Anzeige(1)

  • Liebe Forenteilnehmer,

    Im Sinne einer respektvollen Forenkultur, werden die Moderatoren künftig noch stärker darauf achten, dass ein freundlicher Umgangston untereinander eingehalten wird. Unpassende Off-Topic Beiträge, Verunglimpfungen oder subtile bzw. direkte Provokationen und Unterstellungen oder abwertende Aussagen gegenüber Nutzern haben hier keinen Platz und werden nicht toleriert.

Studium, Uni, Studenten - Ich fühle mich fremd

  • Starter*in Starter*in Gast
  • Datum Start Datum Start
G

Gast

Gast
Einen wunderschönen sonnigen Sonntag an Alle,

seit knapp zwei Jahren trage ich jetzt ein paar Gedanken mit mir herum, die ich mit niemanden teilen kann, also versuche ich mich auf diesem Wege einmal mitzuteilen. Vielleicht macht sich ja jemand die Mühe und liest sich das alles hier durch. Zu meiner Person: ich bin männlich, Anfang 20, Student und jetzt im fünften Semester eines technischen Studiums. Ihr könnt mich Gustavo nennen. Wenn ich Lateinamerikaner wäre, würde ich gerne so heißen.

Vor zwei Jahren habe ich mein Studium begonnen. Und ich kann heute sagen, dass mich dieses Studium nicht glücklich macht. Aber da ich bis jetzt noch Alles, was ich angefangen habe, auch zuende gebracht habe, werde ich auch das Studium durchziehen. Meiner Meinung nach bin ich jetzt viel zu weit im Studium fortgeschritten, als dass es Sinn machen würde abzubrechen. Außerdem wüsste ich auch nicht, was ich sonst studieren sollte und ich denke ich würde, auch wenn ich das Fach wechseln würde, wieder zweifeln ob das neue Studium das Richtige für mich ist, also habe ich mich bereits mit der Idee angefreundet, dass ich auch den Master noch ablegen werde. Schlussendlich habe ich mich für dieses Studium verschuldet, also muss es am Ende auch was abwerfen, damit ich wenigstens wieder bei Null lande.

Ich bin der Erste aus meiner Familie, meiner ganzen nahen Verwandschaft der studiert. Folglich hat niemand von ihnen Erfahrung, wie das heutzutage an einer Uni ist und deshalb sah ich bis jetzt auch nie den Sinn mit ihnen über Probleme, die ich in der Uni mit der Uni habe, zu reden. Was mich aber sehr belastet sind die Studenten an der Universität. Die allermeisten von ihnen stellen sich selbst in den Mittelpunkt, denken nur an sich selbst, sind rücksichtslos, profitieren von der Arbeit anderer und labern den ganzen Tag Unsinn.

Wenn zum Beispiel die Skripte verteilt werden, kommt es keinen in den Sinn eine Schlange zu bilden, dass man geordnet das kostenlose Skript abholen kann. Nein man bildet eine Menschentraube um den Verteiler, schubst seine Mitstudenten beiseite und drängelt sich vor, damit man der Erste ist, der auf seinem Fahrrad nach Hause düsen kann.
In Bussen und Bahnen prügelt man sich natürlich um die Sitzplätze weil man nicht 15 Minuten stehen kann. Man stürmt auf den stehenden Bus zu und schubst dabei alles beiseite, was einem in den Weg kommt.

Hausaufgaben, die in Gruppen bearbeitet werden sollen, werden meist nur von einer Person erledigt. An Absprachen wird sich nicht gehalten, zu vereinbarten Treffen taucht man nicht auf, weil man seinen Teil der Hausaufgabe nicht gemacht hat. Die ganze Arbeit bleibt bei dem einen Idioten hängen, der sie dann halt macht, damit die Gruppe den Schein bekommt. Dieser Idiot bin meistens ich.

Nach dem ersten Semester voller Grundlagenvorlesungen waren viele auch schon davon überzeugt alles über jedes Fachegebiet ihres Studiums zu wissen und meinten den Professor belehren zu müssen, dass er fachlich falsche Dinge lehrt. Mit unglaublichen Halbwissen unterhalten sich diese Wesen untereinander und versuchen so viele unpassende Fachbegriffe wie möglich in einen Satz zu packen. Natürlich unterhält man sich auch mit brüllender Lautstärke in der Öffentlichkeit, damit alle mithören können, dass man Student ist, was man studiert und wie viel Ahnung man hat. Das kotzt mich an. Alle hören sich am liebsten selbst reden. Wenn sie nicht über ihr Halbwissen reden, dann über Oberflächlichkeiten. Damit komme ich nicht klar.

