Lieber TE,
ch hatte nie wirklich viele Freunde. In meiner Kindheit hatte ich sogar nur einen und zu Geburtstagen wurde ich nie eingeladen. Ich habe zwar Bekannte und Kollegen, aber wirklich anvertrauen und über meine Probleme kann ich mit denen nicht wirklich reden
Man hat auch in seinem Leben keine zig dutzend intensive Kontakte bzw. "sehr gute Freunde". Wenn man überhaupt zwei hat, kann man schon froh sein.
Ich bin auch nicht großartig zu Geburtstagen während meiner Kindheit und Jugendzeit eingeladen worden. Demnach fühle ich mit dir. Oft hatte ich auch das Gefühl, ich werde total ausgegrenzt von allen Seiten; obwohl ich heute weiß, dass ich es mitunter auch selbst provoziert habe. bzw. es kamen noch einige andere Prädiktoren hinzu.
Hmmm... du sprichst vom Feuerwehrsyndrom. Vielleicht ist das ein Faktor bei dir. Würdest du dich als Ja-Sager bezeichnen? Ich finde Ja-Sager nicht sonderlich ansprechend. Zwängst du den Leuten deine Hilfe auf? Fragen sie dich explizit, ob du ihnen hilfst oder hilfst du ihnen einfach immer von dir aus? Das Helfen an sich finde ich nicht verkehrt, aber man muss dabei mal eine Grenze ab und zu ziehen. Die Leute dürfen dich nicht emotional ausbeuten und auch nicht alles mit dir machen!
Ob du negativ bist, kann ich dir so nicht sagen. Vermittelt dir dein Umfeld, dass du eine negative Ausstrahlung hast, oder wie meinst du das?
In der Not erkennt man häufig den wahren Freund. Dann stellt man fest, wer ein loser Kontakt und wer ein fester Kontakt ist. In der Not merkt man, dass man eigentlich gar nicht sooo viele Freunde hat. Einige Leute posaunen herum, sie hätten 20-30 Personen im "Freundeskreis", aber richtig intensive Kontakte kann man eigentlich gar nicht mit sooo vielen Menschen führen. Wie soll man das neben Schule, Uni, Arbeit, und sonstigen Verpflichtungen auch bewerkstelligen?
Ich kann es mir nicht vorstellen, dass man zeitlich und emotional sooo viele Freunde haben kann. Bei demjenigen, der das behauptet, er hätte total viele, bin ich immer geneigt, den als Hans Dampf in allen Gassen zu bezeichnen, sprich dass der mit jedem Hinz und Kunz befreundet ist. d.h. überhaupt keine Ansprüche hat.
Sind denn bei dir Depressionen vom Therapeuten diagnostiziert worden? Oder denkst du einfach selbst, dass du an Depressionen leidest?
an Tulpe:
Echte Freunde sind keine Illusion, aber sie sind sehr, sehr schwer zu finden!
Das sehe ich auch so. Der Philosoph Diogenes ging am hellichten Tag mit einer Laterne über den Marktplatz, auf der Suche nach dem wahren Menschen. Du findest die zu dir passenden Menschen nicht an jeder Straßenecke.
an Acedia:
Ja, da gebe ich dir Recht. Ich finde es auch intolerant, jemanden mit psychischen Krankheiten direkt abzulehnen. Ist halt oberflächlich.
Viele wollen sich eben auch nicht mit den Problemen der anderen Menschen beschäftigen.
an Mea:
Du entlastet dich selbst damit sicherlich sehr, indem du deine Kontakte alle nur als Bekannte ansiehst. Ist es aber keiner dieser Bekannten Wert, ihn als Freund anzusehen? Zeichnet sich niemand positiv aus?
🙂 Gut, es kann ja auch phasenweise der Fall sein, dass sich niemand wirklich auszeichnet. Ich kenne das ja von mir selbst.
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TE, du solltest die Hoffnung nicht aufgeben, Menschen zu finden, mit denen du dich befreunden kannst.
Ferner solltest du nicht von deinen Freunden die Merkmale deines eigenen Systems einfordern. Du bist hilfsbereit, hörst gerne zu, packst Dinge an usw.; aber deine Freunde sind nicht dein "haargenaues Abbild".
Sie haben vielleicht andere Qualitäten. Du solltest dir immer die Frage stellen, ob dich das Zusammensein mit deinen Bekannten oder Freunden bereichert, ob es dir etwas gibt? (d.h. jetzt aber nicht, dass jedes Treffen der Burner non plus ultra sein muss). Du hast dein psychisches System und deine Freunde haben ihres. Toleranz und weniger Erwartungen sind wichtig. Solange du Interesse, Respekt, Toleranz und Akzeptanz, Vertrauen erkennen kannst, ist bestimmt noch nicht Hopfen und Malz verloren. Kannst du diese Tugenden bei deinen Freunden erkennen? Falls nein - wirfe diese Kontakte über Bord und warte auf bessere.
Es gibt ein Leben nach einer schlechten Vergangenheit, nach schlechten Kontakten, was nun inzwischen auch mal eine Dr. Island begriffen hat. Wenn das Leben für einen negativ begonnen hat, z.B. durch wenig soziale Kontakte, ein komisches Elternhaus, Mobbingerfahrungen usw., dann heißt das nicht, dass man den Rest seines Lebens dazu determiniert/verdammt ist, ein elendiges Dasein zu fristen. Du selbst bist dafür verantwortlich, ob dein Leben in eine positive Richtung wandert. Nur du! Nicht die anderen!
Wenn dir jemand Knüppel in den Weg wirft, trete/werfe sie weg.
Ich habe das Leben, mein Dasein auch lange Zeit nur als Last empfunden, habe Anti-Depressiva mal geschluckt, ständig vieles betrauert, mich über zu viel Kleinigkeiten aufgeregt usw. Ist es das wert??? Viele Leute scheren sich doch gar nicht darum, ob sie einen mit ihrem Verhalten verletzen. Man sollte sich selbst so weit bearbeiten - ob nun aus eigener Kraft oder miit therapeutischer Unterstützung - dass man nicht mehr so verwundbar ist. Man darf sich selbst nicht ständig zu einer Zielscheibe degradieren und sich auch nicht nonstop in der Rolle des Opfers sehen. Raus aus der Passivität, sage ich nur ! Carpe diem!
Alles Gute,
Dr. Island
😛🙂