Stellt euch bitte folgende Situation vor. Mein Freund und eine dritte Person reden über ein Thema welches beide interessiert. Ich sitze dabei und höre zu, sage aber nur gelegentlich etwas dazu. Aus der Sicht meines Freundes bin ich unstrittig besser informiert als er, da ich mich schon mein ganzes Leben lang mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Er dagegen ist ein Neuling auf dem Gebiet. Also lasse ich der Unterhaltung ihren Lauf und gebe nur ab und zu einen kleinen Denkanstoß, der auch immer wieder mit Zustimmung und Interesse aufgenommen wird.
Irgendwann hat sich plötzlich mein Freund aber so in Rage geredet mit der dritten Person dass er zu mir sagt "Ach lass doch deine blöden Bemerkungen" und er sagt das wirklich auf eine gemeine und abwertende Art.
Sicherlich scheint er auf dem ersten Blick dir gegenüber despektierlich gewesen zu sein. Dem ist rein faktisch auch nichts entgegenzubringen, wenn er sagt 'Ach lass doch deine blöden Bemerkungen'. Nur sieh das Ganze einmal unter Berücksichtigung einiger zwischenmenschlichen Aspekte.
Zunächst ist dem so, dass du beiden thematisch überlegen warst und somit eine deutlich hohe Vogelperspektive eingenommen hast, von der du im Prinzip nur warten müsstest, dass dein Freund einen Fehler macht, was ihm aus Gründen des Stolzes o.a. nicht behagt [egal, ob dem so ist oder nicht. Eine Maus fragt sich auch nicht, ob der Adler über ihr hungrig, gesättigt ist oder ihr bester Freund werden will, der sie beschützt! Sie
fühlt sich hier nur rein
subjektiv und unterbewusst in einer
unangenehmen, befremdlichen und leicht bedrohten Situation!] Eure Unterhaltung warf hier neue Verhältnismäßigkeiten auf den Tisch, eine Beziehung als Paar wurde durch die Gesprächskonstellation und das zu bearbeitende Thema
unausgesprochen aufgelöst. Klar, wart ihr ein Paar, habt euch aber sicherlich nicht so ausgetauscht, wie ihr es sonst gemacht hättet, also wart ihr drei unterschiedlich vorgebildete, unabhängige Gesprächsteilnehmer! Und da du ein gutes Maß an (Vor-)Wissen hattest, keimte in deinem Freund die (vielleicht unberechtigte) Angst auf, von oben herab behandelt und beobachtet zu werden, und das möchte niemand gerne erleben!
War es anfangs noch ein gut aufgenommener "Denkanstoß", wie du schreibst, so fühlte er sich durch das Gespräch mit seinem Diskussionspartner (DP) "in Rage geredet" fortwährend mehr und mehr eingeengt [und er Adler kreiste auch gezielt über sein Haupt]. Seine Hilflosigkeit drückte er mit Nervosität und Gereiztheit aus und wurde durch sein mangelhaftes Wissen über das Thema noch verstärkt!
In dieser durch das Voranschreiten des Gespräches neu austarierten Dreierkonstellation hatte er seinen DP und dich vor sich. Der DP schien ihn wohl argumentativ übertrumpft zu haben, also nahm auch dieser eine Vogelperspektive ein, die vielleicht nur halb so hoch wie deine war, jedoch höher als seine [er zeigte sich nun als fliegender, kreisender Mäusebussard]. Vielleicht hat dein Freund seine neue Perspektive auch selbst mental geschaffen, weil ihm keine Argumente zu dem bestimmten Themenbereich mehr einfielen und er ihn somit unbewusst höher positionierte als sich selbst. Und du warst von Anfang an schon thematisch über ihn gestellt. Somit waren die Rollen zwar teilweise neu verteilt, aber auch irgendwie klar. Er war das schwächste Glied am Tisch; das geisterte ihm jetzt durch den Kopf, und das konnte er hinsichtlich seines Ansehens, Stolzes, rhetorischen Könnens, die er allesamt akut angegriffen sah - und sonst gerne unbeschädigt in seiner vollen Blüte zeigt - so nicht stehen lassen. Und das, was ihm als Flucht nach vorne blieb, war eine herablassende Kommentierung deiner Anwesenheit bzw. deiner Anmerkungen - wie bei jemandem der sich zu wehren versucht, wenn er komplett angekettet ist, er fängt an, zu spucken. Denn gegen den DP könnte er noch die Wende schaffen, wenn er die nötige Konzentration finden würde; doch zwei [kreisende Wildvögel] über ihn war ihm eine(r) zu viel. Dich kann er auf faktischer Ebene - wegen deines Wissens zum Thema - argumentativ nicht schlagen, daher kann er dich nur auf einer zwischenmenschlichen Ebene schnell "ausschalten", dir die Schranken weisen und zwar so, wie er weiß, dass es dich trifft und du ihm abrupt und konsequent nicht mehr hineinredest - auch wenn die Methode unfair ist (auch ihm das bewusst war), aber sie half ihm temporär, sich zu "retten"! Denn dem DP kann er auf beiden Ebenen vielleicht ein Patt anbieten, da auch sein Wissen Lücken aufzuweisen schien, die er nur auf eine bestimmte Weise durch sein Halbwissen hätte füllen können.
Nun, wenn es zu so einer Konstellation kommt, würde ich mich an deiner Stelle zurückziehen, oder das Gespräch subtil
moderieren, anstelle es zu
kommentieren. Klar war es unflätig, wie dich dein Freund behandelt hat, aber, ich finde, es gilt zu berücksichtigen, dass er sich in einer sehr eingeengten, für ihn rational handlungsunfähigen Situation befand, in der er sich nicht wohlfühlte, weil ihn die Gefühle übermannten! Da es sich bei der beschriebenen Handlung um keinen Einzelfall handelt, würde ich mit ihm das Gespräch suchen oder, falls er daran nicht interessiert ist, deinen Kopf rechtzeitig aus der Schussbahn zu ziehen, wenn es soweit kommt! Alles Gute dir!
🙂