Hallo magnolia, die Frage nach Heimat hat mich oft beschäftigt, ein Heimatgefühl habe ich - wenn überhaupt - nur in Momenten empfunden, nie dauerhaft. Deine Geschichte kenne ich nicht, ich weiß nicht, woher dein Heimatverlust rührt.
Vielleicht besonders daran, das ich mit ca. 10 Jahren meine Heimat verloren habe und ab da niemals mehr "gewollt" war. Das wurde erst wieder mit 18 Jahren besser, wo ich meine erste eigenen Wohnung hatte. Aber Heimat..... .
Früher habe ich auf die Frage, woher ich komme, oft gesagt: "Von nirgendwo, ich bin einfach mal vom Himmel gefallen und war dann halt da". Vielleicht kannst du mit dem einen oder anderen Gedanken etwas anfangen:
Mein Mann und ich leben seit rund 7 Jahren in Brandenburg nahe Berlin. Ein Heimatgefühl habe ich hier bis heute nicht entwickeln können, trotz netter Kontakte, trotz Haus und Garten (war meine Sehnsucht - ein "fester Platz").
Das verstehe ich nur zu gut. Meine Sehnsucht ist auch ein fester Platz. Fast schon eine irrationale Sehnsucht!
- Mentalität, Sprache, selbst Sprechgeschwindigkeit und Betonung und sogar Körpersprache hier sind immer noch "fremdartig" für mich.
- Landschaft, Natur sind hier ganz anders als im süddeutschen Raum - sehr schön zwar, aber auch nach Jahren noch nicht vertraut.
- Orientierungssinn: ist bei mir schlecht ausgeprägt, d.h. anders als in München, wo ich "gefühlsmäßig" wußte, daß am Stachus hinter mir die Fußgängerzone losgeht, wenn ich den Brunnen sehe, und rechterhand eine große Osram-Reklame oben und darunter eine Passage mit Kinos versteckt ist - kurz: sich beheimatet fühlen hat für mich auch etwas damit zu tun, sich auszukennen, zu wissen, wo welche Läden sind, welche Preise "normal" sind (hier rechne ich immer noch rum, weil alles billiger ist als in München - zwar nett, aber schwierig zu kalkulieren, fühlt sich immer fremd an)
- im Urlaub fühle ich mich nie heimatlos: ob in Barcelona oder an der Ostsee, die Erwartung nach "Heimat" scheint dann nicht da zu sein. Da reicht es mir, ein Gebäude wiederzuerkennen, um ein Gefühl von Vertrautheit herzustellen
- im April waren wir in der Region, in der ich aufgewachsen bin (Baden-Württemberg, Ostalb): es fühlte sich alles vertraut, heimelig und wunderschön an, obwohl ich mit der Gegend dort absolut schlimme Erinnerungen verband. Beim Anblick der sanften, hügeligen Landschaft, der Vegetation dort (Mischwälder), beim Hören des Dialekts sind mir manchmal die Tränen gekommen, weil's so vertraut war. Diese Intensität hat mich selbst überrascht, ich lebe schon seit über 30 Jahren nicht mehr dort.
- ich erinnere mich an eine Klassenkameradin aus meiner Kinderzeit. Sie war Schaustellertochter, sie war nur über den Winter in unserer Klasse. Sie sprach oft von "Heimweh". Sie hatte ein Spieleckhaus, das sie überall, wo sie ankam, aufgebaut hat: sah immer gleich aus, es waren immer dieselben Spielfiguren drin. Ich weiß nicht, ob ihr das geholfen hat - ich könnte mir vorstellen, daß Bezugspunkte - Gegenstände, Bücher, Bilder - ein bißchen "Heimatgefühl" vermitteln können.
Verbundenheit mit einem oderer mehreren Menschen vermittelt mir ein Gefühl von Geborgenheit - nicht aber Heimatgefühl.
Ja, so empfinde ich dies auch!
Es war verschiedentlich auch die Rede von: sich selbst annehmen, bei sich ankommen. Ist mir im Lauf der Jahre auch oft gesagt worden. Es stimmt einerseits: es ist ein wunderschönes Gefühl, "bei sich" anzukommen und mit sich selbst einig zu werden, daraus kann eine besondere Ruhe entstehen. Aber ehrlich gesagt: "Heimat" hat sich für mich daraus nicht entwickelt.
Anders als früher leide ich nicht mehr so sehr unter meiner Heimatlosigkeit, mir sind auch Menschen begegnet, die darunter trotz unstetem Leben über alle Welt nie darunter gelitten haben. Aber eine Art Sehnsucht, die empfinde ich nach wie vor. Es ist so erholsam, wenn um einen herum alles vertraut ist und man intuitiv weiß, wie sich um einen herum alles anhört, welche Geräusche da sein werden, welcher Dialekt gesprochen wird, wie bestimmte Bemerkungen gemeint sind, wie das Wetter bei bestimmten Lichtverhältnissen "weitergehen" wird und die Gerüche um einen herum vertraut sind (ist dir schonmal aufgefallen, daß jede Wohnung anders duftet? Jeder Ort, jede Landschaft hat ganz eigene Gerüche).
Oh Gott ja, die Gerüche...! Das ist mir sehr aufgefallen, das jeder Ort, jede Gegend usw. einen anderen Geruch hat. Ich bin ein absoluter Geruchsmensch und Gerüche und Düfte oder auch Undüfte können so viele Gefühle und Erinnerungen vermitteln.
Vielleicht ist es gut, wenn man die empfundene Heimatlosigkeit annimmt, indem man nicht so sehr das Fehlen von, sondern mehr die Sehnsucht nach Heimat ins Bewußtsein holt. Nur so'n Gefühl, ich finde Sehnsucht weniger schmerzhaft als das Gefühl, etwas nicht zu haben.