofort gereizt. Wenn man bei manchen Personen die Ruhe in Person ist, flippt man bei anderen direkt aus. Wir haben alle mehrere Gesichter, auch deine Freunde - und bei weitem auch dir gegenüber nicht bei allem ganz unschuldig sein werden - auch wenn du wohl lieber all die ganze Schuld bei allem an dir sehen werden möchtest.
Das stimmt wohl...
Wegen dem Lachen können über die Vergangenheit. Ich weiß gar nicht, wie vielen Menschen ich schon geschadet habe. Ich habe schon wirklich üble Scheiße gebaut und das auch bei Menschen, für die ich sehr viel empfunden habe. Aus den Tränen der Vergangenheit habe ich schon gelernt, daher nützen weder mir noch der anderen Person immer wieder diese Bilder als Drama vors Auge zu halten. Viel mehr weiß ich, wie lächerlich ich war.. wie absurd manchmal meine Gedanken waren und kann umso besser über mich lachen. Denn damit erinner ich mich viel mehr an das was sich in meiner Denkweise geändert hat, anstatt stets nur auf traurige Bilder zu starren. Aus Tragikomödien kann man einfach viel mehr lernen als aus Dramen.
Macht Sinn. Aber wie setzt man das um? Ich habe das Gefühl als würde meine Gedanken gar nicht mehr mir gehören, ich möchte die Vergangenheit akzeptieren und jetzt ein guter Mensch sein, aber meine Fehler wiederholen sich dauernd weil ich gar nicht über mein Handeln nachdenke und wenn irgendwas aufkommt raste ich schon aus, bevor ich darüber nachdenken kann, was mich so frustriert.