Vor ein paar Jahren, habe ich mich durch einen weiten Umzug von meinen Freunden trennen müssen.
Seit dem war ich auf der Suche jemanden hier in der Nähe kennen zu lernen, leider hatte ich damit allerdings NIE Erfolg.
Es ist tatsächlich sehr schwierig und ich denke nicht, daß das ausschließlich an Dir liegt.
Vor ein paar Jahren gründete ich mal eine Freizeitgruppe, die über eine Internetplattform organisiert war. Ich bewarb sie ziemlich intensiv mit Online- und sogar mit einigen echten Tageszeitungsanzeigen.
Um sicherzustellen, daß Neuregistrenten nicht mit falschen Vorstellungen kommen, stand schon auf der Homepage klipp und klar, daß es sich um ein Freizeitnetzwerk handelt, dessen Ziel der Aufbau eines verbindlichen Freundeskreises ist - nicht um einen romantischen Singletreff (daß die Liebe trotzdem mal wohinfallen kann, ist schon klar und geht auch in Ordnung, nur wollte ich eben keine Leute, die da bloß beitreten, um sich 'nen Partner zu suchen, um sich dann sofort wieder abzumelden, sobald sie den haben).
Es stand auch da, daß jeder sich mit Vorschlägen für gemeinsame Unternehmungen nicht nur beteiligen kann, sondern soll... um ein abwechslungsreiches Angebot sicherzustellen und auch, damit dieser Aufwand nicht nur bei einigen wenigen hängenbleibt.
Vorgaben in Sachen Interessensgebiete gab es keine; zwar hatte ich auf der Homepage Benutzerregeln verlinkt, aber wir waren kein eingetragener Verein mit Satzung, Mitgliedsgebühren und so. Die Gruppe bewerbende Annoncen zahlte ich aus eigener Tasche - die Kosten dafür waren nicht unerheblich, zumal ich sie nicht über Onlinewerbung refinanzieren konnte (das Forum war werbefrei). Was die Mitglieder betrifft, so gab es zwar eine Altersvorgabe, aber allzu streng nahmen wir das nicht - Herkunft und Sozialstatus spielten für die Aufnahme keine Rolle. Das Freizeitnetzwerk wandte sich in erster Linie an Alleinstehende, stand aber letztlich auch den zwei bis drei Pärchen offen, die sich dann eben doch einfanden.
Die Vision - auch sie war auf der Homepage für jedermann einsehbar veröffentlicht - war folgende:
Es sollte sich ein Stammtisch ergeben, der den Rahmen für persönliche Begegnungen bildet und 1-2 x monatlich stattfindet; dessen Organisation übernahm ich selbst. Da nicht jeder dieselben Freizeitinteressen und kaum jemand Bedarf für einen Freundeskreis von gleich 100 Leuten hat, ging ich davon aus, daß sich (in Eigenregie organisierte) Grüppchen bilden und auf bestimmte Interessensgebiete konzentrieren würden: Spielerunde, Wandergruppe, Lauftreff, etc. - deren Mitglieder aber immer mal wieder zum Stammtisch auftauchen, um sich dort auch "im Großen und Ganzen" auszutauschen und so mit zur inneren Festigung des Netzwerkes als solches beitragen.
Verlaufen ist es dann so:
Tatsächlich registrierten sich über die folgenden ca. 2 Jahre rund 200 Interessenten online für eine Mitgliedschaft. Von rund der Hälfte las und hörte man unmittelbar danach nichts mehr; die übrigen verhielten sich überaus passiv. Irgendwann begann ich mit der Löschung dieser Karteileichen; selbstverständlich nach vorheriger Ankündigung. Bis auf zwei oder drei meldete sich von denen keiner mehr. Weitere 50-60% verfielen irgendwann - meist nach ihrem ersten Stammtischbesuch - ins Koma, vereinzelt meldeten sie sie auch selbst aus dem Forum ab (was mit wenigen Mouseclicks online möglich war) und wurden also ebenfalls deregistriert.
Die meisten der verbliebenen 50-60 Mitglieder waren weiblich; man kann sagen: Ca. 80-90%. Zum Stammtisch kamen anfangs zwischen 6-10, später zeitweise 12-20 Leute; meist waren höchstens 1-2 Männer darunter und denen merkte man deutlich an, daß sie eben doch "auf der Suche" waren, denn sie schauten sich prüfend um und kehrten dann nicht mehr zurück (Ausnahmen bestätigen die Regel und übrigens haben sich auch zwei Pärchen über den Stammtisch gefunden im Lauf der Zeit).
