Anzeige(1)

  • Liebe Forenteilnehmer,

    Im Sinne einer respektvollen Forenkultur, werden die Moderatoren künftig noch stärker darauf achten, dass ein freundlicher Umgangston untereinander eingehalten wird. Unpassende Off-Topic Beiträge, Verunglimpfungen oder subtile bzw. direkte Provokationen und Unterstellungen oder abwertende Aussagen gegenüber Nutzern haben hier keinen Platz und werden nicht toleriert.

Mit 34 bei den Eltern wohnen und mitarbeiten

SoulReaver34

Neues Mitglied
Mit 34 Jahren wohne ich noch bei meinen Eltern und helfe dem Vater zu einem kleinen Lohn im Geschäft zu fixen Bürozeiten in einem Büro ausserhalb unserer Wohnung. Habe für das Aspergersyndrom eigentlich seit 2005 eine Invalidenrente. Nach einer nicht so leichten Schulzeit fand ich keine Lehrstelle, dann ein zusätzliches 10. Schuljahr, nach dem ich auch wieder keine Lehrstelle fand. Dann die Handelsschule bestanden, die ich aus Verlegenheit machen musste. Dann Arbeitslosen-Praktika und geschützt gearbeitet.


Mein Vater hatte mal ein Geschäft, das aber nicht mehr so lief, dann stellte er um und begann mit Uhren und Schmuck zu handeln, was er schon immer gesammelt hatte. Jetzt ist das seine Arbeit, professionell auf dem Schweizer Ebay-Pendant Sachen zu inserieren. Die eigentliche Idee ist es, seine Sammlung aufzulösen, wird dadurch hintertrieben, dass er neue Sachen hinzukauft oder Sachen in Konsignation für andere verkauft. Eigentlich ist er seit vorletztem Jahr pensioniert.


Meine Aufgabe ist es, die Päckchen und Briefe zu machen. Den Rest der Zeit sitze ich herum.


2010 war auch noch eine Alters-Leukämie-Diagnose, 2012 wollte ich in WGs aber nach paar Besichtigungen holten mich Skrupel ein, den Vater in dieser Situation zu verlassen. Mittlerweile ist die Krankheit vorbei, aber daraus gelernt hat man nichts. Eigentlich ist noch alles gleich. Mein Auszug ist ein Tabuthema, das eigentlich nur mich beschäftigt. Meine Mutter kocht und wäscht, das ist ihre Rolle, und sie müssten wahrscheinlich umdenken, wenn ich weg wäre.


Oft bin ich kraftlos, abends höre ich vier Stunden passiv TV vom Nebenzimmer, höre fast jedes Wort. Dann sitze ich an den Laptop mit dem Kopfhörer und game mehr als ich möchte.


Jede Mahlzeit mit den Eltern. Worüber will man noch sprechen? Eigentlich können wir über alles sprechen, nur über das Wesentliche nicht. Seit letztem Jahr gehe ich wenigstens nicht mehr mit den Eltern in die Ferien.


Ich wüsste sehr gut, was ich tun würde, wenn ich in Freiheit wäre. Eine zeitlang habe ich für eine Arbeitslosenzeitung geschrieben, das Taximagazin. Solange ich keine Arbeit finde, würde ich veganen Aktivisten helfen, die ich kennenlernte, leider sind die nicht ganz in der Nähe. Künstlerisch habe ich auch Ideen, aber oft keine Kraft. Selber habe ich es noch nichteinmal richtig durchgesetzt, vegetarisch zu essen, es gibt immer wieder Ausnahmen. Bin aber froh, dass ich es wenigstens soweit durchgesetzt habe, wie ich jetzt bin.


Es ist eine Sackgasse. Die entsprechenden Beratungsstellen haben uns schon vor mehr als 10 Jahren empfohlen, dass ich ausziehen soll, aber wir begriffen das nicht. Ich begriff das damals auch noch nicht.