Ich finde deshalb auch leider keine Freunde in meinem Studiengang, mit denen ich es länger als drei Minuten aushalte. Bei den meisten kommt, sobald sie den Mund aufmachen, leider nur Dünnschiss raus. Da es nun aber leider so ist, dass man für Praktika, etc. Gruppen bilden muss, bin ich ein paar wenige Zwecksbekanntschaften eingegangen, mit denen ich aber sonst nichts zu tun habe. Aus der Tatsache, dass ich keine Freunde an der Universität habe, resultiert auch, dass ich noch nie auf einer Studentenparty war bzw. in der Universitätsstadt abends weg war. Ich habe das Gefühl, dass ich etwas verpasse. Wenn ich später auf mein Studium zurückblicken werde, werde ich mich nur daran erinnern, wie ich vor Klausuren wochenland in der Universitätsbibliothek saß und mir den Stoff eingeprügelt habe. Aber wo sind die schönen Seiten? Die muss es doch geben..

Ich habe auch oft das Gefühl, dass mich mein Studium vollkommen überfordert. Ich habe seit zwei Jahren keine Woche frei gehabt. Klausuren schreiben wir in der vorlesungsfreien Zeit. Also muss ich in der Zeit, in der man normalerweise Ferien macht, lernen. Ich setze mich sehr unter Druck, weil ich von mir selbst erwarte, dass ich überdurchschnittlich gut in den Klausuren abschneide. Das gelingt mir leider nicht immer und ich sehe das jedes Mal als eine Art Niederlage. Dagegen freut es mich auch nicht, wenn ich mein Ziel erreiche, weil ich das für selbstverständlich ansehe. Ich konnte mich auch nicht über mein Abi freuen, weil das, seien wir ehrlich, jeder Idiot hinterhergeschmissen bekommt. Lob vertrage ich auch nicht. Ich habe zu meiner Zeit im Gymnasium schon sämtliche guten Noten vor meinen Eltern verschwiegen, damit sie mich nicht dafür loben.

Aufgrund der Tatsache, dass ich mich so unter Druck setze, liege ich zu Klausurenzeiten oft Nachts mehrere Stunden wach im Bett und denke viel nach. Über mein Studium. Über mein bisheriges Leben. Was ich alles verpasst habe. Und ob das alles überhaupt noch einen Sinn hat. Ich komme meistens zu dem Schluss dass es keinen Sinn hat. Aber ich freue mich auf die Zukunft. Hoffe dass uns Auserirdische besuchen, weil ich die Vorstellung von anderem Leben so spannend finde. Und ich gespannt bin auf das, was mit mir noch passieren wird.

Ich fände es spannend, was ihr vielleicht zu meinen Gedanken denkt. Ob jemand auch die Situation kennt, dass man sich so fühlt als würde man nicht zu den anderen Studenten und der Uni passen. Und vielleicht gibt es diesen Beitrag hier in ein paar Jahren noch und ich werde ihn zufällig finden und lesen. Um dann rückblickend zu sagen, dass es noch viel schlimmer geworden ist 🙂

Liebe Grüße,
Gustavo.
 
Ja, so ist die Uni. So ähnlich habe ich es auch erlebt. Besonders was das Ellenbogendenken angeht. Und auch der Smalltalk ist manchmal zum Davonlaufen. Immerhin habe ich durch das Studium gelernt, wie man das macht. Nicht das Davonlaufen, sondern den Smalltalk.

Ich kann Dich nur damit trösten, dass Du bei diesen Studentenparties nichts verpasst hast. Ich selbst war zwar nicht auf "Studentenparties" (was ist das?) sondern bin ab und an von mehreren besser bekannten Kommilitonen in eine Kneipe gezwu.. "eingeladen" worden. Wenn Du denkst, dass dort philosophiert und in die Tiefe gegangen wird - Fehlanzeige. Es ist für mich beinahe eine Kunst, mich zu langweilen. Daheim kenne ich das Gefühl nicht. Ich durfte dieses Gefühl dann intensiv auskosten auf solchen Feierlichkeiten. Und das obwohl ich nicht nur stumm in der Ecke saß sondern man von außen hätte meinen können, ich hätte den tollsten Spaß. Bei der Aneinanderreihung von Smalltalkthemen, unterbrochen von lauter Musik bei der man dann gar nicht sprechen kann habe selbst ich angefangen zu trinken, damit die Nerverei etwas gedämpft wird.

