Lieber Rhenus,
Du hast an fitundheil Fragen gerichtet (in Blau), auf die ich nachgehend eingehe.
Zudem sind nichts ungenauer als Prophezeiungen... Wie oft ist die Welt schon untergegangen, wie oft der jüngste Tag gekommen?
Verwechsel bitte nicht Prophezeiungen des AT, die in Erfüllung gingen mit Prophezeiungen von Menschen unserer heutigen Zeit, die sich den Eintritt bestimmter Erlebnisse wünschen.
Das ist aber interessant, wie gehst du denn mit dem ideologischen Wiederspruch um, der aus einem rachsüchtigen Gott, den der Liebe macht?
Ein Gott, der das Unrecht duldet oder gar befürwortet, wäre kein Gott der Liebe. Nur wann Er das Unrecht bestraft und in welchem Umfang, das müssen wir schon Ihm überlassen. Und auch solltest Du nicht vergessen, dass das Unrecht seine Wurzeln nicht in gierigem Besitzdenken hat und daher mit Diebstahl oder Vergewaltigung oder Mord endet. Die Wurzel allen Übels ist die Abkehr von Gott, das Gutseinwollen ohne Gott.
Und in wie weit haben die Aussagen im Alten Testament Gültigkeit?
Todesstrafe, keine Gleichberechtigung von Mann und Frau, Menschenopfer, Polygamie, Sklaventum... Usw. usf.
Hier ist zu bemerken, dass zu unterscheiden ist zwischen einer zeitgemäßen Gesellschaftsordnung und einer zeitlosen Gesetzesvorgabe. Die Fortentwicklung der Gesellschaftsordnung kannst Du schon daran erkennen, dass es im AT heisst: „Auge und Auge, Zahn und Zahn“. Und im NT, in der Bergpredigt, hat Jesus dies ersetzt durch Feindesliebe. Unser BGB wird auch ständig fortentwickelt. ("Kleiner" Irrtum Deinerseits: Menschenopfer gehörte nicht zur Gesellschaftsordnung Israels.)
Alles Lug und Trug?
Dieser Vorwurf, gerne von „modernen“ Menschen gegen die Bibel erhoben, kehrt sich am Ende gegen diese Ausleger der Bibel selbst. Angeblich lügt und betrügt die Bibel, da sie z.B. von heiligen Engeln redet, wo doch nur heulendes Elend war, da sie von Jesus als dem verborgenen König und Menschensohn redet, der doch nur ein bettelarmer Softie und Moralist gewesen sein soll. Es stellt sich für mich die Frage, ob dieser Enthüllungsjournalismus unserer heutigen Zeit selbst Lug und Trug ist, dass sich der wirkliche Himmel gar nicht veruntreuen lässt?
Im Zeitalter der Aufklärung begann der Mensch, die großen Menschheitsmythen zu entschlüsseln. Auch die Bibel wurde von da an mit anderen Augen gelesen. Die Bibelforschung der letzten 300 Jahre enthält aber nicht nur lichte Erkenntnisse und einen Zuwachs an Wissen, sondern auch haarsträubende Denkverbote, vorauseilende Ignoranz und philosophische Moden, die ans Märchenerzählen heranreichen. Jesus, dem menschengewordenen Gott, wurde ausgetauscht gegen einen sanftmütigen, sandalentragenden Wüstenprediger mit unerheblichen Alltagsweisheiten.
Dies ist nicht meine Wahrheit, schon gar nicht die, auf der ich sitze oder die ich besitzen könnte. Dass Jesus Gottes Sohn ist, ist eine Wahrheit die ich liebe und die mich erobert hat. Diese Wahrheit ist nicht eine, die ein Mensch konstruieren könnte. Auch reichen keine Worte, um sie ausreichend zu beschreiben. Es ist eine Wahrheit, die im Miteinander von Menschen lebt und die nicht in einer menschengemachten Dogmatik besteht. Aber diese Wahrheit triumphiert nicht einfach, schon gar nicht durch ein Buch, sondern man gehört ihr ein Leben lang und ist auch bereit, mit ihr und für sie zu leiden. Mit der Wahrheit ist es wie mit einer Dame in einem Turnierspiel: Man pflegt sie nicht zu „besitzen“, und sie eröffnet sich nur dem, der um sie kämpft.
LG, Nordrheiner