Meine Eltern sind eher Leute, die sich für die grundsätzlichen Sachen interessieren, und nicht begreifen, dass jemand wie ich andere Bedürfnisse hat. Wir hatten keine Bibel, papierkatholisch, und sind Nichtwähler. Ich hingegen hatte eine lange Sinnsuche (vielleicht grade deshalb). Oder sie begreifen nicht, dass beispielsweise introvertiert zu sein legitim ist und keine Krankheit ist. C.G. Jung sagte: "Das extrovertierte Denken ist ein Denken im Schlepptau anderer Funktionen". Mein Vater ist nicht schwerhörig - alle anderen Leute müssen einfach ein bisschen lauter sprechen, dann geht das schon.


Lange glaubte ich, ich bin depressiv, und das Problem liegt in mir drin. Heute weiss ich, dass ich eigentlich glücklich wäre, wenn ich allein wäre.


"Behinderte" Kinder müssen eigentlich früher als andere ausziehen, genau damit solche Verwicklungen nicht entstehen. Ein Mädchen im Rollstuhl hat sich einmal über mich lustig gemacht, dass ich noch bei meinen Eltern wohne. Die ist jünger als ich, und das war 2009.


Du zeigst wenig Gefühlsregungen gegen aussen, dann erschlagen dich die Eltern mit ihren eigenen Gefühlen und erklären dir die Welt und trösten dich, wenn Du in der Schule gehauen wurdest. Statt, dass sie hinterfragten, was mit mir und der Schule falsch läuft, trösteten sie mich einfach auf eine banale Art, die eigentlich auch nicht weiterhilft. So ist es eigentlich bis heute geblieben.


Was soll ich tun, wie kann man so etwas auflösen? Was genau ist das überhaupt, gibt es Literatur darüber oder kennt ihr vergleichbare Fälle? Danke.
 
Zuletzt bearbeitet:

SoulReaver34

Neues Mitglied
ich wette, ihr glaubt mir gar nicht. Die Sache ist so absurd. 34 und bei den Eltern, gar nichts erreicht. Es kam mal eine Frau in unser Büro, um etwas zu kaufen, die uns erzählte, dass sie Aurachirurgin ist. Diese Frau hatte offenbar eine sehr grosse Menschenkenntnis, denn sie sagte uns durch die Blume "ich kann auch karmische Verwicklungen lösen". Die sah das sofort.

Es ist so demütigend, und das Grübeln raubt mir viel Energie. Ich kann die Situation auch ausblenden und mich in etwas vergraben, beispielsweise an einem Youtubevideo arbeiten, aber wenn das nach einer Woche oder so fertig ist, bin ich wieder gleich weit. Einmal im Monat bin ich in der Krise, mindestens.

Das Problem ist vielleicht, dass es in unserer Familie keine Probleme gibt, man sieht sie nicht, dann gibt es sie auch nicht. Mein Vater ist eine Art harmoniesüchtig. Und zwanghaft in bestimmten Sachen. Seit ich denken kann essen wir Freitags auswärts. In 3 verschiedenen Restaurants, eines davon ist aber schon seit >30 Jahren dabei. Wenn er mit dem Auto an der Kirche vorbeifahrt, bekreuzigt er sich. Ich kenne niemanden sonst, der sich bekreuzigt beim passieren einer Kirche. Was ist das für ein Aberglaube. Selbst der gläubigste Mensch weiss doch, dass die Kirche an sich nur ein Gebäude ist.


In meiner Kindheit dachte ich fast, das Leben sei ein Wettbewerb darin, wer am meisten Unlust ertragen kann. Beispielsweise jedes Jahr ins selbe Ferienhaus, wo meist keine anderen Kinder sind, und man wenig tun kann. Am Tisch sitzen, bis alle fertiggegessen haben. Reden müssen, über die Schule. Wie eine Hirnwäsche, Du erzählst alles, sogar das, was Du dummes gemacht hast, einfach weil Du reden musst beim Essen. Wenn Du mal nachdenklich bist und nichts sagst, heisst es: "Und Du jetzt bist Du dran mit erzählen, was hast Du heute erlebt!" Noch bis ins Oberstufenalter.

Wenn mir als Kind irgendetwas nicht passte, und ich wütend wurde, wurde ich ins Zimmer gestellt und es hiess, ich kann wieder raus, wenn ich mich beruhigt habe. Früh habe ich gemerkt, dass diskutieren nichts nützt, verhandeln nichts bringt.