Andererseits kann ich nicht sagen, dass es ausschließlich "Wesen" dieser Art gibt. Auch wenn ich nun persönlich das Pech hatte, nur solche Kommilitonen kennen zu lernen so bin ich mir sicher, dass nicht alle so sind. Und der erste und zweite Eindruck reicht ohnehin nicht aus, um das vernünftig beurteilen zu können.

Bei den meisten kommt, sobald sie den Mund aufmachen, leider nur Dünnschiss raus. [...]

Aber ich freue mich auf die Zukunft. Hoffe dass uns Auserirdische besuchen, weil ich die Vorstellung von anderem Leben so spannend finde.

Wie Du an dem Beispiel vielleicht erkennst, sollte man da auch nicht zu streng sein mit den anderen bzw. nur so streng, wie man mit sich selbst ist. Ich wünsche Dir alles Gute für Deinen Abschluss.
 
Hi Gustavo 😉

Hab deinen Beitrag wirklich gespannt und aufmerksam gelesen. Was du schilderst, klingt ja echt nach dem reinsten Kindergarten. Wie man leider öfter feststellen muss, ist eben auch die Volljährigkeit keine Garantie dafür, sich wie ein erwachsener Mensch aufzuführen.

Ich bin seit 2 Jahren ebenfalls Student und kann, gerade auch weil dieser Punkt hier im Thema ja bereits angesprochen wurde, sagen, dass sich meine eigenen Erfahrungen immerhin nur teilweise mit dem decken, was du erlebt hast.
Auch bei uns gibt es die Selbstverliebten, Klugscheißer und Angeber; diejenigen die sich liebend gern aufspielen, ihr vermeintliches Wissen bei jeder Gelegenheit raushängen lassen und schamlos von sich überzeugt nur Unsinn von sich geben - allerdings sind diese bei uns in der Unterzahl und fallen nur mehr auf, weil sie sich ständig in den Mittelpunkt drängen 😉
Im Gegenzug habe ich aber auch einige tolerante, bodenständige, rücksichtsvolle und wirklich sympathische Leute durch die Uni kennengelernt, es geht also auch anders...
Was dieses krasse Konkurrenzdenken bzw. asoziale Egoistentum angeht, habe ich zwar auch schon einige unglaublich perfide Geschichten gehört, bis hin zum vorsätzlichen Sabotieren und Schikanieren unter Kommilitonen, ich selbst habe zum Glück aber nie etwas derartiges erleben müssen.

Dabei ist es vielleicht nicht unwichtig zu erwähnen, dass ich in einem relativ kleinen geisteswissenschaftlichen Studiengang bin, der noch keine so lange Tradition hat... außerdem sind die Leute bei uns ziemlich bunt durchgewürfelt, was Alter, Herkunft, Werdegang usw. betrifft.
Möglicherweise (obwohl ich eigentlich strikt gegen Schubladendenken bin) hängt sowas ja doch irgendwie auch von der jeweiligen Uni, dem Fachbereich oder Studiengang ab. Z.B. würde ich mutmaßen, dass in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften eher doch eine andere, rauhere Mentalität vorherrscht als etwa unter den Soziologie- oder Pädagogikstudierenden, wobei das wieder etwas klischeehaft wäre und ich niemanden unter Generalverdacht stellen will.