Die Stammtischorganisation war insofern etwas mühsam, als die Leute zwar einerseits Wert auf interessante Locations legten, wo man rechtzeitig ausreichend Sitzplätze reservieren muß, andererseits aber ihre Teilnahme nur widerwillig (bis gar nicht) verbindlich zusagen wollten. Kaum ein Stammtischtag, an dem nicht noch nachmittags kurzfristig die Absagen kamen - natürlich nicht etwa in Form eines persönlichen Anrufs, sondern grundsätzlich in Gestalt einer SMS oder einer Forumsnachricht. Manche sagten auch gar nicht ab und kamen einfach nicht. Schließlich ging ich dazu über, für jeden, der noch in den letzten 24 Stunden vor dem Stammtisch abgesagt hatte bzw. einfach nicht erschienen war, beim nächsten Stammtisch einen Sitzplatz weniger zu reservieren - bis am Ende nur noch ein kleines Kontingent von 6-8 Reservierungen übrigblieb, während alle spontan Hinzukommenden eben selbst schauen mußten, ob und wie sie am Tisch unterkommen. Das paßte vielen nicht, aber ich sah keinen Anlaß, mit meinem guten Namen in der halben Stadt bei Gastwirten für Leute einzustehen, die nicht wissen, was sie wollen. (Es kam zwar nie dazu, aber ein Gasthaus kann auch Schadensersatz fordern, wenn man - sagen wir mal - 25 Plätze dort reserviert hat und dann tauchen nur 10 Leute auf).
Im Lauf der Zeit hatte ich Gelegenheit, mit fast allen Gruppenmitgliedern zu sprechen. Die meisten suchten gar keine Freunde, sondern etliche waren gleich in mehreren solcher Freizeitnetzwerke gleichzeitig "aktiv" und gingen mal hier-, mal dorthin... was denn auch erklärte, warum sich bis zum Schluß nur ein kleiner Teil der Mitglieder mit Vorschlägen für gemeinsame Unternehmungen in die Gruppe einbrachte bzw. diese zu organisieren bereit war.
Die meisten hatten eine merkwürdig kompromisslose Mitnahmementalität. Ganz deutlich zeigte sich das eines Tages, als ein Mitglied am Forumsboard die Organisation eines Grillabends vorschlug. Was ihr fehlte, war ein Grill - aber sie war bereit, dafür zum Essen beizutragen. Ein anderes Mitglied bot daraufhin netterweise seinen Grill an, allerdings wollte er an einen anderen Grillplatz, der für ihn mit seinem Wagen besser erreichbar sei. Nun meldeten sich weitere Stimmen: Alle ohne eigenen Grill, aber jeder wollte über die Abendgestaltung mitbestimmen: andere Plätze, neue Termine... Schließlich machte der Grillbesitzer dem ausufernden Thread ein jähes, aber nachvollziehbares Ende: Da offenbar kein Interesse daran bestehe, mit seinem Grill an der von ihm vorgeschlagenen Location zu feiern, ziehe er sein Angebot und sich aus dem Thread jetzt zurück. Damit war das Vorhaben gestorben: Weil eine Handvoll Leute alles nach ihren Wünschen gestaltet sehen wollte, hatten sie nun gar nichts. (Wieso war es so immens wichtig, wo das stattfindet - hätte es nicht um die Geselligkeit gehen sollen, bei so einem Vorhaben?)
Ähnlich erging es mir mal mit einem Kinoabend: Ich hatte vorgeschlagen, einen bestimmten Film in einem bestimmten Kino (gleich beim HBF) zu einer bestimmten Zeit zu sehen und bat um Info, wer sich anschließen möchte, bis spätestens 2 Tage vorher, damit wir die Karten noch rechtzeitig so reservieren können, daß wir nebeneinander sitzen. Prompt kamen Fragen, warum es ausgerechnet dieser Film, dieses Kino, dieser Tag sein müsse. Ich schrieb, wem das nicht passe, der könne gern seinen eigenen Kinoabend im Forum vorschlagen - meiner sei so und nicht anders geplant: Take it or leave it! Weitere Anfragen kamen noch am Tag des Kinoereignisses per Forumsnachricht bzw. SMS. Doch da ich mich seit 2 Tagen nicht mehr an mein Angebot gebunden fühlte, war ich offline und rückzurufen, sah ich keinen Anlaß - vielmehr entstand der Eindruck, daß diese Leute eben darauf nur warteten um sich selbst die Telefongebühr zu ersparen - auf sowas kann ich überhaupt nicht! Schlußendlich ging ich dann also allein und hatte auch einen angenehmen Abend.
