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Was soll ich tun? (Ex-Freund, gemeinsame Wohnung, Quartalstrinker, Coabhängigkeit)

AnonymerGast

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich lebe in folgender Situation und hoffe, dass vielleicht jemand einen Rat für mich hat:

Ich lebe seit 2 Jahren mit meinem (mittlerweile Ex-)Freund zusammen in meiner Wohnung. Wir haben uns vor einigen Wochen im Guten getrennt und da der Wohnungsmarkt in der Gegend eine Katastrophe ist (er ist Geringverdiener mit schlechter Schufa, das erschwert es zusätzlich) und seine Familie ihn nicht mehr unterstützen kann, wohnt er weiterhin bei mir, halt eine WG. Er steuert etwas zur Miete zu. Ich liebe ihn nicht mehr, er empfindet aber noch etwas für mich und ist froh, dass er mich wenigstens noch als Mitbewohnerin hat und respektiert meine Entscheidung.

Wir verstehen uns weiterhin gut, haben beide einen geregelten Tagesablauf, teilen uns die Haushaltsaufgaben etc. Es harmoniert an sich eigentlich ganz gut.

ABER:
Mein Exfreund ist, so meine Einschätzung als Laie, Quartalstrinker. Zudem leidet er seit Jahren unter Depressionen, gegen die er Tabletten bekommt. Er trinkt unter der Woche gar nichts und kann sogar monatelang komplett abstinent leben. Aber wenn er einmal anfängt zu trinken, dann kann er nicht mehr aufhören. Oft ist es sogar so, dass wenn er unter Leute geht und nachts zurückkommt, er am Küchentisch alleine weitertrinkt bis zum Mittag.
Er wird betrunken nie aggressiv, aber ihm wird alles um ihn herum egal, er hält sich dann nicht mehr an Regeln (z.B. Rauchverbot in meiner Küche), lügt (z.B. bezüglich der Trinkmenge) und bereut bei jedem Kater dann wieder alles.
Egal, wie oft er sich vornimmt, die Mengen zu reduzieren oder aufzuhören, es hat bislang nie langfristig geklappt.
Durch das Trinken hat er sich schon viele Beziehungen vergeigt, zudem hat er wegen dem Kater schon ab und zu auf der Arbeit gefehlt. Solche Abstürze kommen alle paar Wochen vor.


Ich befürchte, im Laufe der Jahre fast schon zu einer Art Co-Abhängigkeit tendiert zu haben: Ihn bemitleidet, bemuttert, seinen Suff-Müll weggeräumt, Essen gemacht etc. Ich habe ihm oft Konsequenzen angedroht, sie aber kaum durchgezogen, ich habe ihn schon oft vor die Wahl gestellt, und trotz seines guten Willens wurde er immer wieder rückfällig. Aber das will ich nicht mehr hinnehmen!

Nun hatte er erneut einen Absturz (ich war abwesend und er trank wegen dem Trennungsschmerz) und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Meine Frage ist, wie weit ich nun gehen soll, da ich einerseits sein Trinkverhalten nicht mehr ertrage, ich ihn aber nicht auf die Straße setzen will, da mir sein Wohlergehen weiterhin am Herzen liegt. Er sagt selber, er sei am Ende und habe keine Kraft für eine Therapie. Ich bin hin- und hergerissen, zumal er mich bisher auch nie im Stich gelassen hatte, wenn es mir schlecht ging.

Was soll ich tun? Ihn doch rauswerfen? Erneut ein Ultimatum stellen?

Ich danke im Voraus jedem, der sich die Zeit hier für mich nimmt.

Lieber Gruß
 

Kanae98

Mitglied
Das ist wirklich eine schwierige Situation und ich kann deine Lage gut nachvollziehen.

Es gibt viele Arten von Alkoholismus. Da ich davon selbst nicht betroffen bin, kenne ich mich damit nicht so gut aus, also ab wann man Quartalstrinker ist oder so.
Dafür kenne ich die Sucht nach anderen Stoffen. Es gibt das Muster durchaus, längere Zeiten abstinent zu bleiben und dann dafür phasenweise exzessiv zu konsumieren. Der Betroffene kann sich dabei lange in Sicherheit wiegen, weil er ja zumindest nicht täglich nach dem Aufstehen schon mit dem Konsum beginnt, also nicht wie die "echten Süchtigen". Letztendlich ist es aber eine genauso schlimme Sackgasse, denn man hat sein Verhalten nicht mehr unter Kontrolle und der Konsum bestimmt trotzdem das Leben.

Dass dein Ex es nie geschafft hat, langfristig aufzuhören, obwohl er das wollte, spricht sehr für eine Sucht. Auch, dass er psychisch darunter leidet, es aber trotz des besseren Wissens, dass es ihm ohne Alkohol besser ginge, nicht lassen kann.

Deine Schilderungen klingen für mich auch nach einer Co-Abhängigkeit. Auch dieses Muster ist sehr ernst zu nehmen und schwer zu durchbrechen. Oft brauchen Co-Abhängige Partner selbst eine Therapie, um sich von der Sucht des anderen zu befreien. Dass du dich von ihm getrennt hast, muss dir viel Kraft abverlangt haben und ich habe großen Respekt davor.