Ich biss durch, selbst wenn ich darunter litt, beispielsweise ein subventioniertes Arbeitslosen-Praktikum, wo die Chefin mich ein halbes Jahr nur herumsitzen liess als Dekoration (damit die Kunden denken: "Oh, wie sozial sie beschäftigen Behinderte"). Ich dachte ich kann das nicht abbrechen, das kann ich mir nicht leisten, eine "Chance" wegzuwerfen, was denkt dann das Amt.


Mit 8 war ich bei einer Psychiaterin, mit 16 wieder. "Wenn Du nicht mit uns reden kannst, kannst Du vielleicht mit der reden". Aber war ich mit ihr redete oder mit anderen Psychiatern und Beratern später, hatte wenig Einfluss auf meine Eltern.


Ich war immer der, der sich ändern musste. Dass sie auch etwas ändern mussten, kam ihnen nie in den Sinn.


Ich war dermassen in dieser Struktur, bin es ja heute noch. Bemuttert und kleingehalten, aber dann wurde nach der Schule erwartet, dass man ohne Hilfe eine Lehrstelle findet, dass man weiss, was man werden möchte, nachdem man jahrelang sich selber verleugnen musste.


Unabhängigkeit war böse, ich empfand es so. Die Zeit, wo ich keine Lehrstelle fand, fiel zusammen mit dem Kauf einer neuen Polstergruppe und anderem. Einkaufen gehen ist immer die Lösung, wenn man etwas verändern will.


Ich muss auf die kleinen Schritte schauen, die sich gebessert haben.
 
G

GrayBear

Gast
Hallo SoulReaver34,

es gehört nicht so sehr viel dazu, ein gespanntes Verhältnis zwischen Eltern und und Kind zu erspüren. Nach Deinen Schilderungen dürfte es dieser Frau bei ihrem Besuch recht schnell aufgefallen sein, durch die Art, wie ihr mit einander umgeht. Mit "Aurachirurgie" wäre ich an Deiner Stelle auch erst einmal sehr skeptisch. Ein schöner Titel bewirkt erst einmal nichts und so mancher Scharlatan betätigt sich auf diesem Gebiet. Nur weil Dir jemand recht gibt, muss dessen Intention noch nicht ehrlich und dessen Aussagen nicht wahr sein.

Du schreibst: "Ich wette, ihr glaubt mir gar nicht". Wenn Du hier im Forum eine Vielzahl der Beiträge "quer liest", wirst Du feststellen, dass eure Konstellation durchaus anderen Familiensituationen ähnelt. Sich nicht vom Elternhaus zu lösen, lösen zu wollen oder lösen zu können, ist nicht ganz so ungewöhnlich, wie Du vielleicht meinst.

Nach dem Lesen Deiner beiden Beiträge habe ich den Eindruck, dass Du die Verantwortung für Deine Situation sehr stark auf andere abschiebst. Du durftest dies nicht, Du durftest das nicht, wurdest hierzu gezwungen und dazu genötigt. Ja, Eltern machen Fehler, verfolgen manchmal die falschen Erziehungskonzepte, wiederholen die Verletzungen, die sie selbst erlitten haben an ihren eigenen Kindern und können einen an den Rand des Wahnsinns treiben.

Auch Chefinnen und Chefs finden ihre "Opfer" und in vielen menschlichen Beziehung treffen manchmal Menschen aufeinander, die Dinge mit anderen Menschen machen und Menschen, die Dinge mit sich machen lassen. Auf einiges davon kann man im Nachhinein gerne verzichten. Ich meine jetzt ganz bewusst nicht gewalttätige und andere strafrechtlich relevante Handlungen. Auch im Alltag scheinbar völlig normale Geschehnisse können einen belasten und beschäftigen. Immer wieder dasselbe Restaurant zu besuchen, in dem einem das Essen nicht schmeckt, kann einen schon nerven.

Aber offen gestanden: DU bist inzwischen 34 Jahre alt und hast in dieser Zeit einiges an Erfahrungen sammeln können. Zumindest weist Du besser, was Du NICHT möchtest und kannst dies auch formulieren.

Ich kann nicht beurteilen, wie stark diese "Zwänge" um Dich herum sind, wie viele davon von außen auf Dich einwirken oder von innen ihren Widerhall finden. Wie Du etwas ändern kannst? Auch das hast Du schon geschrieben: Grübeln bringt nichts, sich zu vergraben und zu verstecken auch nicht. Wie bei so vielen Problemen, musst Du Deinen Weg in gangbare Schritte aufteilen und musst den Berg vor Dir Schaufel für Schaufel abtragen.

Wenn Du z.B. immer bei Deinen Eltern isst, dann nimm Dir JEDE WOCHE einen Tag, an dem Du das änderst. Koche für Dich selbst, mach Dir ein Brötchen, geh Essen, was auch immer, aber geh eben NICHT zu Deinen Eltern zum Essen. Dann plane JEDE WOCHE einen Abend für Dich ein, an dem Du etwas tust, das Dir Spaß macht: geh ins Kino, besuche einen Kurs, höre Dir Vorträge an, oder was Dir sonst noch einfällt. Verlasse Deinen "ausgetretenen Pfade", entwickle Eigeninitiative und mache eigene Pläne, finde Dich nicht andauernd mit Deinen Ausreden ab. Und wenn sich Deine Eltern wundern, dann wundern sie sich eben! Na und! Du musst nicht gleich mit den Türen knallen und die Brücken hinter Dir abbrechen. Schiebe nicht länger alles auf andere, nimm Deinen Mut zusammen und Deine Verantwortung wahr und suche Deinen eigenen Weg.

Manche Schritte werden Dich weiter bringen, manche werden sich als falsch herausstellen, so ist das bei jedem Menschen. Wir müssen alle aus unseren Fehlern lernen, auch Du. Ja, auch Deine Eltern haben Fehler gemacht und machen sie immer noch und vielleicht haben sich einige dieser Fehler in vielen Jahren nicht geändert. Da mag was dran sein, aber wer zwingt Dich wirklich, dies mit zu machen? Wenn Du aufhörst, auf dem Dir vorgegebenen Kurs nur einfach "mit zu schwimmen", wirst Du feststellen, dass es oft nicht so einfach ist, überhaupt einen Kurs zu finden, der "funktioniert". Im Nachhinein sich zu beschweren, das fällt jedem leicht, aber es besser zu machen, das setzt etwas voraus, das Du bisher vernachlässigt hast: dem eigenen Mut eine Chance zu geben und für die eigenen Fehler einzustehen. Dafür wird es nun höchste Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:

SoulReaver34

Neues Mitglied
Aktuell bin ich wieder optimistischer und habe Energie, an meinen Sachen zu Arbeiten. Es ist so ein Schwanken zwischen Schuldgefühl gegenüber den Eltern und Ärger auf sie. Fast die ganze Woche hatte ich nichts gemacht, da muss diesmal sicher auch noch mitgespielt haben, dass mein Cousin sich umgebracht hat vor etwa einem Monat (traf ihn zuletzt 2016 und zuvor 10 Jahre gar nicht.) Der nahm ziemlich Drogen, vor allem die künstlichen Sachen, was besonders dann blöd ist, wenn man eh schon schizophren ist. Ich denke, auch wegen dessen Absturz haben mich meine Eltern immer überbehütet, dass es bei mir nicht auch so kommt (Der zog relativ früh aus, bald dann aber in die Psychiatrie, wonhte zuletzt geschützt. Hätte nie gedacht, dass das so endet, dann fragt man sich, was hätte man tun können.

Danke für deine Anstösse. Vielleicht muss ich Schritt für Schritt wieder mehr mit den Aktivisten zusammen sein, jedes Wochenende kann man irgendwo Flugblätter verteilen helfen. Die Veganer haben mich zumeist sehr gut aufgenommen trotz allem, und wenn überhaupt irgendwo, könnte ich dort Arbeit finden. Seit ich Vegetarier bin, habe gemerkt, dass die Branche mir wichtiger ist als der Beruf: Es ist für mich z.B. immer noch besser, in einer Tofufabrik am Fliessband zu stehen als Werbetexte für die Rüstungsindustrie zu schreiben.
 

Anzeige (6)

Ähnliche Themen

Anzeige (6)

Anzeige(8)

Regeln Hilfe Benutzer

Du bist keinem Raum beigetreten.

    Anzeige (2)

    Oben