Hallo,
ich arbeite in der Pflegeassistenz und habe für etwa ein Jahr eine Klientin gehabt, die auch an MS erkrankte. Sie hat es nie akzeptieren können, dass diese Krankheit unheilbar und vorallem fortschreitend ist. Sie hat sich ganz am Anfang der MS mal schulmedizinisch behandeln lassen, hat aber früh beschlossen, auf alternative Heilmethoden zu setzen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich sie pflegte, war sie bettlägerig und ihre Möglichkeiten der Selbstbestimmung beschränkten sich darauf, dass sie darüber verfügte, welchen Radiosender sie hören wollte & welche Lebensmittel für sie eingekauft werden sollten.
An MS zu erkranken heißt, dass ein völlig selbstständiger, gesunder Mensch die Kontrolle über sein eigenes Sein verliert & das manchmal in kürzester Zeit. Bei manch' einem geht es einen langsameren Weg, aber trotzdem wird man irgendwie durch die Macht dieser Krankheit entmündigt. Das ist, meines Erachtens, das Problematischste an MS. Ich habe viele MS-Erkrankte gepflegt bzw. kennengelernt & ein jeder wurde an einem gewissen Punkt des Krankheitsverlaufes tierisch kompliziert & teilweise unausstehlich, egal, wer er davor mal war.
Ich glaube, es ist eine unheimliche Hürde als geistig gesunder Mensch einsehen zu müssen, dass man nicht mehr Herr seines eigenen Körpers ist & andere für einen Kochen oder sogar Windeln anlegen müssen. Insofern kann ich gut verstehen, dass deine Mama 1. kompliziert ist & 2. keinen Pflegedienst in ihrem Haus haben will.
Aber es gibt ja verschiedene Modelle der häuslichen Pflege. Es muss ja nicht der klassische Pflegedienst sein, der für 3x 10min ins Haus schneit und alles schnell erledigt. Es gibt
ambulante Pflegedienste, die bis zu 24h Pflege im eigenen Haushalt leisten. In unserem Pflegedienst nennen sich die Pfleger z.B. Assistenten, um klar zu stellen, dass man nicht nur pflegt, sondern einem sonst selbstständigen Menschen Assistenz für die Bereiche im Leben bietet, die er selbst nicht mehr voll leisten kann. Der Assistent ist der verlängerte Arm des Assistenznehmers. Das heißt, dass nehmen der pflegerischen Tätigkeit auch gemeinsam (sofern möglich) eingekauft wird, geputzt und sonst was. Ich setze Tomatenpflanzen, gehe gemeinsam Kaffee trinken, backe Kuchen, bespaße die Tochter einer meiner Klientinnen.
Vielleicht gibt es in deiner Stadt solch einen Dienst, der ein bisschen persönlicher ist. Einen Dienst, bei dem deine Mama (!!) aussucht, wer ihr Assistenz leistet; ein Dienst, bei dem deine Mama bestimmt, zu welchen Zeiten jemand in ihrem Haushalt herumschwirren soll.
Es ist eine schwierige Situation, aber ich glaube, dass es vielleicht denkbarer für sie wird, wenn sie ein festes Assistententeam um sich herum hat, das sie zusammenstellt & dem sie sagt, wie alles laufen soll.
Meine Klientin bestand bis zum Schluss (sie trennte sie irgendwann vom Pflegedienst, weil sie ins persönl. Budget ging) darauf, dass sie sich trotz starker Einschränkungen, z.B. selbst wusch beim Baden, obwohl sie eigentlich nicht mehr dazu in der Lage war und man immer "nachwusch". Nichts muss schnell gehen und kann nur halbherzig erledigt werden, denn deine Mama bestimmt, wie sie ihre Zeit einteilt. Manchmal schaut man den ganzen Tag TV, an anderen Tagen ist man 8 Stunden unterwegs & abends kocht man noch für Freunde, die den Assistenznehmer besuchen.
Persönliches Budget, bei der Gelegenheit, auch eine gute Idee! Der Staat stellt einen bestimmten Betrag zur Verfügung, mit dem sich deine Mama Assistenz-/Pflegekräfte einstellen kann, auch hier bestimmt sie, wer, was wann, wie macht.
So sehr muss sie es also nicht aus der Hand geben, denn sie kann durchaus darüber verfügen, was mit ihr passiert & wie!
Welche größere Stadt ist in eurer Nähe? Oder in welchem Kreis lebt ihr?
Beispiele für ambulante Pflegedienste in Berlin sind:
lebenswege-berlin.de
http://www.adberlin.com/
Damit Du dir selbst ein Bild machen kannst.
Liebe Grüße