Ich fühle mich einsam, obwohl ich es eigentlich nicht bin.

Hallo. Ich bin 18 Jahre alt und wohne seit einigen Wochen mit meinem älteren Bruder zusammen. Gefühle von Einsamkeit kannte ich in meinem Leben noch nicht - bis jetzt. Ich verstehe das auch nicht, weil mir das Alleinsein nie was ausgemacht hat. Ich konnte oft den ganzen Tag allein sein und mir war nie langweilig. Ich habe Hobbys, die ich alleine ausführen kann. Ich lese wahnsinnig gern, zeichne oder schreibe an meinem Roman weiter. Ich habe Freunde, die ich mindestens drei Mal pro Woche sehe, wir sind oft unterwegs. Aber seit dem Abitur ist bei mir der Wurm drin. Ich finde es quälend alleine zu sein. Mein Bruder arbeitet jeden Tag bis spät abends und meine Freunde haben auch nicht jeden Tag Zeit für mich weil sie ja auch andere Pflichten haben. Ich fühle mich oft sehr alleine, ich bin sogar neidisch auf spielende Kinder die draussen in bester Gesellschaft sind. Aber ich bin ja nicht permanent allein, deshalb verstehe ich meine Emotionen gerade nicht..
Ich muss mir auch eingestehen dass ich über die Loslösung von meiner Mom nicht hinweg komme. Der Grund meines Auszugs war der Freund meiner Mutter, mit dem ich mich gar nicht mehr verstanden habe. Nach einer Auseinandersetzung haben wir beschlossen dass es besser ist wenn ich vorerst zu meinem Bruder ziehe. Finanziell brauche ich mir wenig Sorgen machen, meine Mom kauft dreimal pro Woche mit mir ein und die Miete zahlen mein Bruder und meine Mom zusammen. Obwohl ich noch guten Kontakt zu meiner Mom habe war das für mich ein harter Schritt, aber die Fronten daheim waren so verhärtet dass ich die Situation so belassen möchte und vorerst nicht zurück will... Was kann ich gegen diese Gefühle tun? Einen kleinen Job habe ich schon, ich arbeite aber nur 15 Stunden in der Woche... Danke, mir hilft es schon wenn es Menschen gibt, die mich verstehen..

Lieber Gast,

ich denke, dass Du und Dein Leben im Grunde intakt sind, wäre da nicht der für Dich wohl traumatische "Rausschmiss" von daheim. Du schreibst , und das ist sehr verständlich, dass Du Deine Mutter vermisst. Dass Du das jetzt tust, geht
jedem jungen Menschen so. Das ist ganz normal, und ich bin sicher, das macht auch Deine Mutter daheim durch. Doch ich kann mir vorstellen, dass die ART UND WEISE wie diese "ZWANGS- ABLOESUNG" vonstatten ging, eben das wirklich Problem war und ist. Es war leider alles andere als ein friedliches Auseinandergehen, sondern es geschah im Streit, Du und der neue Partner Deiner Mutter kamt nicht aus...Du wurdest "geopfert"..und das tut weh. Man kann es insofern nachvollziehen, dass es irgendwo auf den ersten Blick logischer ist, dass Deine Mutter und ihr Lebenspartner zusammenbleiben, und der 18jährige Sohn zum Bruder zieht ( auch noch ein wenig Familie), doch das ist hier nur auf den ersten Blick. Ich habe keine Ahnung wie die Umstände waren, doch ich kann mir eben vorstellen, dass sie anders waren, denn dass Du jetzt so dran bist und leidest lässt darauf schliessen. Du trägst eine Last auf der Seele, und ich würde mir von aussen ( z.B. durch Psychotherapie) helfen lassen, denn was auch klar ist, ist dass man innerhalb der Familie unfähig ist , miteinander konstruktiv Konflikte zu lösen. Leider keine Seltenheit..so was lernt leider niemand in der Schule oder sonst wo. Deshalb bist Du jetzt mit Deinem Kummer alleine und so besteht die Gefahr dass eine Depression oder andere seelische Krankheiten sich bei Dir entwickeln. Lass Dir also helfen, BEVOR es soweit ist. Alles Gute und liebe Grüsse, Desdemonaschall