Interessanter Artikel im Standard:
Das Weiße Haus bestätigt die gezielte Tötung zweier Überlebender eines US-Angriffs auf ein angebliches Drogenboot in der Karibik – doch die Befehlskette bleibt fragwürdig
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US-Verteidigungsminister wegen angeblichen "Kill them all"-Befehls unter Druck
Das Weiße Haus bestätigt die gezielte Tötung zweier Überlebender eines US-Angriffs auf ein angebliches Drogenboot in der Karibik – doch die Befehlskette bleibt fragwürdig
Es war eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die der demokratische Senator Mark Kelly vor zwei Wochen zusammen mit fünf Kolleginnen und Kollegen im US-Kongress in einer Videobotschaft für die Angehörigen des US-Militärs aussprach: "Das Gesetz ist klar: Sie können illegale Befehle verweigern." Damit beschrieb der ehemalige Marine-Kapitän nur abstrakt die geltende Rechtslage, wie sie auch in Handbüchern des Pentagon umrissen wird. Doch die Empörung der Trump-Regierung war gewaltig: Der Ressortleiter, Verteidigungsminister Pete Hegseth, drohte martialisch, den Reserveoffizier einzuberufen und von einem Kriegsgericht aburteilen zu lassen.
Im Rückblick erschließt sich nun der mutmaßliche Hintergrund dieser extremen Reaktion: Dieser Tage enthüllte die
Washington Post, dass beim Angriff einer US-Spezialeinheit auf ein angebliches Drogenschmugglerboot in der Karibik Anfang September zwei Zivilisten "gezielt" getötet worden seien, die sich an das Wrack klammerten. Nach Informationen der Zeitung soll Hegseth, der sich selbst als "Kriegsminister" bezeichnet und einen nassforschen Auftritt kultiviert, persönlich angeordnet haben, "alle zu töten" ("Kill them all!") – was der Politiker bestreitet.
"Selbstverteidigung"
Am Montag (US-Zeit) aber bestätigte Präsidentensprecherin Karoline Leavitt grundsätzlich den Hergang: Demnach wurde das Boot zweimal beschossen. Der zweite Schlag erfolgte, nachdem Luftbilder gezeigt hatten, dass zwei Überlebende im Wasser trieben. Laut Leavitt habe Hegseth den zuständigen Admiral Frank Bradley grundsätzlich autorisiert, die Aktion auszuführen. Sie wich jedoch mehrfach der Frage aus, ob er den zweiten Schlag ausdrücklich angeordnet habe. Stattdessen versuchte Leavitt, die Verantwortung für die Tötungen auf Admiral Bradley abzuschieben. Der hochrangige Offizier habe "innerhalb seiner Befugnisse und des Gesetzes" zur "Selbstverteidigung" gehandelt.
Daran hegen renommierte Völkerrechtler ernste Zweifel. In US-Medien werden Fachleute zitiert, die das Vorgehen eindeutig für völkerrechtswidrig halten. Selbst US-Präsident Donald Trump deutete an, er persönlich habe den zweiten Befehl so nicht erteilt. Gleichzeitig stellte sich der Präsident aber schützend vor seinen Minister. Dieser habe versichert, die Liquidation nicht angeordnet zu haben: "Ich glaube ihm hundert Prozent."
Kein Wunder: Trump hat den Kampf gegen den "Narco-Terrorismus" zu einem seiner vordringlichsten Ziele erklärt. Seit Wochen greift das US-Militär Boote mit angeblichen venezolanischen Drogenschmugglern in der Karibik und im Pazifik an. Die rechtliche Grundlage dieser Schläge im "Hinterhof der USA" ist höchst umstritten, zumal die US-Regierung bislang keine Beweise dafür vorgelegt hat, dass die Besatzungen der zerstörten Schiffe tatsächlich in kriminelle Handlungen verwickelt waren. Mehr als 80 Menschen wurden den Berichten zufolge bei 21 Attacken nach US-Angaben bislang getötet. Alleine bei der derzeit höchst kontrovers diskutierten Aktion im September verloren insgesamt elf Personen ihr Leben.