Jetzt zur eigentlichen Thematik: Wenn er Hilfe annehmen würde, etwa einen Entzug mit anschließender Langzeittherapie, könntest du ihn dabei noch unterstützen. Es gibt viele Beratungsstellen, die sich gut mit Situationen wie der euren auskennen.
Einen Platz im Entzug zu bekommen geht meist recht schnell, ich konnte damals nur einer Woche nach dem Erstgespräch in die Klinik.

Vielleicht bräuchte er die Entgiftung nicht körperlich, doch eine Sucht ist in erster Linie eine psychische Erkrankung. In einer guten Klinik gibt es ein breitgefächertes therapeutisches Angebot und verschiedene Gesprächsgruppen und die Süchtigen lernen erste Skills zum Umgang mit Suchtdruck und Risikosituationen.
Man hat dort Zeit, alles zu überdenken, was passiert ist. Und wenn ganz üble Gedanken kommen, ist immer jemand da, man ist in Sicherheit. Die Reize der Außenwelt sind abgeschirmt, man befindet sich in einer Art Mikrokosmos. Und die Mitpatienten, die im gleichen Boot sitzen wie man selbst, sind auch oft sehr bereichernde Gesprächspartner, denn mit einer Sucht fühlt man sich oft sehr isoliert in der "normalen Welt".

Meist sind auch Sozialarbeiter auf der Station, die einem helfen, sich für eine Langzeittherapie zu bewerben. Und am Ende vieler solcher Langzeittherapien steht das Angebot, in ein betreutes Wohnen zu gehen. Man bekommt also eine Trägerwohnung und hält noch Kontakt zu einem Sozialarbeiter, der einen bei den ersten Schritten im neuen, nüchternen Leben begleitet und einem dann auch hilft, eine eigene Wohnung zu finden.
Vielen Menschen geht es wie deinem Freund und die Sucht hat sie am Ende Familie und Zuhause gekostet. Für solche Menschen sind diese Angebote.

Ich selbst bin ursprünglich nur zur Entgiftung in eine Klinik gegangen. Dort wurde schnell erkannt, dass ich noch andere psychische Baustellen habe, die den Konsum bedingt haben und eine Diagnostik wurde angeschlossen, der eine Therapieempfehlung folgte. So wurden aus den ursprünglich angedachten sechs Wochen fast zwei Jahre in verschiedenen Kliniken. Es war eine gute Zeit und ohne diese Hilfe am Anfang bei der Entgiftung hätte ich nicht gewusst, wohin ich mich wenden und wo ich anfangen soll.

Eine Entgiftung in einer guten Klinik ist nie bloß ein Abwarten, bis der körperliche Entzug vorbei ist. Es geht immer auch darum, den Patienten eine Perspektive zu schaffen, denn es kann ja nicht das Ziel sein, dass reihenweise Leute direkt nach der Entlassung rückfällig werden und somit zu Drehtürpatienten.

Das deutsche Hilfsnetz für Süchtige ist sehr gut. Wenn man Hilfe sucht, findet man welche. Allein die Beratungsstellen, mit denen ich Kontakt hatte, waren sehr verständnisvoll und kompetent. Dort würdest sicher auch du als Co-Abhängige und somit selbst betroffene Hilfe finden.
Auch gibt es Selbsthilfegruppen für Angehörige und Co-Abhängigkeit. Ich kann solche Gruppen nur sehr empfehlen, denn die Menschen dort haben so ziemlich alles erlebt, was man erleben kann und können einem sowohl einen Halt, als auch wirklich nützliche praktische Tipps geben.

Auch für deinen Ex wäre vielleicht eine Selbsthilfegruppe gut. Am bekanntesten sind wohl die Anonymen Alkoholiker, dort darf man auch hingehen, wenn man noch nicht abstinent ist. Man muss allerdings eine Gruppe finden, die einem gefällt, jede hat einen eigenen Stil. AA und co. waren mir irgendwie zu spirituell, ich habe andere, freie Gruppen gefunden, die mir mehr zugesagt haben. Das ist aber Geschmackssache.

Du musst wissen, wie viel du ihn noch unterstützen möchtest nach der Trennung. Wenn seine Depression schon stark ausgeprägt ist und es ihm wirklich zu schlecht geht, sich um einen Platz in der Klinik zu kümmern, wäre es natürlich eine Option, einen Termin in einer Beratungsstelle für ihn auszumachen und ihn womöglich auch dorthin zu begleiten. Wie gesagt ist der Weg von dort bis zur Entgiftung meist sehr kurz, kürzer als zu einer Therapie, die aber auf jeden Fall daran anschließen sollte.
Es reicht nicht, eine gewisse Zeit nicht konsumiert zu haben, denn es gibt Ursachen dafür, dass man überhaupt begonnen hat und es ist auch einfach eine leider kurzfristig sehr hilfreiche Art, mit Schmerz und Problemen umzugehen. Allein dieses Verhaltensmuster zu durchbrechen, dass man immer den schnellen Weg wählt, der kurzfristig zwar hilft, aber einem langfristig nur noch mehr schadet, ist ein langer Prozess, der therapeutischer Unterstützung bedarf.