Fehlen noch die sog. "Studentenparties"...Nun ja, ich bin sicherlich kein "typischer" Studi, der tausend andere Studenten kennt und üblicherweise 3-4 unter der Woche feiern geht.
Trotzdem hab ich ein paar solcher Feiern mitgemacht. Die sind i.d.R. ganz nett gewesen, würde ich nach meinem Eindruck aber auch als eher gewöhnliche Geburtstags- bzw. WG-Parties einschätzen, nichts unbedingt Studentisches. Weiß aber auch nicht, ob ich da tatsächlich an den "richtigen" Orten gewesen bin. Ausnahmen sind natürlich größere Outdoor- oder Verbindungsparties. Je nach dem wo man auftaucht (auch bei Hausparties) kann es auch schon mal leicht "asi" werden. Aber gehört wohl irgendwie dazu, Oberflächlichkeit sowieso.
So im Allgemeinen geht mir dieses ganze Abgrenzungsgehabe einiger Studenten schon etwas auf die Nerven, z.B. mit Studikneipen und ähnlichem Firlefanz. So unter seinesgleichen mag es ja ganz schön sein, aber auf Dauer kann etwas Vielfalt definitiv nicht schaden, vor allem weil nicht wenige von denen ein unterschwellig elitäres Selbstverständnis an den Tag legen und offenbar nicht zum ehrlichen Reflektieren imstande sind.

-------------------------------------------------------------

So viel dazu, das Andere ist jetzt deine persönliche Geschichte.
Ich finde es bemerkenswert, obwohl du recht wenig explizit über dich und deine Person geschrieben hast, erkenne ich mich doch erstaunlich in deinen Worten wieder!
Kann es sein, dass du möglicherweise diesen Persönlichkeitszug in dir trägst, dass du (mehr oder weniger bewusst) Arbeit und Selbstdisziplin immer in den Vordergrund stellst? Dass du es als eine Art "innere Pflicht" empfindest dein Studium korrekt und nach allen erforderlichen Maßgaben zu erfüllen?
Ein weiterer Punkt: Ich bin überzeugt, dass dein Lernstoff herausfordernd ist und Zeit in Anspruch nimmt, gleichzeitig vermute ich, dass du (auch wenn es einem anders vorkommen mag, geht mir genauso...) dennoch weitaus mehr für die Uni tust und lernst, als du eigentlich müsstest! Du erwähnst ja auch deine selbstkritische Haltung, deine Gleichgültigkeit gegenüber Lob bzw. Erreichtem und deine hohe Anspruchshaltung. Wie du richtig festgestellt hast, ist das permanentes sich-unter-Druck-setzen dafür zuständig, dass man den eigenen Ansprüchen eigentlich nie gerecht werden kann.
Etwas, das du in einem Satz oben genannt hast, gibt mir Anlass zur Vermutung, dass es vielleicht mit all dem etwas zu tun haben könnte: nämlich, dass du nicht aus einem Akademiker-Familienumfeld stammst. Daher liegt es nahe, dass dir innerhalb deiner Familie eher Dinge wie Pflichtbewusstsein und Arbeitswille vorgelebt wurden. Tugenden, die primär der Existenzsicherung dienen; das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse und ein hoher Fleißanspruch, während im Gegensatz so etwas wie Selbstverwirklichung und Lebensqualität immer von kleiner Priorität gewesen sind.

Auch ich habe einen vergleichbaren Hintergrund (Arbeiterkind), zeige ähnliche Denkmuster und Verhaltensweisen, und auch ich wurde vor kurzer Zeit mit diesen ganzen Fragen, Rückschlüssen und Vermutungen konfrontiert. Im ersten Moment schienen mir diese Erklärungen weit hergeholt bzw. zu einfach und eindimensional, doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass da etwas dran sein könnte...
Obwohl es sich erst mal um Thesen und Interpretationen handelt.

Dass ich zumindest ein wenig in Studentenkreisen integriert bin, würde ich als glückliche Fügung bezeichnen, es hätte auch ganz anders kommen können. Viele, die aus klassischen Akademikerhaushalten entstammen, haben offenbar einfach einen anderen Habitus. Bei manch einem scheint Rücksichtnahme und Understatement zu kurz gekommen zu sein, weil ihnen gezielt oder unbeabsichtigt anerzogen wurde, sich privilegiert zu fühlen. Vielleicht ist das eine zutreffende Erklärung für das Verhalten, das du an der Uni bzw. unter Studenten beobachtest.

Ich hoffe, wenn du hier reinschauen solltest, dass dir meine Antworten eventuell in irgendeiner Weise etwas helfen bzw. zum Denken anregen konnten.

Gruß
 

Anzeige (6)

Ähnliche Themen

Thema gelesen (Total: 0) Details

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.

      Du bist keinem Raum beigetreten.

      Anzeige (2)

      Oben