Liebe Mara,
ich weiß nicht, ob du mit meiner Geschichte etwas anfangen kannst, aber einiges von dem, was du schreibst, hat mich daran erinnert, wie ich meine Schulzeit erlebt und empfunden hab.
Ich befand mich in einem riesigen Zwiespalt zwischen "Mitmachen um dazuzugehören" und "Ich selber sein". Mir scheint, du ziehst dich zurück, weil du das Gefühl hast, dass du dich verstellen müsstest, um von den anderen akzeptiert zu werden. Ich hab mich damals verstellt und hab ziemlich drunter gelitten. Selbst bei "Kleinigkeiten" z. B. wenn es darum ging, welcher Song, welche Serie, welcher Junge... toll ist, oder blöd ist, hab ich mich nie getraut, meine Meinung zu sagen (meistens hatte ich gar keine), sondern hab immer gewartet, was andere meinen und mich dann angeschlossen. Als mir das klar wurde, hab ich hin und wieder versucht, bewusst eine andere Meinung zu vertreten. Aber es war unendlich schwer.
Besser wurde es dann plötzlich, als ich nach der Schule eine Ausbildung anfing und kaum noch Kontakt zu meinen damaligen Mitschülern hatte. Ich gewann neue Freunde durch die Arbeit und durch einen Verein, in dem ich mich von da an engagierte und wurde langsam selbstbewusster und offener.
Ich möchte dir Mut machen, darauf zu vertrauen, dass sich das bessert, wenn du dran bleibst und evtl. versuchst, neue Kontakte zu knüpfen. Das geht sicher nicht von heute auf morgen, aber du bist noch jung und erkennst jetzt schon, was schief läuft. Da kann sich noch so viel bei dir entwickeln.
Ich glaube es ist ein grundlegendes Bedürfnis jedes Menschen, angenommen zu sein, dazuzugehören. Gerade als Teenager, wo die eigene Persönlichkeit sich erst entwickelt, geht das "Angenommen-sein-wollen", oft auf Kosten der eigenen Persönlichkeit. Oder umgekehrt: Man sagt sich "Ich will ich selber sein und mich nicht anpassen." Und versucht dann das Bedürfnis, dazuzugehören, zu unterdrücken. Anfangs ist es deshalb meist eine Gratwanderung, den richtigen Mittelweg dazwischen zu finden, sein Bedürfnis nicht unterdrücken, und sich trotzdem nicht zu verstellen. Aber wenn man nicht aufgibt, findet man irgendwann seinen Weg, weil man erkennt, dass das Bedürfnis nach Zugehörigkeit nur befriedigt wird, wenn man sich eben nicht verstellt. In Wahrheit möchte man nämlich nicht einfach nur irgendwie dazugehören, sondern so angenommen und akzeptiert sein, wie man wirklich ist. Dazu muss man sich aber erst mal trauen, so zu sein, auch vor anderen. Diesen Mut wünsch ich dir!
Alles Gute
M.