Glaubwürdigkeitsproblem
Derweil setzt Trump den sozialistischen venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro immer stärker unter Druck und stilisiert ihn zum Kopf eines angeblichen Drogenrings. Dabei hat der US-Präsident freilich mit einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Gleichzeitig hat er nämlich angekündigt, dass er den rechten Ex-Präsidenten von Honduras, Juan Orlando Hernández, der in den USA eine 45-jährige Haftstrafe wegen Kokainhandels absitzt, begnadigen will. Inzwischen wurde Hernández freigelassen.
Trotz dieser politischen Widersprüche und der rechtlichen Fragwürdigkeiten haben sich die Republikaner im US-Kongress wenig um die Angriffe gekümmert. Doch die gezielte Tötung der zwei schiffbrüchigen Überlebenden schlägt nun Wellen. Verteidigungsexperten beider Parteien im Repräsentantenhaus und im Senat dringen auf Aufklärung, wer den entscheidenden Befehl gegeben hat.
Kritik aus eigener Partei
Der republikanische Senator Rand Paul übte scharfe Kritik am Vorgehen des Pentagons und an Hegseth. Er halte nicht nur den zweiten Schlag, sondern die Angriffe insgesamt für illegal, sagte Paul in Washington. Man könne nicht einfach behaupten, "naja, sie haben Drogen", und dann ohne Beweise tödliche Gewalt anwenden. Die betroffenen Boote seien außerdem Tausende Kilometer von den USA entfernt und gar nicht in der Lage gewesen, die US-Küste zu erreichen.
Paul stellte damit die Darstellung der Regierung von Trump infrage, wonach es sich bei den Booten und deren Insassen um eine unmittelbare Bedrohung für die USA handle, die solche Einsätze rechtfertige. Der Republikaner gehört zu den prominentesten Parteimitgliedern, die sich regelmäßig gegen die Parteilinie stellen. US-Militäreinsätze im Ausland sieht er sehr skeptisch.
Der Sender CNN zitierte den Senator zudem mit dem Vorwurf, Hegseth habe entweder gelogen oder sei inkompetent. Der Minister habe zunächst erklärt, Berichte über einen zweiten Angriff am 2. September seien falsch. "Am nächsten Tag heißt es dann vom Podium des Weißen Hauses, dass es ihn doch gegeben hat", sagte Paul laut CNN.
"Fabrizierter Medienbericht"
Hegseth hat die Enthüllung der
Washington Post pauschal als "fabrizierten Medienbericht" abgetan, der darauf abziele, das Militär zu diskreditieren. Der einstige Fox-Moderator, der die versammelten Generäle der US-Armee bei einem Vortrag ausdrücklich aufgefordert hatte, eine "Kriegermentalität" anzunehmen und keine Rücksicht auf "politische Korrektheit" mehr zu nehmen, denkt gar nicht daran, vorsichtiger aufzutreten. Im Gegenteil: "Wir haben gerade erst begonnen, die Narco-Terroristen zu erledigen", brüstet er sich. In den Sozialen Medien postete er ein verfremdetes Bild der beliebten Kinderbuch-Schildkröte Franklin, die von einem Hubschrauber aus mit einem Raketenwerfer auf ein Boot schießt. Dazu schrieb er: "Für Ihren Weihnachts-Wunschzettel."
Nicht nur Ex-Offizier Kelly findet: "Das ist nicht die Botschaft, die von einem Verteidigungsminister kommen sollte." Der Senator will sich indes von Hegseths Drohungen nicht einschüchtern lassen: "Kein Präsident und kein unqualifizierter Verteidigungsminister werden mich davon abhalten, meinen Job zu machen", beteuerte er am Wochenende in einem Fernsehinterview. Am Montag legte er mit der eindringlichen Forderung nach einer Untersuchung der Tötung der Schiffbrüchigen nach: "Wenn es jemand gibt, der Fragen unter Eid beantworten muss, dann ist es Pete Hegseth." (Karl Doemens aus Washington, red, 2.12.2025)
Meine Meinung dazu hab ich ja schon geschrieben: Lynchjustiz ohne jede rechtliche Grundlage.