Dir geht es nicht um deine Freundin. Dir geht es um dich. Du willst gerne beneidet werden, weil Neid dir die Bestätigung geben würde, auf dem richtigen Weg zu sein.
Ich glaube tatsächlich auch, dass hier der Hase im Pfeffer liegt. Ich kenne die anderen Geschichten der ET nicht, bin noch nicht so lange in diesem Forum unterwegs. Der Gedanke kam mir aber auch sofort.
Ich würde die Intention der ET nur nicht so negativ sehen, dass sie wirklich "beneidet" werden möchte, glaube viel mehr, dass es sich um das nicht selten anzutreffende Phänomen handelt, seinen eigenen Wert über Leistung definieren zu müssen, um Anerkennung zu erfahren. In Kindheit und Jugend durch die Eltern z. B. über gute Noten in der Schule; später dann eben durch die oberflächlichste aller Welten, nämlich socia media. Dort definiert man seine Wertigkeit dann über die Anzahl der best buddies und möglichst viele likes. Damit es nicht so offensichtlich ist, dass man nach solchen Stimmen giert, man aber trotzdem seine Erfolge (Top-Abi, begehrter Medizin-Studienplatz etc) platzieren kann, bemüht man dann in einem Forum eben eine vermeintlich problematische Situation wie die der Freundin und hofft vielleicht sogar darauf, darüber noch einmal Bestätigung für die eigene tolle Leistung zu erhalten.
Ich will nicht absprechen, dass es diese Freundin tatsächlich geben mag, die dieses Leben bzw. den vermeintlichen Erfolg der Mitstudentinnen auch gerne für sich in Anspruch nehmen würde. Und ich kann mir auch vorstellen, dass - wenn sie selber immer mehr kämpfen muss als die anderen und trotzdem nicht so erfolgreich ist - das auch zu negativen Gefühlen wie Neid, Minderwertigkeitsgefühlen oder auch einfach nur Traurigkeit führen kann.
Im geschilderten Fall gibt es daher vermutlich 2 "Problemkinder" mit unterschiedlichen Sorgen. Wenn man bei der ET bleibt ist ihr zu wünschen, dass sie sich das Medizinstudium tatsächlich aus Eigeninteresse ausgesucht hat. Oft pusht leider auch hier eher die Familie, da das Artzdasein mit gutem Gehalt und hohem sozialem Status assoziiert wird und man aus deren Sicht schon fast zwingend Medizin studieren sollte, wenn man doch Noten hat, die einen der so begehrten Studienplätze erreichbar werden lassen. Es ist aber auch ein Job, hinter dem man aus eigener Motivation und eigenem Interesse stehen sollte, sonst geht man bei dem vor allem in den ersten Jahren am KH vorzufindenden Stresslevel nämlich erst recht vor die Hunde.
Das alles schreibe ich nicht ohne Grund. Ich bin selber so groß geworden, dass ich mich über Leistung definieren musste und fand das rückblickend betrachtet einfach nur traurig. Bei uns war immer wichtig, was die Nachbarn denken und es wurden teilweise Geschichten erfunden, um noch ein bisschen besser da zu stehen als es eigentlich schon längst war. Wenn man das lange genug lebt, adaptiert man diese Haltung und nimmt sie für sich an. Im Job habe ich bis heute extrem (und überhaupt nicht nötige) hohe Ansprüche an meine Arbeitsergebnisse angelegt, hatte/teilweise habe große Probleme, mal etwas zu delegieren und "Gefahr" zu laufen, dass das Ergebnis schlechter wurde als ich es mir vorgestellt hatte. Dabei war schlechter noch nicht einmal schlecht, sondern einfach nur anders und mir fehlte die Toleranz, das anzuerkennen. Trotzdem erwische ich mich auch heute immer noch bei dieser Haltung, denn es ist sehr schwierig, diese Prägung abzulegen und dass man sich immer wieder vor Augen führt, was wirklicht wichtig ist im Leben.
Aus diesem Kreislauf auszubrechen ist auch gar nicht so einfach. I. d. R. sucht man sich seinen Freundeskreis danach aus, dass das alles passt und versucht, daraus die eigene Zufriedenheit zu ziehen. Das alles ist sehr oberflächlich und wirklich alles andere als beneidenswert. Tiefe Freundschaften gibt es da selten, da Werte wie z. B. Selbstlosigkeit und echtes Interesse an Anderen eher wening vermittelt wurden. Um dessen gewahr zu werden braucht es dann wohl Schlüsselerlebnisse, Bauchlandungen oder im worst case gesundheitliche Abstürze, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben.