Ich muss meinem Vorredner zustimmen. Du machst nicht den Eindruck, als seist du krank. Du verstehst für dein Alter eher ziemlich gut, was in dir vor sich geht. Ich kenne mich mit Asperger nicht besonders aus, aber dass es was mit Erkennung und Einordnung von Gefühlen zu tun hat weiß ich. Fällt es dir schwer, dich in andere hinein zu fühlen? Reden du und deine Mitmenschen im Thema Emotionen oft aneinander vorbei? Oder wurzelt dein Problem im Umgang mit anderen eher in der Tatsache, dass du von Kindheit an eher in dich gekehrt warst und dich an dieses Verhalten gewöhnt hast?
Ich kann dir sagen, dass auch ich vor vielen Monaten den Verdacht hatte, autistisch zu sein. Ich stolperte über eine Dokumentation darüber und war total erschrocken, wie oft ich mich in den Beschreibungen wiedergefunden habe. Dann sprach ich mit meiner Therapeutin, die dann meinte, dass es vielen Leuten so gehe, die sich über Autismus informieren. Die Symptome sind einfach typisch für jeden Menschen. Beim Autisten sind sie eben so stark ausgeprägt, dass sie sein Leben einschränken. Du vermittelst mir nicht dieses Gefühl. Und dein Verdacht, an Asperger-Syndrom zu leiden, wird sich mit der Diagnostik ganz bestimmt verflüchtigen. Du bist definitiv nicht die einzige, die von Definitionen und Merkmale des Autismus in die Irre geleitet wurde. Aber sicher ist sicher, weswegen ich dir auch keineswegs die Untersuchung ausreden will.
Nun, zum Hauptthema... Deine Eltern.
Dass Eltern ihre Kinder nicht verstehen ist vermutlich die Ursache aller Familienkonflikte dieser Welt. Und anders herum natürlich auch. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Böse sein? Oder Kompromisse eingehen? Ich bin der Meinung, dass die Eltern in manchen Angelegenheiten nicht alles erfahren müssen. Ein Freund ist manchmal der bessere Ratgeber. Andererseits... verstehst du dich mit deinem Vater oder deiner Mutter besser? Du könntest auch erst mit einem von beiden reden. Am besten in ruhiger Atmosphäre. Vielleicht einleitend mit einem banalen Gespräch über den Tag, die Schule, sonst etwas. Und dann erwähnst du einfach mal locker, dass dich etwas bedrückt. Wenn du Angst hast, dass du missverstanden wirst, bitte deinen Gegenüber zuvor freundlich, dich auch wirklich ernst zu nehmen. Wenn du also signalisiert hast, dass dir etwas nahe geht, glaube ich nicht, dass danach irgendjemand einen Streit anfachen wird. Das ist die Art, wie man mit empfindlichen Menschen umgehen muss, wenn sie zu Geschrei neigen. Vielleicht erwähntest du es zuletzt einfach im falschen Augenblick. Die Umstände spielen meiner Meinung eine große Rolle für den Erfolg des Dialogs. Versuch es doch nochmal? Nicht nur in der Sache mit dem Asperger-Syndrom, sondern insgesamt und allgemein, sofern eure Auseinandersetzungen zu oft laut verlaufen.
Vielleicht hilft dir das ja, viel Glück auf jeden Fall und ich wünsch dir das Beste.