Ich finde diese Sichtweise zeugt von einer gewissen Arroganz. Sicher muss man das Fach "Wirtschaft" nicht als Wissenschaft sehen, aber dies trifft im gleichen Maße auch auf alle anderen Fächer der Gesellschafts- und auch der Geistes-"wissenschaften" zu, ebenso auf Jura, was das Musterbeispiel einer Praxis ist. Modelle sind wichtig, da das menschliche Verhalten im Detail viel zu komplex ist, um dieses 1
abzubilden. Im weiteren Sinne kann man die Ökonomie dem Feld der
Sozialwissenschaften zuordnen, demnach
wären für Dich auch viele andere Fächer
nicht "studierenswert". Man vergisst dabei, dass die akademische Beschäftigung mit einem Fach ein recht hohes Maß an Reflexions- und Abstraktionsvermögen voraussetzt und die Fachkenntnisse, die man in einem Studium erlangt, eher von nachrangiger Bedeutung sind. Es ist kein Geheimnis, dass auch viel Mumpitz produziert wird, wenn sich z. B. bei Wirtschaftsprognosen die akademischen Glaskugelbesitzer mit den Kaffeesatzlesern unterhalten (Volker Pispers). Wer allerdings behauptet,
Gesellschaftswissenschaften seien, aufgrund ihrer Ungenauigkeit, akademisch
nicht der Beschäftigung wert, der hat meines Erachtens nach, den Kern der Sache nicht verstanden.
Sag mal, wer hat denn von all diesen ganzen Sachen gesprochen ?
Ich nicht! Du interepretierst da so einiges hinein, was ich überhaupt nicht gesagt habe.
Ich sprach einzig von den Wirtschaftswissenschaften, was alleine schon schwierig genug ist, weil es so breit und vielfältig ist, dass man es genau genommen nur schwer pauschal beurteilen kann.
Dennoch rede ich nur aus meiner eigenen Erfahrung in diesem Fachbereich. Einen Fachbereich, den ich in der heutigen(!) Zeit nicht ein zweites Mal mehr studieren würde. Das aber durchaus sogar ein notwendiges) Rüstwerkzeug für's Leben ist, um globale VWL-und Börsenzusammenhänge und die Funktionsweisen von Unternehmen und deren Mittelzu- und Abflüsse zu verstehen.
Zudem halte ich den BWL-Bachelor-Studiengang ohnehin für viel zu kurz, und den Studienplan für viel zu straff. Der Student muß heutzutage verstärkt nur noch abliefern...Leistung bringen: Scheine, Scheine und wieder Scheine...es ist ein Wettlauf mit der Zeit, bei der eine eigene Entfaltung ( das herrliche Stöbern in der Bibliothek, wo man einfach nur Bücher von anderen Autoren und Unis und Biographien querlesen und studieren darf) meist auf der Strecke bleibt, weil es für so etwas kaum noch Zeit gibt. So manche neuen, aktuellen Top 10 Bücher sind immer wieder mal lesenswert und eigentlich Pflichtlektüren für den, der am Puls der Zeit sein möchte. . Wo bleibt heute die Zeit zum Nachdenken über des Gelesene ? Die Diskussion mit Dritten, über bestimmte Zusammenhänge, die zu einem integralen Bild führen können, in denen sich der Mensch selbst erkennt und sich seiner Richtung bewußt wird ?
Stattdessen steht verstärkt die performance des Studenten auf dem Plan, der in die Maschinerie Uni geraten ist. Überlebt er das Studium in der vorgeschrieben Zeit, kann er natürlich mit sich zufrieden sein, doch er steht vor dem Problem, was er denn nur mit diesem wirtschaftswissenschaftlichen Wissen bloß anfangen soll ? Mehr noch fragt er sich rückblickend, was er denn nur wirklich davon kann und was er da nur gelernt hat ? Deshalb halte ich es in der heutigen Zeit für Leute, die etwas Verstehen wollen, weil sie ein wirkliches Interesse daran haben, für ein etwas unbefriedigendes Studium. Einen Job wird die Person aber natürlich finden. Denn sie hat gelernt, sich einzuarbeiten, sich zu artikulieren und auf den Punkt abzuliefern. Deshalb sollte man Wirtschaftswissenschaft in der heutigen Zeit nicht unbedingt aus dem Motiv des Interesses und Verständnisses studieren, sondern einfach effizient prüfungsorientiert arbeiten. Input effizient aufnehmen, in kleinen 3 - max. 5 Mann starken Studentengruppen zusammenarbeiten, sich Unterlagen von höheren Semestern beschafften und dem Professor das gewünschte inspirierende, kritische oder mitläuferische Output geben, welches er hören will. Der Prof. kann sehr gut im direkten Kontakt bestimmte Studenten/Studentinnen einschätzen und weiß, wie er das Gesagte des Studenten zu bewerten hat. Authentische Professionalität gehört zum erwünschten Ziel eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums!
Ich persönlich wäre mit meinem Ratschlag sehr zufrieden. Außerdem versteht man gewisse Dinge erst im Nachhinein ;-) Aber strategisches Denken kann man neben dem operativen Denken im wirtschaftwissenschaftlichen Studium gut erlernen. Als Kapitän seines eigenen Schiffs kann man dann sogar galant gewisse Untiefen und Riffe umsteuern.
Mir hat ein Bekannter unbegründet, ohne selbst fachliche Kompetenz davon zu haben, von einem VWL-Studium als brotlose Kunst abgeraten (ohne dass er die Bedeutung und den Sinn dieser Disziplin erkannt hat). Ich habe aber trotzdem den Weg der Wirtschaftswissenschaft eingeschlagen, denn der Mensch muß das tun, wozu er sich gedrängt fühlt, das was ihn befriedigt und nicht, was Dritte meinen oder von einem wollen. Wer Wirtschaftswissenschaft studieren will, soll es studieren. Das gilt auch für alle anderen Fachrichtungen, ganz gleich ob es Gesellschafts-oder Naturwissenschaften sind.