Hallo schmetterling268
Ich bin viel zu streng mit mir. Ich habe mir viel zu lange die Schuld gegeben, du hast mir klar gemacht das ich mich irre.
Das ist in der Tat so. Für einen Außenstehenden ist das ganz offensichtlich. Genauso, wie es für Dich beim Nachbarskind offensichtlich wäre.
Ich Bin kein Mensch der auf andere gerne die Schuld schiebt.
Das liegt nicht an Dir, schmetterling268. Deine Gefühle sind auf dem Stand stehengeblieben, als Du 12 Jahre alt warst, weil Du Dich noch nicht mit der Situation auseinandergesetzt hast. Das geht anderen Mißbrauchsopfern nicht anders.
Über die Auseinandersetzung, und dazu gehören Gespräche, wie wir sie hier führen, oder auch Gespräche, die Du vielleicht noch mit Deinem Therapeuten führen wirst, kannst Du die Vergangenheit zurecht rücken. Du kannst nichts ungeschehen machen, aber der erwachsene Schmetterling kann seinem Kind nachträglich die Aufmerksamkeit und die Zuwendung zukommen lassen, die es damals gebraucht hätte.
Es gab einen Täter, der Deine Kindheit ausgenutzt hat. Er hat Dich betrogen und benutzt, Du solltest wütend auf ihn sein. Seine Zuwendung war Täuschung, sie war Mittel zum Zweck. Sobald Du ihn am liebsten durch einen Gartenhexler schieben willst, bist Du ein ganzes Stück weiter.
Was Deine Familie angeht, eignet sich eine Therapie hervorragend, sie in Frage zu stellen, und sich zu fragen, wie man in Zukunft mit ihr umgehen sollte. Ich habe damals festgestellt, dass ich nur aus Pflichtgefühl meine Familie besuche, dass ich mich bei den Besuchen aber immer unwohl gefühlt habe, und habe mit ihr gebrochen. Das ist sicher nicht die ideale Lösung, und ich möchte sie auch nicht empfehlen.
Bei Dir klingt für mich eine unerfüllte Sehnsucht bei Deiner Familie heraus. Etwas, was Du Dir wünschst, was aber so nicht existiert. Vielleicht mußt Du irgendwann feststellen, dass Du nicht bekommen wirst, wonach Du suchst, und die Konsequenzen ziehen. Und darin bist Du frei. Du entscheidest, wie Du den Kontakt zu Deiner Familie gestaltest. Du mußt gar nichts.
Dass man sich als Single gelegentlich einsam fühlt, kenne ich. Irgendwann haben viele Freunde und Bekannte eine Familie, und man muss Kompromisse eingehen. Früher habe ich mit ihnen eine ganze Nacht durchgemacht, heute besuche ich eine Familie, und spiele mit den Kindern.
Das Singleleben erfordert Kreativität und Disziplin, wenn man nicht alleine zuhause versauern möchte. Da ist niemand, den man für seine Gefühle verantwortlich machen kann, der gefälligst etwas mit einem zu unternehmen hat. Man muss sich immer wieder anschieben, das geht auch mir so.
Aber über dieses problem was mich am meisten belastet, kann ich mit keinem reden, ich will ja keinen Belasten.
Verstehst du was ich meine?
Nun, ich denke, Du bist zu vorsichtig. Wobei ich Dir insofern Recht gebe, dass viele Menschen, Freunde und Bekannte, mit dem Thema überfordert sein könnten. Menschen, die mit dem Thema Mißbrauch noch nicht konfrontiert wurden, können dem fassungslos gegenüber stehen.
Du solltest halt schauen, wer in Frage kommen könnte. Hier im Forum kannst Du schreiben. Hier gibt es auch Menschen, die eine ähnliche Geschichte haben, wie Du, die Dich mit ihrer Erfahrung begleiten können.
Bei Deinem Therapeuten solltest Du keine Hemmungen haben. Das ist ein bezahlter professioneller Zuhörer. Er hat sich den Beruf ausgewählt, wenn Du zu ihm gehst, sind das ganz alleine Deine Stunden, nicht seine. Jede Minute gehört Dir, und Du bestimmst, worüber gesprochen wird.
Beratungsstellen für mißbrauchte Frauen würden sich auch noch gut eignen. Sie wissen aus ihrer Erfahrung heraus, was in Dir vorgeht. Dort mußt Du nicht lange reden, um verstanden zu werden.
Bei Freunden und Bekannten solltest Du nach Gefühl entscheiden. Wenn Du ein vertrautes Verhältnis aufgebaut hast, sollte es klappen.
Du bist nicht alleine mit Deinem Problem, schmetterling268. Ich glaube, es gibt noch etwas, was ich für ganz wichtig halte:
Stelle Dir noch einmal das Nachbarmädchen vor, das mißbraucht wird. Es rutscht mehr und mehr in die Situation hinein. Es würde gerne mit jemandem darüber sprechen, wünscht sich, dass es endlich aufhört, wünscht sich Menschen, die ihr helfen könnten. Aber da ist niemand, sie ist ganz alleine. Das Mädchen lernt über die Jahre, dass ihr niemand helfen kann. Niemand wird ihr glauben, niemand wird sie ernst nehmen, niemand wird ihr helfen. Sie muss es alleine schaffen.
Verstehst Du, was ich Dir sagen möchte? Du hast gelernt, dass Du alleine mit dem Problem bist, und dass Du alleine damit fertig werden mußt. Dabei ist das nicht so. Es gibt viele Menschen, denen ähnliches geschehen ist. Und es gibt viele Menschen, die Dir helfen werden.
Als Kind konntest Du das noch nicht überschauen. Es gab Deine Familie, und der duftest Du nichts sagen. Hätte sie Dir überhaupt geglaubt? Hättest Du die Familie zerstört, wenn Du gesprochen hättest? An wen könntest Du Dich überhaupt wenden?
Heute kannst Du es überschauen. Du weißt, an wen Du Dich wenden kannst. Nur die Angst von damals, die ANgst zu sprechen, die ist noch da.
Hast Du denn Deiner besten Freundin jemals erzählt, was damals geschehen ist?
Günter