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Gast
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So wichtig es auch ist, gesellschaftliche Schwachpunkte anzusprechen und sich kritische Gedanken zu machen, so kommt es mir manchmal vor, dass diese Kritik zumindest teilweise daher kommt, dass der Kritiker aus der Not eine Tugend macht. So erzählte mir mal ein Bekannter, dass er auf eine Karriere mit viel Geld verzichtet hätte. Richtig ist jedoch, dass er nie in der Wahlsituation war, Karriere mit viel Geld – „ja oder nein“. So mancher, der ein Leben als Aussenseiter führt, wäre gerne integrierter, hätte gerne 2-3 gute Freunde, ein gutes Auskommen etc etc. Warum auch nicht? Auch ist ein Leben mit großem Auto und Villa kein Zeichen dafür, dass der Eigentümer ein angepasster Mensch ist. Oft ist so ein stolzer Eigentümer jemand, der sich einfach nur durchgekämpft hat und glücklicherweise Erfolg hatte. Und nicht vergessen: Menschen, die sich an die Spitze kämpften, sind dort oben meist sehr einsam.
Natürlich möchte (und braucht) jeder Mensch ein ausreichendes Einkommen, Freunde, Anerkennung.... Eine perfekte Welt wird es nie geben, aber zumindest das mit dem Auskommen und ein Umgang mit Menschen abseits wirtschaftlicher Verwertung wäre problemlos machbar und gesellschaftlich absolut sinnvoll, dazu gibt es mittlerweile Dutzende Stimmen auch unterschiedlichsten Richtungen. In skandinavischen Ländern etwa wurde lange Zeit auf entsprechende Prinzipien gesetzt, das hat sehr gut funktioniert. Leider ist mittlerweile auch dort die neoliberale Agenda am Werk. Und natürlich gibt es auch Leute, die das Glück hatten, sich irgendwie hocharbeiten zu können - ich erwähne den Faktor Glück ganz bewusst, weil dieser oft völlig unterschätzt und der Faktor "Leistung" andererseits absolut überschätzt wird. An der "Spitze" sind viele übrigens nur deshalb, und dazu gibt es zig Studien und Auswertungen, weil sie geerbt haben und / oder auf Seilschaften setzen konnten.
Ich persönlich habe mich schon während des Studium auch ganz bewusst gegen eine finanziell besser entlohnte Tätigkeit entschieden und mich nur sehr selektiv beworben, was dann auch zu längerer Arbeitslosigkeit führte. Gut, nun habe ich auch eine 40-Stunden-Woche mit imho viel zu wenig Zeit für andere Dinge. Eine Teilzeitstelle wäre mir 1000 Mal lieber, auch wenn das natürlich weniger Einkommen bedeutet. Das Ganze ist, wie so oft, befristet und prekär bezahlt, dafür erkenne ich in der Tätigkeit vergleichsweise einen Sinn, im Großen und Ganzen zumindest. Ein Ex-Kommilitone hat sich auch gegen eine große Firma, gegen "Karriere" und 40, 50-Stunden-Woche entschieden und arbeitet lieber frei in kleineren Unternehmen. Gut, das ist natürlich auch eine Luxussituation, denn hier besteht Wahlfreiheit. Viele Menschen haben heute nur noch die Wahl zw. Ausbeutung und HartzIV, was früher oder später auch Ausbeutung bedeutet.
@Black-Bird85: Nun ja, mich hat der Komplex Schule-Arbeit-Existenzsicherung sicherlich psychisch auch schon sehr belastet. Bei mir schweben ständig Existenzängste im Raum, ich habe durch eine relativ unschöne Jugend (Vater) viel mit dem Thema Angst zu tun. Es fehlt mir einfach generell an Sicherheit und Unterstützung. Das ist wohl genau das, was Du mit dem "Anlehnen" meinst. Es gibt zwar Freunde, aber die leben natürlich - mit der Zeit immer mehr - auch ihr eigenes Leben. Bin daher eher ein introvertierter Mensch, wobei ich schon gerne neue Menschen kennenlerne bzw. kennenlernen würde. Allerdings fühle ich mich da mittlerweile oft fremd. Nicht wegen dem Alkohol, sondern weil meine Ansichten und Einstellungen einfach nicht zum Mainstream passen. Denn da hat sich ein extrem spießiges Weltbild mit absolut antisozialer Denke (ich, ich, ich) ausgebreitet, was ich sehr bedenklich finde.