Im dritten Jahr war ich - teils krankheits-, teils berufs-, teils umzugsbedingt - für ein paar Monate nicht in der Lage, die Onlineplattform noch viel zu moderieren bzw. den Stammtisch zu organisieren. Daher teilte ich allen Mitgliedern per Mail mit, daß ich mich vorübergehend etwas zurückziehen müsse; falls jemand sich berufen fühle, die Stammtischorganisation zu übernehmen: Nur zu.
Prompt meldete sich jemand und ich bekam noch mit, daß weitere Stammtische stattfanden. Dazwischen wurde es - selbst für unsere Community - auffallend ruhig. Etwa drei oder vier Monate später kam dann der Hammer: Jemand setzte eine Forumsnachricht ab, diese Plattform werde "nicht mehr moderiert" (als ob es mich nicht mehr gebe! Die hatten nicht mal bei mir nachgefragt) und man habe eine eigene aufgemacht; für eine Übergangszeit werde man die dort gemachten Freizeitangebote noch hierher crossposten, aber das Leben spiele sich jetzt drüben ab.
Noch am selben Tag habe ich meine Onlineplattform geschlossen. Von einem ehemaligen Mitglied, das ich später noch einmal wiedersah, erfuhr ich, daß die neue Gruppe sich darüber sehr geärgert hatte - weil sie so nicht mehr alle Mitgliedsadressen hatten abgreifen können.
Spätestens da war mir klar, daß ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Fazit:
Ja, es ist schwer, Leute zu finden, selbst wenn es nur um lockere Unternehmungen geht. Mir fiel damals sofort auf, daß die meisten Mitglieder sich zwar kaum mit eigenen Vorschlägen in die Gruppe einbrachten, geschweige denn selbst gemeinsame Aktivitäten organisierten, aber sehr wohl den Nerv entwickelten, jenen Mitgliedern die das taten, dann mit aller Selbstverständlichkeit in deren Organisation reinreden zu wollen - um die betreffende Unternehmung für sich persönlich zu optimieren. Daß derjenige, der den Ton macht, auch die Musik spielen darf, schien ihnen ebenso fremd zu sein wie der Grundgedanke, daß man um der Geselligkeit willen auch mal kleinere Kompromisse eingehen sollte, statt ständig mit einem "alles oder nichts"-Anspruch daherzukommen, als habe die ganze Gruppe sich nur um sie und ihre Befindlichkeiten zu drehen. Stattdessen entstand oft der Eindruck, daß die Fraktion der Trittbrettfahrer die wenigen aktiven Mitglieder mit einem kommerziellen Dienstleister verwechselte, der sich für seine Eventorganisation bezahlen läßt.
Ich nahm das schon früh zur Kenntnis, war erst erstaunt, dann wurde ich neugierig - ansonsten hätte ich die Plattform schon ein Jahr vorher wieder geschlossen. Stattdessen verfolgte ich die Entwicklung interessiert weiter - bis die Mail mit der Parallelplattform dem Faß den Boden ausschlug, wobei das Gemopper darüber perfekt ins Bild paßt. Es ist aber nun mal nicht mein Problem, wenn diese Leute über zwei Jahre nicht in der Lage waren, ihre Kontaktdaten untereinander auszutauschen, insofern sehe ich das mit einem Achselzucken.
Seither habe ich mich von der Vorstellung verabschiedet, selbst mit noch soviel Aufwand und Engagement online Freunde in meiner Stadt finden zu können; aber immerhin habe ich es wirklich lange und ausdauernd genug versucht! Seither konzentriere ich mich wieder konsequent auf das reale Leben.
Es blieb eine Weile lang sehr ruhig darin... aber jetzt wachsen doch wieder erste Pflänzchen, die zu gießen es sich lohnen dürfte. Ich denke, man muß sich für sowas auch wirklich viel Zeit nehmen, sollte einerseits nichts forcieren... aber andererseits auch nicht mehr investieren als man wirklich vor sich selbst und für speziell diese Kontakte vertreten will.