Hallo anxioushistrionic,
dein neuer Freund braucht vor allem eine adäquate Behandlung seiner Depression. Ich vergleiche diese Erkrankung gerne mit einer stark blutenden Wunde, die immer wieder aufgeht: da würdest du auch nicht fragen, welche Art von Kontakt da angemessen ist sondern a) selbst helfen oder b) Hilfe von Dritten holen. Wenn er sich der Hilfe verweigert, würde ich tatsächlich den Kontakt auf ein Minimum beschränken und ihm sagen, dass ich ihn dann wieder aufnehme, wenn er in Behandlung ist.
Denn leider neigen Menschen mit dieser Erkrankung dazu, "kranke Beziehungsmuster" aufzubauen – wenn sie dann wieder gesund sind, gelingt es nur sehr schwer, wieder in normale Muster zurückzukehren bzw. diese überhaupt erst zu etablieren. Du wärst so etwas wie eine Krankenschwester auf Abruf, die aber die Wunde nicht behandeln darf, sondern nur mitleiden. Das ist nicht gesund als Basis einer Beziehung.
Du kannst aber eure schon vorhandene Vertrautheit dazu nutzen, sein Bewusstsein dafür zu wecken/zu stärken, dass er Behandlung braucht. Ein Teil des Krankheitsbildes kann ja sein, dass jemand der Meinung ist, seine Erkrankung sei einzigartig, niemand könne das verstehen oder helfen. Damit blockiert er sich und seine Gesundung und wenn du "mitspielst", unterstützt du das und verlängerst sein Leiden.
Ich würde dir also raten, dich nicht weiter in diese Art "Beziehung" verwickeln zu lassen und dadurch zum Co-Opfer seiner Erkrankung zu werden. Mir ist klar, dass es schwer ist, dem Helfer-Impuls zu widerstehen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wirst du ihm nicht wirklich helfen können, sondern nur seine Amplitude in beiden Richtungen verstärken. Aus meiner Sicht wäre es ein Zeichen von Liebe, ihm zu sagen, dass du ihm gerne hilfst, Hilfe zu suchen, aber eben selbst nicht helfen kannst und auch nicht auf Abruf zur Verfügung stehst (weil es ja dir damit nicht gut geht).
Alles Gute!
Werner
P.S. Bei stark schwankenden Depressionszuständen gibt es in der Regel einen (noch unbekannten) Auslösefaktor; das kommt nicht irgendwie, sondern wird z. B. durch Verhalten gesteuert, dessen Wirkung dem Betroffenen noch nicht bewusst ist. Das kann etwa die Ernährung, Drogenkonsum, Alkohol, Medikamenteneinnahme, zu wenig Schlaf/Bewegung etc. sein. Das nur als Hinweis, falls ihr darüber ins Gespräch kommt. Spannend und aufschlussreich ist es dann häufig, die "gute Zeit" vor der ersten Episode zu beleuchten – oft findet sich dann das Muster bzw. der Auslöser.