Ich fänd es allerdings auch völlig verständlich, wenn du nach der Trennung nicht mehr so viel Aufwand für ihn betreiben möchtest. Dann fänd ich es durchaus in Ordnung, ihn zu bitten, erstmal zu einem Freund zu ziehen oder so. Du bist nicht für ihn zuständig. Falls er keine Hilfe annehmen möchte, ist oft sogar der einzige Weg bei Süchtigen, ihnen jede weitere Unterstützung zu entziehen.

Es mag grausam klingen, aber wenn man wirklich am Boden angekommen ist, greift man nach jedem Strohhalm. Solange man sich noch gegen Therapien und sonstige Hilfsangebote sträubt, kann einem ohnehin niemand helfen. Leider ist die Sucht eine psychische Erkrankung. Jeder Betroffene muss selbst die Entscheidung dafür treffen, nachhaltig sein Leben zu verändern. Und manche müssen erst alles verlieren, um dorthin zu kommen.

Ob du ihm nun noch hilfst, eine Entgiftung zu beginnen oder dich dagegen entscheidest, du solltest dich auf jeden Fall auch um dich kümmern, sobald er nicht mehr bei dir wohnt. Beziehungen zu psychisch Kranken, ob nun süchtig, depressiv oder beides, beeinflussen auch die Psyche des Partners nachhaltig. Sicher war die Beziehung nicht leicht und du wirst ja auch gute Gründe für die Trennung gehabt haben.
Wie gesagt kann ich auch dir nur raten, einmal zu einer Suchtberatungsstelle zu gehen. Auch mit Depressionen und sonstigen psychischen Krankheiten haben die Sozialarbeiter dort Erfahrung, da in der Sucht oft vieles zusammenkommt, ob als Ursache oder Wirkung der Abhängigkeit.

Zu guter letzt drücke ich dir und ihm auch die Daumen, dass ihr das irgendwie hinbekommt. Eine Trennung ist nie schön und ich finde es sehr nett, dass du dich noch um ihn sorgst. Hab aber ein Auge darauf, ob dieses Kümmern jetzt wieder in eine co-abhängige Richtung geht.

Liebe Grüße, schreib mir gern, falls ich noch irgendwelche Fragen von dir beantworten kann :)
 

AnonymerGast

Neues Mitglied
Wow, Kanae98, viele[FONT=Tahoma,Calibri,Verdana,Geneva,sans-serif]n Dank für diese ausführliche Antwort!
Ja, eine Therapie wäre wahrscheinlich das Beste für ihn. Vor über einem Jahr war mein Ex sogar mehrmals in einer Beratungsstelle, er führte auf Anraten des Beraters auch ein "Trinktagebuch", war voller positiver Energie und trank tatsächlich monatelang nichts. Das war allerdings ein niedrigschwelliges Angebot, wo man freiwillig hingehen konnte, keine langfristige Therapie. Leider hielt der Zustand nicht lange an, er wurde wieder rückfällig.

Zu einer Suchtberatungsstelle zu gehen und dort erstmal einen Gesamtüberblick zu erhalten, das werde ich nun in Angriff nehmen. Aber ich muss meinen Ex dazu überredet bekommen, denn wenn ich mich alleine darum kümmere, bringt es nichts. Das Problem ist seine starke Antriebslosigkeit, er sagte mir heute morgen, er habe sich selber aufgegeben (er hat leider öfters solche Phasen, gerade nach einem Absturz).

Ich muss nun erstmal für mich selber entscheiden, wie weit meine Hilfe gehen soll - ich weiß es selber noch nicht. Auch ist noch offen, wie ich ihn dazu bekommen kann, Hilfe aufzusuchen, denn die Einsicht muss seinerseits kommen.
[/FONT]
 
G

Gelöscht 79650

Gast
Ich würde ihn rausschmeißen.
Solange du ihn in der Wohnung hocken hast, wirst du keinen richtigen partner finden.
Er versaut dir dein Leben.

Auch einen arbeitslosen Trinker mit "schlechter Schufa" versorgt Vater Staat - du musst dich da nicht opfern.
Setz ihn "beim Amt" ab. Der Rest wird sich finden.
 

AnonymerGast

Neues Mitglied
Habe ihn nun vor die Wahl gestellt, ob er sich Hilfe sucht (wobei ich ihn auch unterstützen würde) oder ausziehen muss. Da er wieder meinte, es sei alles sinnlos und er wolle gar nichts mehr, habe ich ihn rausgworfen - aber mit dem Angebot, dass ich ihn weiterhin jederzeit unterstütze, sobald er sich entscheidet, aktiv Hilfe zu suchen.
Ich weiß, das mag vielleicht das einzig Richtige gewesen sein, aber es bricht mir das Herz und die Tränen belasten mich sehr. Ich fühle mich trotzdem sehr schlecht!
 

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